Kelten

Der Fürst in London

Von Corinna Willführglauberg2

Während im British Museum in London seit dem Wochenende die Besucher in die Ausstellung „Celts – Art and Identity“ strömen, um eine Replik der Fürstenstatue vom Glauberg zu bewundern, ist eine Gruppe internationaler Wissenschaftler mit der Auswertung ihrer Untersuchungen beschäftigt, die sie nur kurz vor der großen Keltenpräsentation in der englischen Hauptstadt in den Museumsräumen auf dem Hügel im Ostkreis der Wetterau dokumentiert hat.

Internationales Forschungsteam am Glauberg

Erstmals waren Forscher des „Coral Trade Projects“ in der vergangenen Woche mit einem mobilen Labor unterwegs, um vor Ort Funde aus keltischer Zeit zu analysieren. Konkret: acht Objekte aus den Gräbern 1 und 3 vom Glauberg. Ihr Ziel: mittels Raman-Spektroskopie nachzuweisen, dass in den 2500 Jahre alten Schmuckfibeln definitiv Korallen verarbeitet sind – und damit die These zu untermauern, dass die Kelten aus der Wetterau bereits im fünften Jahrhundert vor Christus Handelsbeziehungen in den Mittelmeerraum unterhielten.

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Das Forscherteam im Keltenmusem. (Foto: Willführ)

Das „mobile Labor“, das Sebastian Fürst, Magister Artium und Doktorand am Fachbereich Vor- und Frühgeschichte der Gutenberg-Universität Mainz, Ina Reiche, Leiterin des Rathgen-Instituts Berlin und ihre Kollegen der Université Pierre et Marie Curie (Paris) sowie des Laboratoires d’Archéologie Moléculaire et Strukturale aus Ivry-sur-Seine zur „Keltenwelt am Glauberg“ brachten, passte in vier große Hartschalenkoffer. Ihr Inhalt: zwei höchst sensible Geräte zur Raman-Spektroskopie, meterlange Glasfaserkabel und rund ein Dutzend Laptops. Ihre Untersuchungsgegenstände: Acht Schmuckstücke aus den in den 1990er Jahre entdeckten und freigelegten keltischen Gräbern der Wallanlagen im Osten des Wetteraukreises.

Im Fokus der Wissenschaftlergruppe (unter anderen): eine kelten4Figuralfibel in Form eines geflügelten Pferdekopfs mit Fabeltieren aus dem Grab 1 und eine Prunkfibel mit 109 kleinen Perlen aus Grab 3. Beiden Schmuckstücken gemein ist, dass die Nadeln, mit denen vor 2500 Jahre Gewänder befestigt wurden, aus Bronzen und Eisen sind – und dass sie als weiteres (kunstvoll verarbeitetes) Material Korallen aufweisen.

Korallen kommen ausschließlich im Meer vor, wo die Nesseltiere Gebilde in Form von Kolonien bilden. So auch die wegen ihrer roten Farbe Corallium Rubrum benannte Art. Ihre rötlichen bis roten „Produkte“ waren und sind bis heute ein seltenes und darum begehrtes und teures Gut. Wer die beiden Exponate im Museum der „Keltenwelt am Glauberg“ in Augenschein nimmt, wird die „Perlen“ nicht als Korallen identifizieren können. Denn die Farbe Rot ist im Laufe der Jahrtausende verblasst. Warum, ist auch unter Experten eine noch unbeantwortete Frage.

Dass es sich bei den „Perlen“ der (Schmuck-)Unikate vom Glauberg eindeutig um „Corallium Rubrum“ handelt, nachzuweisen, ist Ziel der Untersuchungen des internationalen Forschungsteams. Nicht allein für das „Aha-Erlebnis“ einer hoch spezialisierten Expertengruppe, sondern um weitere Indizien zu finden, „dass die Kelten vom Glauberg Handel in den Mittelmeerraum unterhielten“, so Sebastian Fürst.

