Besser als Fußball
von Michael Schlag
Keine Ahnung von Basketball, aber Lust auf erstklassige Unterhaltung? Dann gehen Sie mal zu einem Spiel der Gießen 46ers! Unser Autor war kürzlich da und wurde aus dem Stand zum Basketball-Fan.Immer Tempo
Dröhnende Musik, Blitzlichter, Cheerleader, klasse Stimmung und volles Haus in der Sporthalle Ost in Gießen. Anpfiff und sofort Tempo. Fünf lange, schlanke Kerle auf jeder Seite, sehr schnell und wendig und immer in Bewegung, man muss schon aufpassen, so plötzlich wechselt die Spielrichtung. Was auffällt, zumal wenn man sonst an Fußball gewöhnt ist: Hier wälzt sich nie ein Spieler schmerzverzerrt am Boden, hebt klagend die Hände zum Schiedsrichter, dabei weiß doch jeder, dass er nur Zeit schindet. Passiert hier nicht, macht auch keinen Sinn. Bei Spielunterbrechung wird die Uhr angehalten, es zählt nur die echte Spielzeit, aktive viermal zehn Minuten.
Grüne Uhr, rote Uhr
Es ist mein erstes Basketballspiel, das ich live in der Halle sehe, ein Fan der Gießen 46ers erklärt mir die Regeln. Es laufen zwei Uhren: oben eine grüne für die Minuten, die läuft rückwärts, immer zehn Minuten reine Spielzeit, bei null ist kurze Pause, dann geht es mit grüner 10 in das nächste Viertel. Darunter läuft eine zweite Uhr mit roten, etwas schmaleren Ziffern. Die zählt die Sekunden. Und jetzt wird mir auch klar, warum es hier nicht dieses dämliche Tiki-Taka wie beim Fußball gibt – Ball nach links, Ball nach rechts, Ball mal nach vorne, dann doch wieder zurück zum Torwart. Würde hier im Basketball keinen Sinn machen. Sobald ein Spielzug startet, läuft die rote Uhr rückwärts, beginnend mit 24 Sekunden. Hat es die Mannschaft nicht in 24 Sekunden zum Wurf gebracht, muss sie den Ball abgeben. Das heißt: die ganze Zeit Bewegung, die ganze Zeit Tempo, keine Chance, das Spiel zu verzögern.
Ein Punkt, zwei Punkte, drei Punkte
Und alles ist immer so klar. Nicht dieses ewige Diskutieren wie beim Fußball, war der Ball jetzt drin oder doch nicht, muss man wieder den Videoassistenten befragen, warten und nochmal elektronisch nachmessen. Hier ist das anders: Wenn der Ball im Korb ist, dann ist der Ball im Korb, das ist von jedem Punkt der Halle aus gut zu sehen. Wurf aus kurzer Entfernung ein Punkt, aus mittlerer Distanz zwei Punkte, Fernwurf drei Punkte. Und so bleibt es immer spannend. Zehn Punkte Rückstand, das hat noch nichts zu bedeuten, drei Fernwürfe und der Gegner ist wieder im Spiel.
Spiel ohne Aggression
Hoffe, ich habe das jetzt alles richtig verstanden, was mir der geduldige Gießen-46ers-Fan erklärt hat. Das Beste zum Schluss, das hat mich schon an diesem Abend zum Basketball bekehrt: Es wird fair gespielt. Hier krachen nicht die Köpfe aneinander, es gibt auch keine Grätsche bis das Blut fließt, es gibt gar keine harten Zweikämpfe um den Ball. Dafür erlebt man Taktik im Team, blitzschnelle Abgabe, präzise Würfe. Keine Aggression auf dem Spielfeld und im Publikum auch nicht. Klarer Fall: Da gehen wir wieder hin.