Campingplatz Gedern

Dauercamper verlassen den Gederner See

Von Klaus Nissen

Die Stadt Gedern im Wetteraukreis verärgert mit einer kräftigen Pachterhöhung ihre Kunden. Die beginnen, sich zu wehren. Parallel dazu muss der Betriebsleiter den Campingplatz Gedern zum 1. Oktober 2018 verlassen.

Unruhe auf dem Campingplatz Gedern

Jugendliche toben in den Sommerferien an den aufblasbaren Wasserspielzeugen. Für das Baden im zwölf Hektar große Gederner See zahlen Kinder drei, Erwachsene vier Euro Eintritt. Foto: Nissen

Auf den ersten Blick ist es wunderschön am Gederner See. Die Liegewiese rechts vom Eingang hat noch etwas Grün, und es bleibt trotz der badenden Kinder und Jugendlichen Platz für Privatsphäre. Das Wasser hat angenehme 22 Grad. Draußen klettern Jugendliche auf dem Badefloß herum. Die Toiletten am Ufer sind sauber und sehen recht neu aus. Ein Stück weiter ist der zeitweise verwaiste Kiosk wieder geöffnet. Und auf der Terrasse des Restaurants  tummeln sich die Gäste. Es riecht am Freitagmittag nach Schnitzeln mit Pommes Frites. Der Wirt bietet auch tolle indische Speisen an, sagt der Dauercamper Reinhard Heisler.

Soweit die Idylle. Reinhard Heisler führt den Reporter zum Waschhaus am Mittelplatz. Da hängen Verkaufsangebote am Schwarzen Brett: Jemand will seinen Nichtraucher-Wohnwagen mit Vorzelt und Überdachung für 900 Euro abgeben. Andere Dauercamper suchen ebenfalls Käufer für ihre Freizeit-Gerätschaften. Daneben hängt eine Unterschriften liste. Dort haben sich Campingplatzbewohner mit ihren Parzellen-Nummern eingetragen, um der Forderung ihres Nachbarn Lorenz Röhm Geltung zu verschaffen: Bürgermeister Guido Kempel und der Erste Stadtrat sollten ihre Pachterhöhung überdenken: „Sie veranlassen ein Erhöhung der Pacht um 22 Prozent und eine Erhöhung der Quadratmeter-Umlage von 85 Prozent. Das ist Wucher und würde in der freien Marktwirtschaft nicht umsetzbar sein.“  Für eine 120-Quadratmeter-Parzelle zum Beispiel sind künftig 1310 statt 979 Euro im Jahr fällig. Um 40 bis 50 Prozent steigt nach Heislers Berechnung die Pacht binnen zweier Jahre, denn schon Anfang 2017 wurde sie erhöht. Eine neue Wassergebühr erhitzte im vergangenen Frühjahr die Gemüter.

Blick auf die Badewiese und den Schwimmbereich des Gederner Sees. Foto: Nissen

Manche ziehen nun die Konsequenz. Von denen, die nicht daran glauben, dass die Stadt Gedern auf die zusätzlichen 120 000 Euro aus der Pachterhöhung verzichtet, haben fünf gekündigt. Etwa 30 Pächter wollen ihre teils seit Jahrzehnten genutzten Parzellen aufgeben, schätzt Reinhard Heisler. Obwohl ihnen die schöne Umgebung ans Herz gewachsen sei und sie teils fünfstellige Summen in ihre Freizeitbehausungen am See investiert haben.

Bis Ende September können die Pächter noch auf die Gebührensteigerung reagieren, sagt Betriebsleiter Klaus Winkler auf Nachfrage. Er selbst hat diese Erhöhung nicht empfohlen. Wer mehr Geld fordere, sollte auch an einen guten Qualitätsstandard denken. Bei den Diskussionen mit der städtischen Betriebskommission wurde die Steigerung der Campingplatz-Auslastung außer Acht gelassen, bedauert Winkler. Unter seiner Regie seien etwa 30 Dauercamper hinzu gekommen, die Auslastung liege nun bei 88 Prozent.

