Drakonische Strafen, eiserne Disziplin
von Kathrin Hysky
Japan, ein Land von Hochkultur und Harmonie, eine Gesellschaft von Rücksichtnahme und Freundlichkeit. Nur Eins darf einem hier nicht passieren: Man darf niemals in einem japanischen Gefängnis landen. Hier herrschen drakonische Strafen, eiserne Disziplin, täglicher Psychoterror. Eine ZDF-Dokumentation zeigt den schockierenden Alltag von drei Deutschen im japanischen Knast.
Acht Jahre für Drogenschmuggel
Die Geschichte beginnt mit einem Deutschen, der wegen Drogenschmuggels verurteilt wurde – acht Jahre Gefängnis. Seine Zelle ist vier Tatami (Matten aus Reisstroh) groß, das sind knappe acht Quadratmeter. Er erzählt von den täglichen Ritualen im Gefängnis Fuchu, wie zum Beispiel das Morgenritual. Das Futon, auf dem er schläft, wird am Morgen zusammengerollt, damit entsteht etwas Platz in der Zelle. Dann muss er im Schneidersitz auf dem Boden sitzend mit Blick zur Tür warten bis der Wärter zur Kontrolle kommt. Der Wärter ruft in die Zelle und erwartet eine klare laute Antwort, ein Drill wie beim Militär. Warum er das wohl machen müsse, fragt der Reporter. Seine Antwort lautet, eventuell um zu zeigen, dass man sich unterordnet.
Die Situation erinnert an die strikten Regeln in einem Zen-Kloster oder auch an all die Regeln in den traditionellen japanischen Kampfkünsten. Wir sollen selbst herausfinden, warum es diese Regeln gibt. In Japan hat der Insasse im Knast viel Zeit darüber nachzudenken, denn überhaupt zu sprechen und soziale Kontakte zu Mithäftlingen aufzubauen, ist strengstens untersagt.
Nichts sagen, nichts fragen, gehorchen
Japan hat die Regeln des Strafvollzugs aus Preußen übernommen und seit mehr als hundert Jahren scheinen sie unverändert. Man fragt nicht warum, man macht was vorgeschrieben ist und irgendwann, so lautet die Idee dahinter, wird man schon begreifen warum. Alle Abläufe sind ritualisiert. Auch der Moment, als der Presseoffizier sich aus dem Büro des Anstaltsleiters verabschiedet. Er kehrt dem Vorgesetzen nicht den Rücken zu und führt respektvoll wie die Bahnhofsmitarbeiter am Gleis die Hand zur Mütze. Die gleichen Rituale. Der deutsche Insasse hat seine Situation akzeptiert und erklärt, es nutzt nichts zu leiden, denn Leid entsteht, weil man sich dagegen sträubt, also das Akzeptieren dieses Schicksals ist der Weg.
Rosa Gitter im Frauenknast
Zwei deutsche Frauen im Frauengefängnis in Tochigi werden interviewt. Hier ist alles in der Farbe Rosa gehalten: die Türen, die Gänge, die Handtücher und auch die Badeschlappen. Der Blick, mit dem der Presseoffizier stolz über die rosa Farbe spricht, sogar die Vorhänge in den Zellen sind in rosa gehalten, soll keinen Zweifel hinterlassen, dass man sich wirklich um das Wohl der weiblichen Insassen bemüht! Immerhin gibt es in dem Frauengefängnis ein richtiges Bett und kein Futon auf Tatami. Englisch spricht im Grunde keiner der Gefängnisangestellten. Das bedeutet, dass alle Kommunikation über den Google Übersetzer läuft.
Sehr beeindruckend ist die Szene, in der der Presseoffizier das Piktogramm an den Türen der Zellen erläutert. Dieses Piktogramm legt genauestens fest, wo was in der Zelle zu stehen und zu liegen hat und wie die Zelle in den Schränken und außerhalb der Schränke aufgeräumt sein muss. Wo genau die Trinkflasche zu stehen hat, die Bücher im Regal zu stehen und nicht zu liegen haben. Auch die Badeschlappen unter dem Waschbecken haben einen festen Platz. Da wird mal echte Disziplin geübt! Die Reporterin fragt, warum dies so sein muss. Zur Begründung erklärt der Presseoffizier, dass die Insassin ja irgendeinen Gegenstand in der Hand halten und die Mitarbeiter damit schlagen könnte. Wie naiv sich diese Szene anfühlt!
Die Menschrechts-Anwältin Ayuko Takatô in Tokyo kommt zu Wort und sagt, die Menschenrechte in Japan seien nicht entwickelt. Und dann wieder typisch japanisch – sie entschuldigt sich dafür. Auch internationale Menschenrechtsorganisationen kritisieren das System. Gehorchen, Schweigen und den Ritualen folgen bedeutet die absolute Kontrolle über die Insassen zu haben. Wer sich nicht daran hält kommt in Isolationshaft. Dies ist dem Deutschen geschehen, weil er es gewagt hat, außer der Reihe unerlaubt auf dem Weg zur Arbeit seinen Mithäftling zum Film anzusprechen, den sie am Abend vorher angesehen haben. „Der Film war lustig!“, meinte er nur, worauf die Strafzelle mit Isolationshaft folgte.
Flucht ist kein Thema, denn als Ausländer würde er sofort in dieser homogenen Gesellschaft auffallen. Und wie sollte er außerdem von der Insel flüchten? Also die Hälfte der Strafe absitzen und dann auf Überstellung nach Deutschland hoffen.
Deutsche im Knast: Japan und die Disziplin, ZDF 2024
43 min Video verfügbar in der ZDF-Mediathek bis 09.01.2030
https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/deutsche-im-knast-japan-und-die-disziplin–100.html
Alle Fotos: ZDF, Christian Bock South&Browse GmbH)