Mafiajäger

Operation Eureka auf Arte

von Michael Schlag

3. Mai 2023, Punkt 4.00 Uhr morgens stürmen 3.000 Polizisten in zehn europäischen Ländern gleichzeitig Häuser und Wohnungen der Mafia, über hundert Verdächtige werden verhaftet. Die Operation „Eureka“ gilt bis heute als größte Polizeiaktion gegen die Organisierte Kriminalität und als Beispiel für die europaweite Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden.

Akribische internationale Polizeiarbeit

Die Serie „Mafiajäger“ zeigt die vier Jahre akribischer und unermüdlicher Ermittlungsarbeit, die dem Schlag gegen die Mafiaorganisation ’Ndrangheta vorausgingen. Beginnend im März 2019, als eine Spezialeinheit der italienischen Carabinieri ein verdächtiges Telefonat zwischen zwei Frauen aus Wuppertal und einem gesuchten ’Ndrangheta-Boss abhören und das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen informieren. Vieles deutet darauf hin, dass die beiden Frauen als Drogenkuriere im internationalen Drogenschmuggel der ’Ndrangheta arbeiten.

Drogenkuriere auf dem Weg über die Alpen

Seit den 1990er Jahren hat sich die ’Ndrangheta aus Kalabrien zu einer der mächtigsten Mafiaorganisationen der Welt entwickelt. Sie kontrolliert heute den Großteil des internationalen Kokainschmuggels.

Rituale und Omertà

Nach außen agiert sie weitgehend unsichtbar, im Inneren zusammengehalten von strengen Ritualen und dem strikten Schweigegebot der Omertà. Nur einmal landet die ’Ndrangheta im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, als 2007 bei einer Familienfehde in Duisburg sechs Männer ermordet werden.

Zugriff morgens um Punkt vier Uhr

Die Ermittlungen unter Leitung des Landeskriminalamtes NRW finden unter größter Geheimhaltung statt. Die Wege der Drogenkurierinnen führen zu eigentlich völlig unscheinbaren Orten in Deutschland: einem Eiscafé in Siegen, einem Treffpunkt junger Männer aus der ’Ndrangheta-Hochburg San Luca in Kalabrien.

Geldwäsche im Eiscafé

Das Eiscafé wird zum Waschen von Drogengeld genutzt, überhaupt sei Deutschland aufgrund schwacher Gesetzeslage das Geldwäscheparadies in Europa. Über die Kuriere gelangen die Ermittler schließlich auch zur Zentrale des Drogennetzwerks, einem nach außen völlig unauffälligen Betrieb mit Angelteichen für Sportfischer in Breckerfeld bei Hagen.

Angelparadies als Drehpunkt für den Drogenschmuggel

In den Jahren nach dem Mauerfall hat die ’Ndrangheta auch systematisch in den neuen Bundesländern investiert, kauft Immobilien in Erfurt, Weimar oder Leipzig. Parallel dazu professionalisiert sich die ’Ndrangheta und arbeitet mit kolumbianischen Kartellen und der albanischen Mafia zusammen, die neben dem Hamburger Hafen auch viele andere europäische Häfen infiltrieren. Dort kommt das Kokain in Containern tonnenweise an, und wird von Schmugglernetzwerken wie jenem im Angelparadies Breckerfeld in Deutschland und Europa verteilt.

Luigi Bonaventura, Kronzeuge im Prozess gegen die ‚Ndrangheta

Mordanschläge gegen Kronzeugen

Der Polizei gelingt es, Kronzeugen zu gewinnen, einer der ersten war der in Mühlheim an der Ruhr aufgewachsenen Giorgio Basile, einem Mafiakiller, genannt „Engelsgesicht“. Ein weiterer Kronzeuge, der mit der Justiz zusammenarbeitet, ist der ehemalige ’Ndrangheta-Boss Luigi Bonaventura, der sich nach einem jahrelangen Doppelleben seiner Frau anvertraut und schließlich aussteigt. Er überlebt zwei Mordanschläge seines Vaters und wird zum wichtigen Informanten für die Ermittler in Italien und Deutschland. Auch der Düsseldorfer Chefermittler Oliver Huth spricht mehrfach mit ihm, um die Strukturen der ’Ndrangheta besser zu verstehen.

Ermittler Oliver Huth vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfahlen

Langjährige Haftstrafen

Mittlerweile sind die ersten Prozesse eröffnet. Die beiden Frauen aus Wuppertal werden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Im Herbst 2024 sagt Luigi Bonaventura im Prozess gegen die drei Angeklagten in Siegen aus. So wie der Besitzer des „Angelparadieses“ in Breckerfeld und sieben seiner mutmaßlichen Komplizen sind sie wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Die Urteile werden auch wegweisend für den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität in Deutschland sein.

Verhaftung im Zusammenhang mit Eiscafé in Siegen

Welchem Eiscafé kann man noch trauen

Für den Zuschauer bleiben am Ende der Serie gemischte Eindrücke: Man wird wohl kaum mehr unvoreingenommen eine italienische Pizzeria oder ein italienisches Eiscafé besuchen. Zu intensiv schildert die Dokumentation die möglichen Abgründe dahinter. Mit vielen Originalinterviews mit Ermittlern und Straftätern, Originalaufnahmen und teilweise nachgestellten Szenen. Aber ob der massive Polizeieinsatz und der große Erfolg der Aktion „Eureka“ die Mafia wirklich auf Dauer getroffen hat? Und doch: Es gibt eine funktionierende Zusammenarbeit von Polizei und Justiz in Europa gegen die Organisierte Kriminalität, und es gibt extrem engagierte Polizisten, die den Kampf aufgenommen haben und in diesem Fall mit jahrelanger Ausdauer auch zum Erfolg führen.

„Mafiajäger“ WDR 2024, Fünf Folgen à 45 Minuten

Zu sehen in der Arte-Mediathek bis 28.03.2025

https://www.arte.tv/de/videos/117243-000-A/mafiajaeger-1-5

Fotos: WDR © Nikolaus von Schlebrügge/beetz brothers film production
Foto Oliver Huth: © Sabine Panossian/beetz brothers film production

Der Artikel verwendet Pressetexte von Arte

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