Lulo Reinhardt

Djangos Großneffe in Friedberg

Von Klaus Nissenlulo-reinhardt

Mit Lulo Reinhardt beehrte am 21. Oktober 2016 ein Weltmusiker das Alte Hallenbad in Friedberg. Der 55-jährige Gitarrenvirtuose ist ein Großneffe des legendären Django Reinhardt (1910 – 1953), der den europäischen Jazz mitbegründete.  Doch Lulo hat einen ganz eigenen Stil.

Lulo Reinhardt

Es hätte auch ein Reinfall werden können. Bei acht Grad über null und wenig Zuschauern hätte man am Freitagabend im Alten Hallenbad frieren können. Für eine Heizung hat das Geld in dem ehrenamtlich betriebenen Kulturtempel noch nicht gereicht.  Doch dann strömten fast 130 Fans von Lulo Reinhardt und Andre Krengel ins Haus. Die Menschen und vor allem die Musik erwärmten am Freitagabend die Herzen. Ein Abend, an den man sich noch lange erinnern wird.

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Jedes seiner Stücke hat eine eigene Geschichte, die Lulo Reinhardt (links) gerne seinem Publikum erzählt. Christiano Gitano hört zu, während Perkussionist Uli Krämer sein Udu streichelt – ein afrikanisches Instrument, das an eine Kalebassev erinnert. Foto: Nissen

Der 55-jährige Lulo Reinhardt ist ein Großneffe des legendären Django Reinhardt (1910 – 1953), der den europäischen Jazz mitbegründete. Beide entstammen einer großen Sinti-Familie, deren Vorfahren vor 1100 Jahren aus Indien aufbrachen und die seit 600 Jahren im Elsaß, in Rheinland-Pfalz und Hessen lebt. „Denn hier fühlen wir uns sicher“, sagte der jetzt bei Koblenz lebende Musiker. Er selbst ist längst ein Weltbürger, der mal in Australien, mal in den USA oder England Konzerte gibt. Gleich nach dem Auftritt in der Wetterau flog Reinhardt am Samstag für neun Tage nach China. Er soll auf der Musikmesse in Shanghai  spielen.

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Hier ist klar, dass Lulo Reinhardt den Ton angibt. Links Chritiano Gitano, hinten Konstantin Winstroer, rechts Bertino Rodmann. Foto: Nissen

Der vom „Ulenspiegel“-Inhaber David Hesse für einen Abend nach Friedberg geholte Gitarrist strahlte auf der Bühne eine Gelöstheit aus, die ansteckend wirkte. Man konnte verschmerzen, dass der Düsseldorfer Gitarrenvirtuose Andre Krengel wegen einer starken Erkältung fortblieb – man konzentrierte sich einfach auf die Musik von Lulo Reinhardt. Den Part von Krengel übernahm der 23-jährige Christiano Gitano, der ebenfalls aus der Reinhardt-Familie stammt. Am Kontrabass Konstantin Winstroer und am Schlagzeug Uli Krämer, der im Laufe des Abends auch mit verschieden großen Gongs hantierte, deren Klang er mit einer wassergefüllten Kiste variierte. Zeitweise verstärkte auch Bertino Rodmann mit seiner Gitarre die Gruppe.

Lulo Reinhardt und seine Leute mischten Flamenco mit Rumba. Einen Tango unterlegten sie mit einem flotten Marsch-Rhythmus. Ein Stück mit schnellem Andando widmete er der Auswanderung seines Volkes aus Indien. Sein rechter Daumennagel und eine Flagge auf der Bühne zeigen das Symbol der Sinti und Roma – ein rotes Rad auf grünem und blauem Grund. Aber auf einen Gitano-Stil lässt sich Lulo Reinhardt nicht festlegen. Er habe zwar schon oft auf Django-Reinhardt-Festivals musiziert, erzählte er. „Aber ich fühlte mich da nicht wohl, weil da fünf Bands all die Stücke von Django spielten. Deshalb habe ich mich entschlossen, meine eigene Musik zu machen.“ Viel Zeit nahmen sich Lulo und seine Gruppe für die „Desert Inspirations“ – bei deren Klang man den über Dünen und Geröllfelder blasenden Wind buchstäblich hört. Die Begegnung mit Nordafrikanern hat Lulo Reinhardt stark beeindruckt – manchmal sang der Instrumentalist auch für wenige Sekunden wie sie.  Und spielte dann Weltmusik, Latin, Jazz, Oriental-Melodien auf seiner neuen, im offenen H gestimmten Gitarre. Und auf der achtsaitigen, blau leuchtenden „Sneetra“ – einer Mischung aus arabischer Oud und Mandoline. So mancher Besucher nahm die Erinnerung an das Konzert in Form einer CD mit nach Hause.

Mahfus-Roman auf der Bühne

Für das Alte Hallenbad geht nun allmählich eine Saison mit mehr als 30 Konzerten und Theaterabenden zu Ende. Am 30. Oktober wird noch die Theatercompagnie Tagträumer auf der Bühne ein Sittenbild aus Kairo inszenieren: „Die Midaq-Gasse“ nach dem Roman von Nagib Mahfus. Am 26. November kann man mit dem Harfenduo „Concertante“ auf eine musikalische Reise durch Europa gehen. Und am 4. Dezember lesen Mitglieder der Theatercompagnie im beheizbaren Kesselhaus des Alten Hallenbades Liebesbriefe berühmter Männer und Frauen. Das Programm für 2017 haben die ehrenamtlichen Mitglieder des „Kulturtaucher“-Teams bereits im Groben fertig. Mehr über das Projekt erfährt man auf www.aha-friedberg.info und auf Facebook.

 

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