Kampf um den Halbmond

Lüge und Verrat überall

Von Michael Schlag

Sommer 2014, Krieg in Syrien. Der „IS“ erkämpft einen Sieg nach dem anderen und erobert immer größere Gebiete. Im Juni ruft deren Anführer Al-Baghdadi in Mossul das Kalifat des IS im Irak und in Syrien aus – ein totalitärer, krimineller Staat im Namen des Islam. Die öffentlich begangenen Gräueltaten der Dschihadisten lösen Abscheu und Entsetzen in der Welt aus. Gleichzeitig verbreitet die Terrorgruppe ihre Botschaften über die sozialen Netzwerke, ruft auf zu Terroranschlägen auf europäischem Boden – und übt eine kaum zu begreifende Anziehungskraft auf junge Leute im Westen aus. Die Serie auf ARTE „Kampf um den Halbmond“ taucht ein in diese Zeit und diese Welt.

„Kampf um den Halbmond“ wirkt dabei stets realistisch und dokumentarisch, sie lässt den Zuschauer aus der Perspektive der Protagonisten miterleben, was damals in Syrien geschah. Im Sommer 2014, als die kurdische YPG tausende Jesiden aus dem Sindschar-Gebirge vor dem IS rettete.

Siegesfeier des IS mit englischen Söldnern

Söldner auf beiden Seiten

Welche Rolle spielten dabei internationale Söldner auf beiden Seiten, was treibt Männer und Frauen überhaupt dazu, ihre sichere Heimat zu verlassen und freiwillig in einen Krieg zu ziehen? „Kampf um den Halbmond“ handelt von diesen Söldnern – auf Seiten des IS und auf Seiten der kurdischen YPG. Alle sind verstrickt, zu Hause und im Krieg, jeder hat seine Verletzungen, Geheimnisse, offene Rechnungen – Lüge und Verrat ist überall. „Kampf um den Halbmond“ kreist um den IS und den kurdischen Frauen-Kampfverband YPJ, und eigentlich setzt er diesen tapferen, oft todesmutigen Frauen ein Denkmal.

Kurdische Kämpferinnen wehren einen Angriff des IS ab.

Die israelischen Drehbuchautoren Ron Leshem und Amit Cohen – beide von Hause aus Journalisten – nennen „Kampf um den Halbmond“ im Arte-Interview „einen Thriller, der gleichzeitig eine Geschichte über Familie, Liebe und Krieg ist. Außerdem wollten wir eine Widerstandsbewegung von innen zeigen.“

Widerstandsbewegung von innen

Was den Zuschauer immer wieder vor den Kopf stößt sind die Rückblenden mit den zwei Welten, in denen sich dieselben Menschen bewegen. Das Hauptquartier des IS im syrischen Rakka gegenüber dem gepflegten amerikanischen Leben in Texas. Der wohlhabende Intellektuellenhaushalt in Paris versus dem Militärlager der YPG in aussichtsloser Lage. Warum tauschten Menschen freiwillig das Eine gegen das Andere? Die Serie beginnt mit dem französischen Bauingenieur Antoine, der auf der Suche nach seiner Schwester „in eine fremde Welt hineinkatapultiert wird, deren Regeln er nicht kennt.“

Antoine plötzlich in einer Welt, deren Regeln er nicht kennt

Der Zuschauer erfährt die Zusammenhänge erst nach und nach mit Rückblenden, und die sind immer voller Überraschungen. Warum beziehen Menschen Stellung in einem Krieg? Französinnen, die auf Seiten der Kurden kämpfen, drei Freunde aus England, die sich dem IS anschließen. „Kampf um den Halbmond“ zeigt den Alltag der IS-Soldaten, das Leben in den Frauenkampfverbänden der kurdischen Volksverteidigungsmiliz, das zynische Spiel der Geheimdienste. Deutlich wird: Die Kurden verteidigen nicht nur ihr Gebiet, sie verteidigen auch ihre Werte gegen den brutal frauenfeindlichen IS. Die Serie ist nicht nur hoch spannend, sie hinterlässt auch bleibenden Eindruck: Hört man heute in den Nachrichten von der „Kurdenfrage“ und vom Kampf der Kurden um Unabhängigkeit, dann sieht man diese Welt jetzt mit anderen Augen.

Alle Fotos: ARTE France © Sife Elamine

Kampf um den Halbmond, bis 30. März 2026 in der Arte-Mediathek

https://www.arte.tv/de/videos/RC-019886/kampf-um-den-halbmond

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