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Sebastian Fürst (Universität Mainz) und Ines Ines Balzer (Keltenwelt am Glauberg).                                                                                                (Foto: Willführ)

Bereits seit 2010 sammelt das „Coral Trade Project“ der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz unter Leitung von Professor Dr. Christopher Pare archäologische Artefakte aus verschiedenen deutschen und europäischen Untersuchungsgebieten vom 5. bis zum 3. Jahrhundert vor Christus. So wichtig der Vergleich mit anderen archäologischen Funden aus der Hallstatt- oder Laténezeit ist: Ein jeder Fund vom Glauberg ist ein Unikat – und muss gerade deshalb in seiner Einzigartigkeit in einer Datenbank erfasst werden – mit allen Ergebnissen, die die mikroskopischen ebenso wie die neuen naturwissenschaftlichen Methoden „zu Tage fördern“. Nicht zuletzt, um die Erkenntnisse über die Kelten vom Glauberg international verfügbar zu machen.

Neue Erkenntnisse mittels Lasertechnologie

Meter von Glasfaserkabel sind über einen großen Tisch ausgebreitet, verbinden die Monitore von Laptops mit eher unscheinbaren Kästen und einer hochsensiblen Konstruktion, die mittels Laser über die unscheinbaren Kästen und die Glasfaserkabel auf die Laptops einzigartige Informationen weitergibt.

Wenn der Augenschein nicht genügt, der Blick unter hochauflösende Mikroskope kein zufriedenstellendes Ergebnis bringt, ist die nach dem indischen Physiker C.V. Raman benannte wissenschaftliche Methode der Raman-Spektroskopie eine Möglichkeit, Näheres, Genaueres und (vielleicht auch) Definitives über den untersuchten Stoff zu erfahren.

Sebastian Fürst: „Bei der Raman-Spektroskopie können wir mittels Lasertechnik die Fundstücke nahezu zerstörungsfrei untersuchen können. Mehr noch: Die Methode ermöglicht uns, einzelne Molekülstrukturen erkennen.“ Ein Beispiel: Ergibt die Raman-Spektroskopie, dass in einem Material Apatit nachgewiesen wird, kann es nicht Koralle sein, sondern eher Knochen oder Elfenbein. Wenn die naturwissenschaftlichen Methoden nach diesem Ausschlussverfahren ergeben, dass die „Perlen“ vom Glauberg Korallen sind; „Dann kann man davon ausgehen, dass sie bereits im fünften Jahrhundert vor Christus für die wesentlich nördlicher lebenden Kelten ein Importgut aus dem Mittelmeerraum waren.“ Ein besonderes zudem. Denn so zwei weitere spezifizierte Thesen, mit denen das internationale Team jetzt am Glauberg gearbeitet hat: Die rote Koralle wurde länger als andere Waren wie beispielsweise Keramiken importiert. Und: Anders als Gold scheinen Korallen als Grabbeigaben nicht nur Fürsten vorbehalten gewesen zu sein, sondern auch „gesellschaftlichen Gruppen, die wir heute unter „middle class“ einordnen würden“, so Sebastian Fürst.

Fabelwesen statt geometrischer Figuren

Während mit wissenschaftlichen Methoden das Material der 2500 Jahre unter der Erde verborgenen Funde vom Glauberg identifiziert werden kann und (vielleicht) auch seine Herkunft: Wer die kunstvollen Gegenstände hergestellt hat, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Museumsdirektorin Dr. Vera Rupp: „Wir haben keine schriftlichen Überlieferungen der Kelten, die uns darüber Auskunft geben. Zudem sind die Fundstücke, so kunstvoll sie auch sind, nicht signiert.“

Eines lässt sich dennoch sagen: Mit dem Beginn der Laténezeit veränderte sich die Symbolik. „An die Stelle von geometrischen, in sich selbst verharrenden Konfigurationen traten dynamisch bewegte Bilder, deren Grundlagen pflanzliche und menschlich tierische Motive in starker Verfremdung waren“, lässt sich im Beitrag von Martin Gugisberg und Thomas Hoppe „Von Zirkeln, Ranken und anderen Dingen“ im Ausstellungskatalog „Die Welt der Kelten – Zentren der Macht – Kostbarkeiten der Kunst“ aus dem Jahr 2012 nachlesen.

