Hier und da gibt es Ladestrom kostenlos
Von Klaus Nissen
Ganz, ganz langsam wächst die Zahl der Elektro-Autos im Wetteraukreis. Obwohl jeder Käufer 6000 Euro vom Staat hinzu bekommt. Genau 1668 Personenwagen mit Elektromotor waren am 21. Juni 2021 im Wetteraukreis angemeldet. Das sind 413 mehr als zu Jahresbeginn. Über das ganze Jahr fahren geschätzt also tausend zusätzliche Elektroautos auf den Wetterauer Straßen. Das ist immer noch eine winzige Minderheit im Vergleich zu den gut 175 000 Personenwagen mit Verbrennungsmotor. Und eine schlechte Nachricht für den Klimaschutz.Viele Ladesäulen – und komplexe Regeln
An fehlenden Auftank-Möglichkeiten kann der zögerliche Start in ein nachhaltiges Verkehrsgeschehen nicht liegen. Der Wetteraukreis ist mit Ladesäulen reichlich bestückt – das ergibt die Recherche bei Online-Portalen. Die in Hofgeismar ansässige Webseite www.goingelectric.de zeigt zum Beispiel Landkarten mit Standorten, aktueller Belegung, Ladekapazität und Zustand der nächsten Stromtankstelle.
Auffindbar sind da sogar ein paar kostenlose Lademöglichkeiten. Zum Beispiel am BMW-Autohaus Bilia in Friedberg und an der Raun in Nidda. Wer nichts für seinen Autostrom zahlen will, muss allerdings Hindernisse in Kauf nehmen. Das von Nutzern beschriebene Lade-Tagebuch auf diesem Online-Portal vermerkt für die Station Nidda: „Laden ist hier praktisch nur an einer Ladestelle möglich, wenn nicht gerade ein Fahrzeug des Autohauses auf dem zugänglichen Parkplatz steht. Die zweite Ladestelle ist quasi nicht erreichbar, da die Parkmöglichkeit aufgrund von verriegelten Pollern nicht befahrbar ist. Laden ist hier nur mit einem überlangen Kabel möglich.“
Der Strom ist kostenlos – wenn man shoppen geht
An der Alten Bahnhofstraße in Friedberg betreiben die Stadtwerke eine gebührenfreie Ladestation. Wer sich da anschließt, muss nur das Parkticket bezahlen und in den Geschäften der Innenstadt für mindestens zehn Euro einkaufen. Allerdings: „Die Säule hat einen Wackelkontakt“, heißt es in einem Nutzerkommentar vom 15. Juni 2021.
Kostenlosen Autostrom bieten auch ein Bioladen in Bad Nauheim und die Aldi-Filiale in Wölfersheim-Berstadt – letztere sogar mit der 100-Kilowatt-Schnelllade-Funktion. Üblich sind eher Ladestationen mit einer Leistung von 22 Kilowatt. Manche haben auch noch Anschlüsse für Schukostecker mit der mageren Ladekapazität von 3,7 Kilowatt im Angebot. Die Steckverbindung zwischen Auto und Ladesäule ist immer noch nicht einheitlich – inzwischen hat sich allerdings der „Typ 2“ an den meisten Stationen durchgesetzt.
OVAG ist Ladesäulen-Marktführer in der Wetterau
Der regionale Stromversorger OVAG baute schon vor zehn Jahren die ersten Ladesäulen auf, meistens neben den Rat- und Bürgerhäusern in der Wetterau und den Kreisen Gießen und Vogelsberg. Mit 242 Ladepunkten an 68 Stromtankstellen ist die OVAG noch immer Marktführer. Allerdings kommen jetzt kaum neue Anlagen hinzu – und manche wird nicht einmal jeden Tag benutzt, räumt Dr. Karen Heppe von der Elektromobilitäts-Abteilung der OVAG auf Nachfrage ein: „Da ist noch Luft nach oben.“ Wenngleich es ja sinnvoll sei, dass die Menschen ihre E-Autos gleich daheim betanken. Die Beschaffung und Installation der dazu nötigen „Wallboxen“ übernimmt die OVAG auf Anfrage gerne. Diese Anlagen werden mit 900 Euro vom Staat subventioniert.
Neben der OVAG betreiben auch Stromfirmen wie die Mainova oder Eon-Drive und Mineralölfirmen wie die Total Stromtankstellen in der Wetterau. In Büdingen können sich Autofahrer die Energie zum Beispiel an der Willi-Zinnkann-Halle und auf dem Altstadtparkplatz holen. Weitere Anlagen verzeichnet goingelectric.de in Hirzenhain, Altenstadt, Ranstadt, Gedern. Leider nutzen oft die Fahrer von herkömmlichen Autos die Ladepunkte als kostenlose Stellplätze, bedauert Karen Heppe. Und es gebe Elektro-Mobilisten, die sich nur ganz kurz anschließen und ihr Auto dann lange stehen lassen. Betreiber wie die EnBW kassieren deshalb sogar bis zu zwölf Euro „Blockiergebühr“ von solchen Autofahrern.
Für eine Säule gelten unterschiedliche Preise
Die Strompreise liegen zwischen etwa 30 Cent und einem Euro pro Kilowattstunde. Sie können nicht bei einem Tankwart bezahlt werden. Wer Strom tankt, zahlt mit diversen Tankkarten konkurrierender Anbieter. Das Onlineportal und die Ladesäule selber verrät in der Regel, welche Karten gerade akzeptiert werden. Die OVAG vertreibt ihren Autostrom über eine eigene Smartphone-App. Wer sich da einloggt, kann den Preis für die getankte Energie einmal im Monat per Lastschrift abbuchen lassen. So kommt es vor, dass an einer Säule unterschiedliche Strompreise gelten – je nach verwendeter Tankkarte.
Immer gilt: Die EC-Karte ist an den Stromtankstellen nutzlos. Karen Heppe von der OVAG findet die Tankkarten- und Tarifvielfalt an den Ladesäulen mehr nützlich als verwirrend. Ihr Argument: Wer die Angebote studiere, könne immer den niedrigsten Preis herausfinden.