Christian Tewordt

Musikalischer Geschichtsunterricht

Von Elfriede Maresch

Der Profimusiker Christian Tewordt mit dem Künstlernamen Quest macht Geschichte erlebbar. Im Vogelsbergstädtchen Schotten erzählt er von 5100 hessischen Söldnern im 18. Jahrhundert in Schottland. Und mit Johanna Wildhack bietet er als Duo „Rebel´s Menuet“ musikalisch-kulturhistorische Programme an.

Erlebnisbetonte Geschichtsbegegnung

Quest Christian Tewordt

Tewordt ist überzeugter Anhänger von erlebnisbetonter Geschichtsbegegnung. Er nennt Formen von Experimenteller Archäologie bis hin zu Historical Edutainment (Verbindung geschichtlicher Information mit Unterhaltung). Mit kritischen Stimmen („Disneyland statt wissenschaftlich fundierter Darstellung“) setzt er sich durchaus auseinander und gibt zu, dass es einen schillernden Randbereich etwa in der allzu großen Flut „historischer“ Frauenromane oder fragwürdiger Mittelaltermärkte gibt. Er wünscht sich mehr historisches Interesse bei der jungen wie der älteren Generation. Tewordt: „Politische, wirtschaftliche, kulturelle Strukturen von heute sind besser zu verstehen, wenn man ihre Entwicklung kennt. Geschichte ist nicht nur eine öde Aneinanderreihung von Jahreszahlen, sondern eine Begegnung mit Menschen früherer Zeit, die im besten Fall den Heutigen Lebenserfahrung und Empathie vermitteln kann.“

Er theoretisiert nicht nur auf diesem Gebiet, sondern er praktiziert und vermittelt das Erleben von Geschichte. Kulturell gesehen hat der Mann eindeutig eine „doppelte Staatsbürgerschaft“. In Christian Tewordts Bücherregal stehen reihenweise Bücher zur Historie Schottlands. Unter dem Titel „Hessen & Highlander 1746“ hat er ein Buch veröffentlicht, das historische Fakten mit den literarischen Mitteln des Schelmenromans verbindet: „Der Anführer der 5.100 Hessen, Prinz Friedrich von Hessen-Kassel verweigerte den Kampf am Killiecrankie-Pass mit dem Argument `Ich lasse meine Leute nicht verheizen und auch nicht zu Kriegsverbrechen an Zivilisten missbrauchen´. Solche Kommandeure sind in der Militärgeschichte selten!“ Er gab zur selben Geschichtsepisode Erzählkonzerte. Überwiegend aus dem schottisch-irischen Raum stammen die Instrumente des Profimusikers, aus der Sackpfeifen-Familie Highland Pipes, Reel Pipes, Scottish Smallpipes, Pastoral Pipes, Uilleann Pipes, andererseits die Holzquerflöte und die Tin Whistle.

Rebel’s Menuet

Rebel’s Menuet

Quest ist Tewordts Künstlername. Wenn er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Johanna Wildhack (Barockvioline und Bratsche) als Duo „Rebel´s Menuet“ auftritt, fühlt man sich in den nebligen Norden der britischen Inseln versetzt. Die Melodien wurden zwar teils schon im 18. Jahrhundert notiert, aber bis heute nach Gehör weitergegeben. Sie tragen in die Lebenswelt von damals.

So nennt Tewordt etliche traditionelle gälische Melodien, die zu Tapferkeit im Kampf auffordern. Heraufbeschworen werden die Erwartungen der Vorfahren, dass sich auch die Clankrieger späterer Generationen als mutig und standhaft erweisen. Die weit verbreitete Meinung, schottische Dudelsackmusik sei reines Kriegsgetön, womöglich sogar „Fake-Folklore“, laute Marschmusik der Kilt-tragenden britischen Soldaten, ist völlig falsch. Tewordt: „Für Sackpfeifen gibt es tänzerische, ja, lyrische Stücke. Verzierungen, anmutig-bewegte Rhythmen zeigen deutliche Einflüsse von Renaissance- und Barockmusik.“

