Warum Bauern natürlich wirtschaften
Warum sie auf den Bio-Anbau umgestiegen sind, schildern acht Bauern im Film „Aus Liebe zum Überleben“. Auf Initiative der nawi- Nachhaltigkeits-WIRKstatt Wölfersheim, des Ernährungsrates Frankfurt/Bionales e.V., des Nachhaltigkeitsnetzwerkes Wetterau im Wandel und der Ökomodell-Region Wetteraukreis wurde der Film online gezeigt. An die Vorführung schloss sich eine Diskussion zur aktuellen politischen Entwicklung und deren Bedeutung für die hiesige Landwirtschaft an. Gäste waren der Wetterauer Kreislandwirt Michael Schneller und Tim Treis, Sprecher der Vereinigung Ökologischer Landbau Hessen.„Starke Persönlichkeiten, sehr bewegend“, war eine eine spontane Reaktion aus dem Kreis der 250 Teilnehmer auf den Film, berichtet das Nachhaltigkeitsnetzwerk Wetterau im Wandel. In dem 2019 produzierten Film berichten die acht Bio-Landwirte über ihre Erfahrungen bei der Umstellung auf den ökologischen Landbau und ihre persönlichen Motive für diesen Schritt. Der Film zeigt den Alltag moderner Biobetriebe. Die Landwirte schildern, was sie zur Abkehr von der konventionellen Landwirtschaft bewogen hat und wie es ihnen gelingt, ohne Kunstdünger und chemische Pflanzenschutzmittel zu wirtschaften. Allen gemeinsam war die Erkenntnis, dass eine Landwirtschaft, die darauf setzt, mit immer höherem Einsatz immer mehr zu produzieren, in eine Sackgasse führt.
Verantwortung für den Boden
So berichtet Biobauer Franz-Josef Kögel aus dem Allgäu, dass es vor der Umstellung seines Milchviehbetriebs immer wieder Probleme mit Krankheiten gegeben habe. Er habe damals versucht, die Tiere an ein Produktionssystem anzupassen, statt die Natur zu beobachten. Seit der Öko-Umstellung hat er gesunde Tiere. Ähnliches berichtet auch das Landwirtepaar Sepp und Irene Braun aus Freising. In der Vergangenheit hatten sie versucht, mit chemischem Pflanzenschutz und Mineraldünger maximale Erträge zu erzielen. Seit sie ihre Anbauweise verändert haben, hat sich die natürliche Bodenfruchtbarkeit und das Potenzial ihrer Äcker enorm gesteigert. Verantwortung für den Boden und die nächste Generation zu übernehmen, ist dem Ehepaar wichtig in ihrer täglichen Arbeit.
In der anschließenden Online-Diskussion zeigten sich Michael Schneller und Tim Treis beeindruckt von den gezeigten Beispielen, berichtet das Wetterauer Nachhaltigkeitsnetzwerk. „Das sei eine Art Landwirtschaft zu betreiben, jede Landwirtin und jeder Landwirt müsse aber selbst entscheiden können, wie sie oder er seinen Betrieb führen wolle“, zitiert es Kreislandwirt Michael Schneller. Er habe davor gewarnt, die Produktivität der deutschen Landwirtschaft durch zu große Umwelt-Auflagen zu senken. Gerade vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine müsse die Ernährungssicherung im Vordergrund stehen und dürfe nicht einem überzogenen Artenschutz geopfert werden. „Die von der EU beschlossene Zwangsstilllegung von vier Prozent der Ackerflächen sei nicht zu verantworten, wenn weltweit ein Mangel an Getreide absehbar sei“, so Schneller.
Alte Produktionsmuster schaffen Probleme
Der Sprecher der Vereinigung Ökologischer Landbau Hessen Tim Treis war laut Nachhaltigkeitsnetzwerk gegensätzlicher Meinung. Er habe sich deutlich gegen ein reflexhaftes Zurückfallen in alte Produktionsmuster ausgesprochen, von denen längst bekannt sei, zu welchen gravierenden ökologischen Problemen sie führten. Die eigentlich überwundene Polarisierung zwischen konventionellem und Öko-Landbau müsse nicht neu aufgemacht werden. In den aktuellen Debatten würden viele Aspekte ausgeklammert. So würden die Folgekosten der konventionellen Landwirtschaft wie die Stickstoffbelastung des Grundwassers nicht eingepreist. „Der hohe Anteil an Futtergetreide, der enorme Energieverbrauch bei der Mineraldüngerproduktion und die massive Lebensmittelverschwendung werden bei der aktuellen Diskussion ausgeklammert“, führte Treis laut Nachhaltigkeisnetzwerk weiter aus. „Allein die jährlich in der EU überproduzierten Backwaren entsprechen 50 Prozent des exportierten Getreideanteils aus der Ukraine. Anstatt humanitäre Katastrophen als Schreckensszenario zu instrumentalisieren, müssen wir die Situation nutzen, um ökologische Ernährungssysteme zu entwickeln, die gleichzeitig nachhaltig die Ernährungssicherheit gewährleisten“, habe Treis gesagt.
Kreislandwirt Scheller habe für eine wissenschaftsbasierte Weiterentwicklung der Landwirtschaft plädiert. „Durch immer neue Auflagen und Verordnungen fehlt uns Landwirten Planungssicherheit. Gerade im Bereich Tierwohl sind Investitionen auf 20 Jahre und mehr ausgelegt. Deshalb geht die Tierhaltung in der Wetterau weiter zurück. Der Fleischkonsum werde ebenfalls zurückgehen und Fleisch werde teurer“, sei seine Prognose gewesen. Was seiner Meinung nach auch gut sei, denn es sei heute definitiv zu billig.
Organisatorin Monika Brenninger habe sich sich für eine möglichst schnelle Umstellung auf eine naturnahe Landwirtschaft ausgesprochen. Bei rapide ansteigenden Preisen für Mineraldünger könne eine Umstellung auch wirtschaftliche Vorteile für den einzelnen Landwirt haben. Statt von Erdölexporten abhängigen Stickstoffdünger für viel Geld einzukaufen, sei es unterm Strich auf Dauer vorteilhafter, auf eine „natürliche“ Stickstoffanreicherung und Humusbildung zu setzen. „Ein gesunder fruchtbarer Boden sei der Schlüssel zu vielen Problemen. Dieser könne nachhaltig viel mehr Kohlendioxid, Wasser sowie Nährstoffe speichern, sorge für sauberes Trinkwasser, trage zum Artenschutz bei und ist unabhängig von Exporten. Landwirtschaft und Gesellschaft müssten an einem Strang ziehen. Eine sehr gute Unterstützung sei hierfür die Interessengemeinschaft gesunder Boden e.V. ig-gesunder-boden.de
Titelbild: Live-Bild vor der Filmveranstaltung mit Veranstaltern und Diskussionsteilnehmern