Tarifkrieg
Von Dietrich Jörn Weder
So etwas hat es in Tarifauseinandersetzungen mit deutschen Gewerkschaften lange nicht gegeben. Die Lokführergewerkschaft erklärt dem Arbeitgeber Bahn eine Art Tarifkrieg, weil dieser vor ihren Forderungen nicht in die Knie geht. In der Wahl des Ziels und der Mittel lässt der Gewerkschaftsführer Claus Weselsky jedes Maß vermissen.Kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr!
Ab Donnerstagmorgen will er zum fünften Mal im gegenwärtigen Kräfteringen mit der Bahn den Schienen-Personenverkehr durch einen Ausstand seiner Mitglieder lahmlegen. Falls dieser nicht zum gewünschten Ergebnis führt, sollen blitzartig Ausstände folgen, die er Wellenstreiks nennt. Das sollen Streiks ohne Vorankündigung sein, die der Bahn keine Zeit lassen, Notfall-Fahrpläne zu organisieren.
Dann sei die Bahn „kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr“, kündigt der GdL-Chef schon im Voraus triumphierend an. Das ist sie durch niemand anders als ihn selber schon eine Weile nicht mehr. Er legt es ganz bewusst darauf an, dass die Reisenden doppelt leiden, einmal durch die tatsächlichen Zugausfälle und zum anderen Mal durch die Ungewissheit, wann mit diesen zu rechnen ist
Unverhältnismäßiges Vorgehen!
Die Bundesregierung als bevollmächtigte Eigentümerin der Bahn tut einstweilen so, als sei sie wie wir alle nur ein ohnmächtiger Zuschauer des Geschehens. Hasenfüßig wagt sie bislang nicht einmal ein kräftiges Wort, geschweige denn, dass sie sich zu einer Tat gegen das publikumsfeindliche Theater aufschwingt.
In früheren Jahren der Republik galt ein Streik als „ultima ratio“, als äußerstes Mittel, bei dem im Übrigen eine Verhältnismäßigkeit zu wahren war. Rechtsetzung und Rechtsprechung haben dieses Prinzip der Rücksichtnahme – wie Arbeitsrechtler sagen – Zug um Zug aufgeweicht. Die Arbeitsgerichte fühlen sich deshalb nur noch selten ermächtigt, einen Streik zu verbieten.
Schlichtung vorschreiben!
Als die Eisenbahner alle noch Beamte waren, gab es keine Streiks. Dass diese für so viele Menschen unentbehrliche Einrichtung der öffentlichen Daseinsvorsorge überhaupt bestreikt werden darf, ist ein politischer Systemfehler. Ausständen bei der Bahn sollte zuallermindest der Riegel einer verpflichtenden Schlichtung vorgeschoben werden.
Warum aber sperrt sich Claus Weselsky wie der Teufel vor dem Weihwasser gegen eine Schlichtung? Darum, weil bei einer Schlichtung immer beide Seiten Federn lassen müssen! Eine gewisse Verkürzung der Wochenarbeitszeit für Lokführer mag ein berechtigtes Anliegen sein. Das sollte man schiedlich zu klären versuchen. Oder will die GdL mit dem schweren Paket ihrer Gesamtforderung ungeschmälert ins Ziel rollen.
Dr. rer. pol. Dietrich Jörn Weder war Jahrzehnte lang leitender Umweltredakteur und Fernsehkommentator des Hessischen Rundfunks. Seit seiner Pensionierung arbeitet er als freier Autor für Print- und Audiomedien. Er betreibt den Blog Wachposten Frankfurt, auf dem er Kommentare zu aktuellen Themen veröffentlicht. Wachposten
Titelbild: Kein Zug wird kommen. Archivbild vom Bahnstreik. (Foto: Rieb)