Ein Gürtelhaken aus dem Fürstengrab 1 (Grabhügel 1) zeigt im Rahmen eingraviert zwei Rücken an Rücken hockende Fabeltiere und einen Raubtierkopf, der in seinem Maul einen menschlichen Kopf zu halten scheint. Der lange Bart des Mannes scheint dem Haken den eigentlichen Halt zu geben. Vorbilder aus der griechischen Mythologie? „Bei der Interpretation der Symbolik der Ornamente in der keltischen Kunst können wir nur Vermutungen äußern“, so Dr. Ines Balzer.

Eine Laus von besonderer Bedeutung

Die Vermutung allerdings, dass die Kelten vom Glauberg (Handels)Beziehungen in den westlichen Mittelmeerraum unterhielten, haben Forschungen der „Keltenwelt am Glauberg“ bereits auf einem anderen Gebiet vermuten lassen. Die Farbe Rot war für die jüngsten Untersuchungen von Ines Balzer, Christine Peek und Ina Vanden Berghe von besonderem Interesse. Im März 2014 veröffentlichte Ines Balzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsabteilung der Keltenwelt am Glauberg mit ihren beiden Kolleginnen „Neue Untersuchungen an den eisenzeitlichen Texilfunden der ‚Fürstengräber“ am Glauberg“ in der Fachpublikation „Denkmalpflege & Kulturgeschichte“ (3/2014).

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Deuten auf rote Koralle hin: die Peaks auf dem Monitor von Professorin Ina Reiche.                                                                                                          (Foto: Willführ)

„Die Untersuchungen im Auftrag der „Keltenwelt am Glauberg“ am Royal Institut for Cultural Heritage“ in Brüssel ergaben, dass in Textilfragmenten aus dem zweiten Fürstengrab überraschenderweise Kermessäure nachgewiesen werden konnte.“ Kermessäure, erläutert die Archäologin, „ist das Produkt einer Schildlaus, konkret der Kermes vermilio Planchon.“ Sowohl in Asien, Afrika und Europa sei der Gebrauch von Kermessäure als organischem Farbstoff bereits seit prähistorischer Zeit nachweisbar. Allerdings: Kermis vermilio Planchon hat es in ihrer Verbreitung nur bis nach Südfrankreich gebracht. So die bislang ältesten Belege über das Vorkommen der Schildlaus aus einer Höhle im französischen Adouste im Departement Bouche du Rhone. Und nun das Indiz vom Glauberg. Für Ines Balzer ist der an den Textilfragmenten aus Grab 2 erbrachte Nachweis „von Rotfärbung mithilfe von Kermes vermilio Planchon spektakulär.“ Ihre Begründung: „Der rote Farbstoff musste aus dem Mittelmeerraum importiert worden sein.“

Die Ergebnisse der Untersuchungen der Archäologen des „Coral Trade Projects“ im September 2015 auf dem Glauberg werden zunächst in einer wissenschaftlichen Studie veröffentlicht. Ihre „Objekte der Begierde“, die einzigartigen 2500 Jahre alten Schmuckfibeln, sind weiterhin für alle Besucher des Museums der Keltenwelt am Glauberg zu sehen. Ebenso wie das Original der Keltenfürst-Statue.

keltenwelt-glauberg.de

2 Gedanken zu „Kelten“

  1. Hallo Landbote,

    das ist ja ein spannender Report vom Glauberg. Ich erinnere mich noch recht gut an die Fotos, Berichte und Spekulationen nach der spektakulären Ausgrabung am Fuße dieses Basaltsporns.

    Der Landbote überrascht immer wieder – und das ist gut so, sehr gut!

    Grüße von Peter Gwiasda

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