Die BI trifft sich vor Ort
von Ursula Wöll
Schon zweimal berichtete ich, dass nördlich von Münchholzhausen bis nach Dutenhofen ein neues Gewerbegebiet geplant ist. Eine Bürgerinitiative aus diesen beiden Wetzlarer Stadtteilen wehrt sich seit langem dagegen, bereits im Mai überreichte sie dem Oberbürgermeister die gesammelten Unterschriften. Am Samstag, 29.9.2018 nun trafen sich zahlreiche Einwohner mit Kind und Hund wieder einmal vor Ort (Foto: Christoph Medebach). Ja, die BI existiert noch und immer noch zahlreich! Das Treffen war liebevoll vorbereitet, vielen Dank! Unter einem offenen Zelt sprach und lachte man miteinander, verzehrte selbstgebackenen Kuchen und Würstchen. Die T-Shirts mit dem aufgedruckten Stopp-Logo sorgten für noch mehr Zusammengehörigkeitsgefühl. Das alles mitten in der schönen Natur, wir genossen sie bewusst, weil sie unter Beton verschwinden soll!
Belastung ist schon enorm
Der Verkehr auf der nahen Landstraße störte schon jetzt. Samstags öffnet der Globus im bereits existierenden Dutenhofener Gewerbegebiet bis 22 Uhr. Dahin strebten wohl die vielen Autos, die auch von der AB-Abfahrt Wetzlar-Süd kamen. Kleinflugzeuge kreuzten durch die Luft, der Flugplatz Lützellinden liegt in Sichtweite. Also eine super Anbindung, mit der die Stadt Wetzlar Investoren locken will. Sie plant, 27 Hektar zuzubetonieren !!! Siebenundzwanzig Hektar sind viel, ein Zerstörungswerk großen Ausmaßes also steht an, das die BI unbedingt verhindern muss. Vor allem die Münchholzhausener fürchten auf den großen Transparenten den Verlust ihrer Grünen Lunge, weil sie noch näher dran liegen als die Dutenhofener.
Der Samstag war ein milder, sonniger Tag. Wenn ich über die noch vorhandenen, von Wald gesäumten Äcker und Wiesen sah, die sich unter dem blauen, weiten Himmelszelt ausbreiteten, kamen mir fast die Tränen. Etwas sehr Schönes soll hier ohne Not gewaltsam gekillt werden. Die mitgebrachten Kinder tollten herum. Arme Kinder, falls wir als BI scheitern, werdet ihr in einer ganz anderen, zubetonierten Welt leben. Ohne Bussard und ohne Lerche. Lerchengesang war der Grundton meiner Kindheitssommer, Heuduft war in der Luft, wenn es zum Baden an den mit gelben Seerosen geränderten ‚Brochpuhl‘ ging. Schon heute ist die Lerche auf ein Drittel ihrer früheren Bestände geschrumpft. Auch Rebhuhn und Hase sind sehr rar geworden. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt Rebhühner beim Spaziergang kurz vor mir aufschwirren hörte und sah.
Grüne unterstützen den Naturfrevel
Die BesucherInnen wurden mit kleinen Reden begrüßt, unter anderen von Klaus Schäfer vom NABU. Ahnungslose wollten es kaum glauben. Ja, die GRÜNEN im Stadtparlament und ihr Umweltdezernent Kortlüke unterstützen den geplanten Naturfrevel. Obwohl der völlig überflüssig ist, angesichts der zahlreichen bereits bestehenden hässlichen Gewerbegebiete, mit denen die romantische Goethestadt an ihren Rändern ausfranst. Weiteres Land soll durch die Stadt angekauft werden. Jemand hatte Fotomontagen gemacht, auf denen ein Betonmischer der Grünen Firma eine Wiese grau übergießt. Haben diese Grünen denn keine Angst, ihre WählerInnen zu verlieren, wenn sie dermaßen auf ihrem einstigen Markenzeichen – Erhaltung der Natur – herumtrampeln? Offenbar doch, denn der grüne Umweltdezernent lobt einen Naturschutzpreis von 900 Euro aus. Besonderes Engagement für die Erhaltung der Natur soll belohnt werden. Lieber Herr Kortlüke, Ihr grünes Mäntelchen ist zu klein, um zu verdecken, dass Sie eine Naturfläche von 27 Hektar zerstören wollen.
Lebensgrundlagen schützen
Schon jetzt rächt sie sich für ihre Verschandelung mit einem nicht mehr leugbaren Klimawandel. Der wird aus dem Ruder laufen, wenn alles so weiterläuft. Das Eis der Pole und die Gletscher können nicht zurückgezaubert, das Meer nicht beliebig wieder gekühlt werden. Den Feiertagsreden müssen schleunigst Taten folgen, auch auf der unteren, regionalen Ebene. Denn das Streben nach immer mehr Wachstum und Konsum wird für unsere Nachkommen, ja bereits für uns selbst tödlich werden. Ich fordere von meiner gewählten Vertretung im Wetzlarer Rathaus, dass sie sich weniger kurzsichtig verhält und auch einmal in die Hessische Verfassung guckt. Unter „Staatsziel Umweltschutz“ steht dort:
„Artikel 26a (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen). DIE NATÜRLICHEN LEBENSGRUNDLAGEN DES MENSCHEN STEHEN UNTER DEM SCHUTZ DES STAATES UND DER GEMEINDEN.“
Nachtrag:
Anfang Dezember läuft in Kattovice/Polen die Weltklimakonferenz der UN. Jetzt haben sich über 100 Wissenschaftler in einem Sonderbericht vorab geäußert. Momentan beträgt die Erwärmung bereits 1 Grad, und die Auswirkungen sind schon deutlich. Wenn die Erwärmung bei 1,5 Grad gestoppt werden könnte, würden die Folgen noch beherrschbar sein, z.B. würden die Meere weniger als 10 Zentimeter ansteigen. Dieses 1,5-Ziel sei aber nur mit äußersten und s o f o r t i g e n Anstrengungen erreichbar. Dazu gehören nicht nur die Erhaltung des Hambacher Forsts, sondern auch die Erhaltung von Naturflächen durch den Verzicht auf ein überflüssiges weiteres Gewerbegebiet. Merke: Einen Planet B gibt es nicht.