Der genaue quellenkritische Blick hängt mit Tewordts beruflicher Biografie zusammen. Der 1965 Geborene studierte in Marburg und Bristol Vor- und Frühgeschichte, Keltologie und Ethnologie, verband dies mit seinem zweiten leidenschaftlichen Interesse, der Musik. Mit 13 Jahren begann er Tin Whistle zu spielen, hörte schottische, irische, französische Dudelsackmusik, fühlte sich immer mehr zu Folk Musik hingezogen. Verstärkt wurde dies durch einen Aufenthalt am Ulster Folk Museum in Belfast. Tewordt: „Ein Studienabschnitt in praktizierter Ethnologie!“ So wurde er unter dem Künstlernamen „Quest“ hauptberuflich Virtuose der Sackpfeifen-Familie, war Solist und Mitglied verschiedener Bands und wurde von der Lowland and Border Pipers Society (Edinburgh) ausgezeichnet. Er war Mitglied bei „Ars Replica – Lebendige Archäologie“, ist Piper und „Seannachaidh“ (Geschichten- und Geschichte-Kundiger) in der internationalen Living-History Gruppe „Jacobite History“, war von 1996 bis 2012 viel gefragt als Mitglied des Trios „Scapa Flow“. In seinem Repertoire, bzw. dem seiner Ensembles, etwa dem Trio „QuestWind“, finden sich historische und traditionelle Musikstücke, deren genaues Alter meist gar nicht mehr feststellbar ist.

Authentisches Outfit

Auch wenn Tewordt derzeit aus gesundheitlichen Gründen nur einen Teil seines Instrumentenbestandes nutzen kann, ist er ein gefragter Künstler, begeisterte im September 2019 zusammen mit Wildhack das Publikum im Schottener Vulkaneum mit einem ebenso informativen wie ironischen Erzählkonzert. Bei ihren Auftritten als Rebel’s Menuet tragen Quest und Wildhack authentische historische Kleidung, etwa das Outfit schottischer Highlander, die als Anhänger der Stuarts 1746 am Pass von Killiecrankie gegen Soldaten aus Hessen-Kassel kämpfen wollten.

In Tewordts Auftritten werden mehrere Epochen lebendig. Im keltischen Oppidum Dünsberg gab er vor Jahren ein Vortrags-Konzert mit einem Musikerkollegen, bei dem neben Live-Musik auch Aufnahmen der keltischen Kriegstrompete Carnyx erklangen. 2022 war Tewordt darstellerisch aktiv bei der Szenenfolge „Ein Tag am Hof von Hessen-Kassel 1775“, die im Lauterbacher Hohausmuseum geboten wurde.

Das Duo „Rebel´s Menuet“ bietet Konzerte mit und ohne Geschichten aus der Geschichte, auf Bühnen, in Museen, Schlössern und Gärten, in Wohnzimmern und bei Stadtführungen. Und obwohl Tewordt sicher noch einige Monate gesundheitsbedingt auf seinen Hauptinstrumenten „Highland-Bagpipe“ und Querflöte pausieren muss, kann er einige seiner Programme aufführen, nämlich mit Musikbeispielen auf ausgewählten Sackpfeifen, die nicht mit dem Mund, sondern durch einen Blasebalg mit Luft versorgt werden. Das Repertoire umfasst schottisch-irische oder barocke mitteleuropäische Musik, auch Geschichten über die schottisch-irischen Gründer Schottens im achten Jahrhundert oder über die hessischen Soldaten in Schottland im achtzehnten Jahrhundert. Kontakt, Information und Bestellungen sind möglich unter contact@questpiper.de oder 0179-1017051.

Infos zu den Stadtführungen in Schotten per E-Mail an info@tourist-schotten.de

Titelbild: Klangwerkstatt der Sackpfeifen: Christian Tewordt betont ihre Vielseitigkeit von kämpferisch bis lyrisch. (Foto: Elfriede Maresch)

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