Das große neue Sanitärgebäude liegt nur für einen Teil der Dauercamper in akzeptabler Nähe. Es kostet die Stadt nicht weniger als 1,2 Millionen Euro. Foto: Nissen

Der  60-jährige Betriebsleiter kann so frei sprechen, weil er selbst nur noch bis Ende September auf dem Posten ist. Der Magistrat hat seinen Zweijahresvertrag nicht verlängert. Er hätte unter den aktuellen Umständen auch nicht weitergemacht, sagt Klaus Winkler. Ihm macht es sichtlich zu schaffen, dass manche Camper ihn wegen der hohen Kosten (rund 1,2 Millionen Euro) für das neue Sanitärhaus an der Nachtweide kritisieren.  Doch das habe er nicht veranlasst. Und wenn die Stadt fünf Jahre früher mit dem Bau angefangen hätte – dann wären die Kosten wohl deutlich niedriger ausgefallen. Für die vielen Dauercamper, die wie Reinhard und Hanna Heisler am Mittelplatz wohnen, hat das neue Gebäude keinen Nutzwert. Denn es liegt gut einen Kilometer von ihren Parzellen entfernt.

Mit Klaus Winkler drohen nicht nur einige der gut 400 Dauercamper, sondern auch manche Zukunftsvisionen für den Campingplatz zu verschwinden. Winkler wollte auf dem jetzigen Parkplatz eine 2500 Quadratmeter große „Adventure“-Minigolfanlage installieren. Die würde viele neue Familien an den Gederner See ziehen, glaubt Winkler. Die Baukosten beziffert er auf rund 300 000 Euro – von denen aber 70 Prozent durch das Leader-Förderprogramm der Europäischen Union übernommen würden. Das Projekt steht jetzt im Investitionsprogramm des städtischen Camping-Eigenbetriebs. Doch es ist mit einem Sperrvermerk versehen. Und wird das womöglich auch bleiben, wenn der schon per Stellenanzeige gesuchte Nachfolger des Betriebsleiters andere Prioritäten setzt.

Platz für 28 Mobil-Homes

Das könnte auch mit Winklers Idee passieren, mehr Komfort für Camper zu schaffen und nahe der Anglerwiese am See Plätze für 28 Mobil-Homes auszuweisen. Die amerikanisch wirkenden hölzernen Riesen-Wohnwagen seien sehr beliebt. Er habe schon acht Anfragen von Leuten, so Winkler, die diese bis zu 100 000 Euro teuren Mobil-Häuser kaufen und für eine Monatspacht von etwa 250 Euro am See aufstellen würden.

„Wood Lodge“ heißen diese für einige Nächte mietbaren Mobilhomes am Gederner See. Sie sind laut Betriebsleiter Winkler jetzt meistens ausgebucht. Er plante eine Mobilhome-Kolonie am anderen Seeufer. Foto: Nissen

Von Bürgermeister Guido Kempel ist in Sachen Campingplatz nicht viel zu hören. Der Betrieb habe erhebliche Defizite angehäuft, sagte er auf Nachfrage. Sie lagen laut Winkler zuletzt um die 300 000 Euro Jahr. „Wir können sie uns auf Dauer nicht leisten“, so Kempel. Es brauche aber Jahre, bis keine roten Zahlen mehr geschrieben werden. Die Dauercamper sind derweil sauer, dass ein Gederner in der jüngsten Parlamentssitzung behauptet habe, die Bevölkerung müsse für den Urlaub fremder Leute zahlen.  Das sei eine  Frechheit, so Lorenz Röhm. Denn „die Camper haben eine große Kaufkraft“, sagt Hanna Heisler. Ohne sie hätten die Supermärkte und Fachgeschäfte Gederns deutlich weniger Umsatz.

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