Lebensraum für Kleintiere
Von Corinna Willführ
Ortwin Bratge, Ingenieur im Ruhestand, hat im heimischen Garten eine Benjeshecke, etwa zwei Meter hoch und ebenso breit. In seiner Funktion als Bufi, also in seinem Bundesfreiwilligenjahr, hat der 62-Jährige maßgeblich Idee und Bau einer Benjeshecke am Nabu Informations- und Mitmachzentrum in Ortenberg-Selters (Wetteraukreis) vorangetrieben. Sie ist 20 Meter lang, bietet Schutz vor der Futterlust der benachbarten Ziegenherde und ist „Demonstrationsobjekt“, wie natürlicher Lebensraum für Kleintiere ebenso wie für Vögel auch im Garten gestaltet werden kann.Das Info- und Mitmachzentrum des Nabu Ortenberg „An den Salzwiesen“ in Selters ist um eine Sehenswürdigkeit reicher: In den vergangenen Wochen (und Monaten) entstand auf dem Gelände in ungezählten Arbeitsstunden eine Benjeshecke. Auf einer Länge von 20 Metern, einer Höhe von 2,20 Metern und einer Tiefe von 90 Zentimetern über die Strecke besteht das Bauwerk – ein unübersehbarer Hingucker – aus natürlichen Materialien. Konkret: aus Totholz. Dietmar Wäß, zweiter Vorsitzender des Nabu Ortenberg: „In der Hecke sind Äste und Zweige von Linde und Eiche, Kornelkirsche und Feldahorn verbaut.“ Also „Abfall“, der bei Waldpflegemaßnahmen etwa am Rande von Straßen in der Umgebung anfiel. „Hessen mobil“ hat uns gut ein Dutzend LKW-Ladungen mit Ästen und Zweigen zur Verfügung gestellt. Die Stadt Ortenberg weitere zwei Ladungen.“ Auch die Pfosten, die das Grundgerüst bilden, kamen dank der Unterstützung von Forstamtmann Rupert Höppe aus dem heimischen Wald.
Zaun aus natürlichem Material
Doch wozu? Ortwin Bratge nennt gleich zwei Gründe: „Zum einen, um die Beerensträucher im Naschgarten vor der benachbarten Ziegenherde zu schützen. Zum anderen, um zu demonstrieren, dass ein Zaun als Abgrenzung auch aus natürlichem Material bestehen kann. Ortwin Bratge, Ingenieur im Ruhestand, leistet seit 1. Februar 2021 beim Nabu in Ortenberg ein Bundesfreiwilligenjahr ab. Auf den 62-Jährigen geht auch die Idee für den Bau einer Benjes-Hecke zurück. Erste Überlegungen des Nabu Ortenberg, wie das Areal vor Ausflügen der vom NABU sehr geschätzten Herde von Thüringer Waldziegen geschützt werden könnte, gingen in Richtung eines Staketenzauns. Aus Kastanienholz hätte der Zaun den Ortenberger Naturschutzverein rund 2000 Euro gekostet.
Doch es war nicht der aufzubringende finanzielle Betrag, der zur jetzt umgesetzten Lösung führte. Dietmar Wäß: „Eine Benjeshecke hat einen hohen ökologischen Wert. Sie kann Lebens- und Rückzugsraum für Insekten und Vögel sein. So konnten wir hier schon den Zaunkönig beobachten. Außerdem bietet sie Amphibien die Möglichkeit zu überwintern.“ Nicht zuletzt dient sie gerade deshalb auch den Besucherinnen und Besuchern des Zentrums als „Demonstrationsobjekt“ für die Notwendigkeit, Lebensräume im Sinne des Artenschutzes zu erhalten. „Wir haben in unserem Garten auch eine Benjeshecke“, sagt der Hungener, „auch wenn diese nur zwei Meter breit ist“.
Bauen wie die Biber
Was nicht zu leugnen ist: Der Bau einer solchen macht Arbeit. Dietmar Wäß: „Mitunter kamen wir uns vor, wie die Biber bei ihrem Bau. Denn jeder Zweig, jeder Ast musste eingepasst werden. Das ging nur händisch. Um Stabilität zu erreichen, mussten diese zwischen den im Abstand von zwei Metern errichteten Fichtenpfosten überlappend geschichtet und dann noch mit den Füßen verdichtet werden.“
Die Gefache der Benjeshecke zur Abgrenzung des Areals Richtung Nidder sind gefüllt. Noch kein „Innenleben“ hat das Insektenhotel, das dort ebenfalls integriert wurde. Dietmar Wäß und Ortwin Bratge haben noch immer alle Hände voll zu tun. Denn um den 20 Mal zwölf Meter umfassenden Naschgarten mit den Beerensträuchern entsteht derzeit noch eine Umzäunung mit einem Gattertor. Es wird Besucherinnen und Besuchern auch in Zukunft den Zutritt zum Naschgarten ermöglichen. Jetzt auch mit der Möglichkeit, in der Totholzhecke den Lebensraum vieler Arten zu erkunden. Die Umzäunung ist unübersehbar – gebaut aus Baumstämmen, die eines Holzhauses würdig wären. Ohne Nägel, ohne Verschraubung sind sie – und sehr wuchtig.
Ihren Namen erhielt die Benjeshecke in Ortenberg wie auch andernorts nach Hermann Benjes (1937-2007). Der Landschaftspfleger, Naturfotograf und Schriftsteller sah in Bau und Beobachtung einer aus Totholz geschichteten oder gestalteten Hecke unter anderem für Kinder- und Jugendliche eine Möglichkeit der Umwelterziehung.
Titelbild: Ortwin Bratge (links) und Dietmar Wäß beim Bau der Bentjeshecke.