Konradsdorf


Klosterschenkung als politischer Coup


Fast 400 Jahre lang war das heutige Hofgut Konradsdorf ein Frauenkloster. Die Chordamen hielten sich an die Regeln der Prämonstratenser – sie waren aber keine Nonnen, die das ewige Gelübte ablegen mussten. Wer waren diese Frauen? Wie und wovon lebten sie? Gab es auch Männer in Konradsdorf? Und warum wurde das Kloster 1581 verlassen? Zwei Fachfrauen geben im Interview mit Klaus Nissen die Antworten: Dr. Anja Dötsch von der hessischen Schlösserverwaltung in Bad Homburg und die Kunsthistorikerin Susanne Gerschlauer von der Keltenwelt am Glauberg. Mit diesem Beitrag endet die dreiteilige Serie über Konradsdorf.

Kloster-Teile überdauerten die Jahrhunderte

Dr. Anja Dötsch (links) ist Fachgebietsleiterin für Bauangelegenheiten und Denkmalpflege bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Hessen. Sie organisierte die sieben Jahre dauernde und sechs Millionen Euro teure Restaurierung des mittelalterlichen Frauenklosters in Konradsdorf. Rechts im Bild Susanne Gerschlauer. Die bei der Keltenwelt am Glauberg angestellte Kunsthistorikerin kümmert sich um Führungen, Vorträge und die Nutzung des Klosterareals. Foto: Klaus Nissen

Schon seit 1581 ist Konradsdorf kein Kloster mehr. Nur die Kirche und die Propstei stehen heute noch. Was geschah mit den übrigen Gebäuden?

Dr. Anja Dötsch: Sie wurden vor mehr als 200 Jahren abgebrochen. Die Steine stecken heute wohl noch im Gemäuer alter Häuser der Umgebung. Früher wurde alles wiederverwendet, was irgendwie brauchbar war.

Kloster entstand aus einem Wehrdorf

Die Reste von Konradsdorf gehören zu den bedeutendsten Bauten aus romanischer Zeit in Hessen, steht auf der Webseite der Keltenwelt am Glauberg. Sind sie nicht eher unscheinbar?

Susanne Gerschlauer: Besonders ist, dass man die Kirche und die Propstei immer noch als Teile des mittelalterlichen Klostergebäudes erkennen kann. Obwohl sie über Jahrhunderte als Stall, Werkstatt und Scheune genutzt wurden. Das gibt es in der Region sonst nicht.

Diese Fensternischen an der Außenwand der Propstei waren Jahrhunderte lang zugemauert. Erst bei der Restaurierung wurden sie entdeckt und wieder geöffnet. Wer hat hier wohl einst gesessen? Foto: Nissen

Das Kloster Arnsburg ist noch gut erhalten. Auch die Basilika in Ilbenstadt gehörte zu einem Kloster.

Dötsch: Stimmt. Aber die Geschichte von Konradsdorf ist anders. Das Kloster entstand hier nicht auf der grünen Wiese, sondern ging aus einem karolingischen Gutshof hervor. Und es hat noch viele erhaltene Merkmale aus der Romanik. Zum Beispiel die schmalen Fenster mit den Rundbögen. Einige waren zugemauert und wurden erst vor kurzem freigelegt.

Gerschlauer: Konradsdorf ist eine Zeitkapsel, die uns ins Jahr 1200 zurück führt. Die ursprüngliche Bausubstanz ist sehr gut.

Dötsch: Und die Zierelemente wurden sehr hochwertig ausgeführt. Die Erbauer des Klosters gaben sich viel Mühe.

Die Stifter wollten sich einen Platz im Paradies sichern

Warum diese Mühe? Warum überhaupt baute der Grundherr Gerlach von Büdingen 1159 ein Kloster auf seinem Land? Und warum schenkte er es wenige Jahre später dem Mainzer Bischof Konrad? Er verzichtete dabei doch auf ein erhebliches Vermögen.

Gerschlauer: Das war nur bedingt der Fall. Die Herren von Büdingen konnten die Pfründe ja weiter nutzen. Die Klosterschenkung war ein politischer Coup. Die Büdinger waren wichtige Dienstleute des Kaisers. Sie sicherten sich mit der Stiftung auch das Wohlwollen der Kirche, die mit dem Hochadel um Macht und Grundbesitz rivalisierte. Außerdem ging es den Stiftern um ihr Seelenheil. Die Gesellschaft war damals maximal „durchchristianisiert“. Man wollte nach dem Tod schnellstmöglich ins Paradies kommen. Die Existenz von Hölle und Himmel wurde von niemandem in Frage gestellt.

Anja Dötsch zeigt im ehemaligen Kuhstall auf die nördliche Seitenwand der Propstei: Bis in Hüfthöhe ist das Gemäuer noch aus aus romanischer Zeit – also gut tausend Jahre alt. Foto: Nissen

Dötsch: Das Leben war damals viel beschwerlicher als heute. Die Menschen starben früh. Und sie hofften, dass ihre Mühsal im Jenseits belohnt würde. Geld in die eigene Himmelfahrt zu investieren, war hilfreich und logisch.

