„Kraut und Rüben“ im Kukuk
Nein, nichts ging wie Kraut und Rüben durcheinander auf der Vernissage von „Kraut und Rüben“ in der Wettenberg-Wißmarer Kunsthalle des Kukuk. Alles war toll vorbereitet von Mitgliedern des Kunst- und Kulturvereins. Kraut und Rüben waren aber als prächtige Tischdekoration und köstliches Fingerfood leibhaftig anwesend. Und von drei KünstlerInnen präsentiert auf etwa 50 Fotografien, Gemälden oder Plastiken, je nach Gusto als Gemüse oder auch als Redewendung. Die oft mit Humor und Satire gewürzten Exponate beweisen, dass es reines Chaos gar nicht dauerhaft gibt und dass Kraut-und-Rüben-Zustände sogar Voraussetzung eines jeden schöpferischen Prozesses sind. Denn es fügt sich jede Bildkomposition letztlich doch zu einer neuen harmonischen Ordnung. Keine Bange also, wenn es mal in Kopf, Herz oder sonstwo drunter und drüber geht.
Wolfgang Gebhardt
Zuerst fällt der Blick auf die glasierten Keramikköpfe, modelliert von Wolfgang Gebhardt in verschiedenen Farben. Besteht die Menschheit doch auch aus Individuen mit roter, gelber, schwarzer oder weißer Hautfarbe! Sie könnten in Harmonie zusammen leben, wenn es nicht dumme Rassisten gäbe. Die gesträubten Haare aus Ähren, Federn und anderen Naturmaterialien hat ihnen der Künstler wohl zu dekorativen Zwecken verpasst. Und nicht etwa, weil
Thomas Bernsdorff falsch Guitarre gespielt hätte. Im Gegenteil, wunderbar gab er die Gärten der Alhambra zu Gehör und begleitete das von Hannah Proussas vorgetragene Lied vom Lemon-Tree. Wolfgang Gebhardt betrachtet die Individuen dieser bunten Family of Man auch von Angesicht zu Angesicht. Er setzt Gesichter aus verschiedenen Früchten und Gemüsen zusammen. Und siehe da, wieder ergibt das Chaos eine wunderbare Harmonie. Die Gesichter erinnerten mich an den italienischen Renaissancekünstler Arcimboldo, der bereits solche Porträtmosaiken aus Gemüse und Blumen komponierte. Man kann eben das Rad nicht zweimal erfinden, die im Kukuk ausgestellten Exponate sind außerdem dreidimensional. Und was will uns ihr Schöpfer durch sie sagen? Vielleicht, dass wir alle Teil der Natur sind und mit ihr untergehen, wenn wir sie weiter zugrunde richten. Vielleicht aber auch nur, wie interessant Gesichter sind, wenn man mal genauer hinschaut.
Barbara Ritzkowski
Die Fotografien von Barbara Ritzkowski haben einen ganz eigenen ästhetischen Reiz, weil die Künstlerin quasi mit ihrer Kamera malt. Durch ihre extreme Nahsicht auf die Pflanzen werden wir unsicher, was das dadurch fast abstrakte Gebilde darstellt. Aber man will’s doch wissen, was da eigentlich auf den Farbaufnahmen zu sehen ist. Ist das nun ein Palmenbaum oder eine Schmuckdistel? Mehrdeutigkeiten halten wir schwer aus. Da hilft dann oft nur der Titel des Fotos weiter: Es ist eine Kugeldistel, wie sie momentan in unseren Gärten blühen. Und es sind schwarze Tulpen, die als aparte Schale mit Fuß auftreten.
Helga Deiss
Sie zeigt Acryl- und Aquarellgemälde. Ihre Gemüse-Stillleben weckten bei mir Assoziationen an die Bilder alter holländischer Meister. Auch scheint sie die gesellschaftlichen Schrecken ausgleichen zu wollen, um sie erträglich zu machen. Dafür wirft sie etwas Satire in die andere Waagschale, eine andere Form des Pfeifens im Walde..Auf dem Gemälde „Das chaotische Quartett: Die Angstmacher“ verballhornt sie einige der herrschenden Übeltäter.
Oder bringt sie diese damit erst richtig auf den Begriff? Als halbgare Jungs überblicken und dominieren sie den Ausstellungsraum. Ach, wenn doch diese Viererbande so für immer aufs Papier gebannt wäre! Gleich daneben ist das Gemälde „Satire II: Im schönen deutschen Wald“ plaziert. Wenn vorher das soziale Gefüge gestört war, so gilt das jetzt auch für die Natur. Ein fetter Hirsch sitzt faul im Wald, anstatt kräftig zu röhren, wie er das noch auf alten Schlafzimmerbildern tat.
Wer diese wiederum gelungene Ausstellung bis zum 24. September besucht, findet sicher noch viele weitere interessante und witzige Details. Die Exponate sind überdies zu vernünftigen Preisen käuflich. Seit 11 Jahren existiert nun die Kunsthalle des Kukuk e.V. in der Goethestraße 4b in Wettenberg-Wißmar. Gegenwärtig hat der Verein gut 90 Mitglieder, die meisten kommen aus dem künstlerischen und literarischen Bereich. Welch gute Idee, so einen anregenden Treffpunkt auf dem Land anzusiedeln und damit der ländlichen Kultur eine neue Facette hinzuzufügen.
Geöffnet ist die Kunsthalle mit Ausstellung und Café in der Goethestraße 4b in Wettenberg-Wißmar samstags und an Sonn- und Feiertagen von 15 bis 18 Uhr.