Bronzekopf gestohlen
von Ursula Wöll
Am 8. April 2020 entdeckten die Darmstädter, dass das Denkmal für Luise Büchner nur noch halb stand. Der Bronzekopf auf einer Stele vor der Platte mit Inschrift ist verschwunden. Er war schwer loszutrennen und abzufahren, deshalb sind wohl Männer für den Frevel verantwortlich. Luise, eine Schwester von Georg Büchner, war eine der ersten Frauenrechtlerinnen. Sie setzte sich für Mädchen- und Frauenbildung ein. Obwohl sie die Darmstädter 2017 mit einem Denkmal ehrten, stand sie doch meist im Schatten ihres berühmten Bruders Georg. Die Diebe sorgen nun unfreiwillig dafür, dass man sich ihrer erinnert.Die Frauen und ihre Beruf
Während der 1837 verstorbene Bruder Georg die Armut des kleinen Ländchens im „Hessischen Landboten“ geiselte und ‚Krieg den Palästen‘ forderte, war seine jüngere, 1821 geborene Schwester Luise für eine schrittweise, evolutionäre Verbesserung der Verhältnisse. „Die Frauen und ihr Beruf“, so lautet der Titel ihres Buches, mit dem sie für den Zugang von Mädchen und Frauen zu bezahlten Berufen wirbt, etwa in der Krankenpflege. Die Schrift erlebte zahlreiche Auflagen. Mit ihr betrat sie Neuland, die erste Auflage von 1856 gab sie anonym heraus. Nur in England engagierte sich fast gleichzeitig Florence Nightingale für eine Professionalisierung der Krankenpflege.
Seit Mitte der 1860er Jahre arbeitete Luise Büchner eng mit Prinzessin Alice zusammen. Alice, die Frau des Darmstädter Thronfolgers, war eine Tocher von Queen Victoria. Erst 1877 wurde sie Großherzogin. Beide Frauen gründeten die Alice-Frauenvereine und einen Bazar, auf dem arme Frauen selbstgefertigte Handarbeiten verkaufen konnten. Luise war auch an der Gründung des „Verbandes deutscher Frauenbildung“ (Lette-Verband) in Berlin beteiligt, wo sie über die Darmstädter Erfahrungen referierte.
Die Frauenfrage war für Luise Büchner vor allem eine Bildungsfrage. Über zehn Jahre hinweg hielt sie in ihrer Wohnung in der Grafenstraße Geschichtsvorlesungen für Frauen und Mädchen, ab 1870 dann in dem neuen Alice-Lyzeum. Spätestens jetzt muss ich ihre Schwester Mathilde erwähnen. Mit ihr wohnte Luise zusammen. Mathilde führte den Haushalt der beiden und hielt Luise „den Rücken frei“. Sonst hätte es Luise kaum geschafft, auch noch Reisen nach Holland, der Schweiz und Paris zu unternehmen. Und neben ihrem gesellschaftspolitischen Engagement auch Gedichte, Märchen und den Roman „Das Schloss zu Wimmis“ zu schreiben. Er thematisiert das Schicksal einer Behinderten, trägt also autobiografische Züge. Durch einen Unfall als Kind war Luise Büchner gehbehindert.
Appell an die Diebe
Beide Bücher habe ich mir sofort bestellt und vermache sie gerne den Dieben, wenn sie nur den Bronzekopf wieder herausrücken. Der materielle Wert der Bronzeskulptur wird von dem künstlerischen und ideellen Wert weit übertroffen. Vielleicht wussten sie nicht, dass die Frau, die ein Ehrengrab auf dem Alten Friedhof erhielt, sich für die Armen und unteren Stände einsetzte. Auch wenn sie mit Prinzessin Alice zusammenarbeitete.
Die Skulptur wurde von der Berliner Bildhauerin Bärbel Dieckmann entworfen und von der Darmstädter Steinmetzin Ruth Andres auf eine Stele montiert. Sie gab der Inschrift auf der Steinplatte ein Gesicht. Zu lesen ist dort: „Luise Büchner 1821 – 1877, Darmstädter Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, kämpfte für Mädchenbildung und Zulassung von Frauen zu qualifizierten Berufen“. Vor ziemlich genau 3 Jahren, Anfang Juni 2017, wurde das Denkmal eingeweiht. Die Diebe werden aufgefordert, den Bronzekopf bis zu diesem Datum Anfang Juni zurückzubringen.
Luise Büchner, Die Frau und ihr Beruf, Verlag Hofenberg, Taschenbuch 192 Seiten (mit Biografie) 9,79 Euro
Luise Büchner, Das Schloss zu Wimmis, Verlag Edition Hamouda, 214 Seiten, 12,90 Euro, ISBN 3958170196