Womit verdienten die Klosterleute ihren Lebensunterhalt?

Dötsch: Die Klosterbewohnerinnen lebten vor allem von den Erträgen des klösterlichen Landbesitzes. Der landwirtschaftlicher Betrieb stellte die Basis für Lebensmittel und Einnahmen. Aus dem geernteten Getreide verkauften sie zum Beispiel Mehl. Es gab wohl eine eigene Mühle in der Nähe. Der Wald lieferte Bau- und Brennholz. Und aus dem salzhaltigen Wasser der nahe gelegenen Nidderaue gewann man Salz – das weiße Gold.

Gerschlauer: Der nächste Salzlieferant saß in Bad Nauheim. Das war in jener Zeit weit weg.

Chordamen lebten in einer Art Genossenschaft

Wer lebte im Kloster?

Dötsch: Ganz genau wissen wir es nicht. Auf jeden Fall nahm das Kloster gut situierte Frauen auf, die Vermögen, eine Art „Mitgift“ mitbrachten. Und zum Teil eigenes Personal, das die körperlich schweren Arbeiten erledigte. Sie konnten das Kloster auch wieder verlassen – waren also keine Nonnen, die das ewige Gelübde ablegten.

Dieses Blatt-Ornament (Palmette) aus der Klosterkirche bringt zum Bauhistoriker zum Staunen. Es wurde nicht aus Kalkstein gemeißelt, sondern gegossen. Foto: Nissen

Gerschlauer: Die Frauen kamen aus der Region Es waren so genannte „regulierte“ Chordamen, die sich zum Leben nach der Augustinusregel verpflichteten. An anderen Orten gab es auch Stiftsdamen, die größere Freiheiten hatten und sich nicht in den engen Rahmen des Prämonstratenserinnen-Ordens einfügen mussten. Die Chordamen in Konradsdorf hatten sich mit den Ordensregeln auch der einzuhaltenden Klausur verschrieben. Sie lebten und wirtschafteten in einer Art Genossenschaft. Und zwar in weitgehender finanzieller und körperlicher Sicherheit. Das war damals nicht selbstverständlich.

Männer hielten den Kontakt nach außen

Gab es auch Männer im Kloster?

Gerschlauer: Nur ein geweihter Priester durfte die Messe lesen – das war immer ein Mann. Dem Kloster zugehörig war der Propst als Vorsteher und Kontaktmann zur Außenwelt. Die Propstei stand damals am Rand des Klosterareals. Außerdem lebten in der Propstei weitere Geistliche, die den Propst bei Gottesdiensten vertreten konnten.

Dötsch: Die Propstei lag außerhalb der Klausur. Das obere Stockwerk entsprach dem Palas einer Burg. Es war eine repräsentable Wohnung.

Die reich gegliederte Sandstein-Einfassung des Konradsdorfer Kirchenportals hat am Boden eine „Wormser Kralle“ – einen stilisierten Drachenfuß. Foto: Nissen

Wer ernannte die Pröpste?

Gerschlauer: Die Chordamen durften einen geeigneten Geistlichen vorschlagen und wählen. Am Ende segnete der Bischof in Mainz die Personalie ab.

Hatten die Klosterdamen von Konradsdorf Einfluss auf die Handlungen der weltlichen Herrscher?Gerschlauer: Sie waren Adlige und gut vernetzt. Und sie konnten alle schreiben. Über ihre familiären Verbindungen konnten sie Einfluss nehmen, wenn sie es für nötig hielten. Und weil sie einen kurzen Draht zum lieben Gott hatten, besaßen sie auch einen hohen Stellenwert in der damaligen Gesellschaft.

Nach Luther kamen keine reichen Chordamen mehr

Diese Ordnung hielt in Konradsdorf bis 1581 – noch gut 60 Jahre nach dem Beginn der Reformation. Was zerstörte sie am Ende?

Dötsch: Das Kloster fand keine neuen Chordamen mit Kapital. Das Bürgertum erstarkte, der Buchdruck ermöglichte, dass sich Leute auch außerhalb der Klöster bilden konnten. Das Leben in der Stadt wurde attraktiver.

Ungefähr so hätte eine Drohne im Jahre 1300 das Kloster Konradsdorf fotografiert. Nur die Kirche und die Propstei oben Rechts sind erhalten. Die anderen Gebäude wurden nach dem Dreißigjährigen Krieg abgerissen. Foto: Nissen

Was passierte mit dem verwaisten Klosterareal?

Dötsch: Die Kirche wurde für evangelische Gottesdienste genutzt. Irgendwann war damit Schluss. Die Kirche wurde zur Werkstatt eines Stellmachers. Die Propstei diente bis ins 20. Jahrhundert als Stall und Scheune.

Und der Landbesitz des Klosters?

Gerschlauer: Der wurde von den nachfolgenden Grundherren übernommen. Kloster Konradsdorf hatte ehemals mehrere hundert Hektar Grundbesitz.

Dötsch: Heute gehören die landwirtschaftlich genutztenGebäude auf demehemaligen Klosterareal dem Land Hessen und sind verpachtet. Die beiden ehemaligen Klostergebäude werden von der Schlösserverwaltung des Landes betreut.

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