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Viel Druck in Offenbach

Von Klaus Nissen

Zugegeben: Die Mainzer waren früher dran. Anno 1452 druckte Johannes Gutenberg die erste Bibel. Bald gab es auch im nahen Frankfurt Druckereien. In Offenbach, wenige Kilometer östlich, druckte Conrad Neben erst 1609 den ersten Wälzer in lateinischer Sprache. Später wurde Offenbach Main extrem wichtig für die Kunst des Druckens. Der Offenbacher Johann Anton André und der Lithografie-Erfinder Alois Senefelder retteten hier mit dem SteindruckMozarts Opern vor dem Vergessen. In einer dreiteiligen Serie berichtet der Neue Landbote über die Kunstdruck-Werkstatt, über historische Druckmaschinen im Haus der Stadtgeschichte. Und über die Offenbacher Schriftguss- und Druckmaschinentradition.

Neue Werkstatt – Jeder darf hier drucken

„Wir können ihn ja einfach mal abziehen“, sagt Dominik Gußmann. Wir stehen in der Druckwerkstatt an der Herrnstraße 61 in Offenbach. Der 35-Jährige mit der Dreißigerjahre-Schiebermütze legt den Bleisatz des „Hessischen Landboten“ auf den Tisch der 70 Jahre alten FAG-Andruckpresse.




Werkstattleiter Dominik Gußmann färbt die Walze für einen Abzug des 1834 von Georg Büchner verfassten „Hessischen Landboten“ ein. Foto: Klaus Nissen

Mit Magnetklötzen fixiert Gußmann die „Erste Botschaft“ des aufrührerischen Medizinstudenten Georg Büchner. Erstmals gedruckt im Juli 1834 von Carl Preller in Offenbach. „Friede den Hütten! Krieg den Pallästen!“ steht da in spiegelverkehrter Fraktur. 6,3 Millionen Gulden presse der Staat alljährlich den Leuten ab. „An 700 000 Menschen schwitzen, stöhnen und hungern dafür.“

Nun darf ich das Pamphlet drucken, für das Georg Büchner nach Straßburg fliehen musste und sein Mentor Friedrich Ludwig Weidig bis zum Tode im Kerker büßte. Mit der Spachtel streicht Dominik Gußmann das Schwarz auf die Walze. Dann bringt sie der einzige Elektromotor der ganzen Werkstatt über eine Fahrradkette in Drehung. Ich drehe an der Kurbel – sanft fährt das Walzwerk über den Satz und liefert eine saubere Seite ab.

Und so sieht dann die gedruckte Boschaft aus: „Friede den Hütten, Krieg den Pallästen…!“

Fünf Meter neben uns werkelt Angela Ehrlich an der Steindruckpresse. Die schwere Maschine wurde um 1860 von Max Krause in Leipzig gebaut. Auf dem Tisch liegt eine dicke Solnhofener Kalksteinplatte. Angela Ehrlich wässert sie, um den Druck des darauf gezeichneten Raben vorzubereiten. Die Frankfurterin hat ihn mit fetthaltiger Tusche von einem Foto übertragen. Ein zweiter und ein dritter Durchlauf stehen noch bevor, um den blauen Himmel und die grünen Bäume auf die Lithografie zu bringen.

Seit dem Ende der Corona-Pandemie ist die 2020 eingerichtete Druckwerkstatt jeden Montag und Dienstag im Bernardbau der ehemaligen Schnupftabakfabrik geöffnet. Der helle Saal mit den großen Fenstern hat neben dem halben Dutzend alter Druckpressen eine Buchbinderzeile, eine Setzerzeile mit Stapelschneider, ein Regal voller Drucksteine. Daneben das Ätzbecken und ein Schleifbecken, in dem man gebrauchte Drucksteine mit Karborund abschrubbt und für neue Einsätze präpariert.

Jeder kann hier drucken, Satz und Radierung lernen

Eine Druckwerkstatt wie diese gibt es wohl nirgendwo sonst, vermutet Dominik Gußmann. Sie ist Teil des Hauses für Stadtgeschichte und des gegenüber liegenden Klingspor-Museums. Wer sich hier ausprobieren will, zahlt 133 Euro für einen der zweitägigen Einführungskurse.


Angela Ehrlich macht Abzüge einer Lithografie mit der 165 Jahre alten Krause-Handhebelpresse. Foto: Klaus Nissen

Buchbinden, Bleisatz, Linolschnitt, Radierung und Lithografie werden unterrichtet. Anschließend kann man Werkstattzeit für eigene Projekte buchen. Die kostet einen Euro pro Stunde. „Junge, alte – es kommen die verschiedensten Leute“, sagt der Leiter. „Inzwischen haben uns auch die Studenten der Hochschule für Gestaltung entdeckt. Nach ihrem Abschluss können sie ja nicht mehr in die Uni-Werkstätten hinein.“

Wer sich das alles ansehen will, kontaktiert Dominik Gußmann per Mail unter Druckwerkstatt@offenbach.de, telefonisch über 069 / 80653457.

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