Das Handwerk im Fokus
Von Corinna Willführ und Jutta Himmighofen-Strack
Bäckermeister Uwe Rumpf aus Bad Vilbel hat „Glück“. Denn seine Tochter Julia, 22 Jahre jung, könnte den Traditionsbetrieb übernehmen. Seine Kollegen Steffen Mörler und Steffen Schill, die in Friedbergs Altstadt die traditionelle Hofbäckerei Mörler führen, suchen indes dringend nach einem Lehrling. Dafür gehen sie auch neue Wege und stellen sich und ihre Backstube recht unkonventionell in einem Clip auf youtube vor.
Neue Herausforderungen für die Bäcker
Nicht nur die heimischen Bäcker stehen vor neuen Herausforderungen, sondern das heimische Handwerk insgesamt. Seine Situation thematisiert das erste Wirtschaftsforum Wetterau 2016 in Bad Nauheim. Den Weg vom „Wissen zum Werk“ eine Ausstellung im Hessenpark Neu-Anspach.
Uwe Rumpf ist seit der Früh auf den Beinen. Früh bedeutet für den 47jährigen halb Eins, also eine halbe Stunde nach Mitternacht. Denn Uwe Rumpf ist Bäcker, einer der es zur Meisterschaft gebracht hat. Auch als Konditor. Das war 1992. „Schon damals als ich noch in Weilrod im Taunus angestellt war, war es mein Wunsch, mich selbstständig zu machen.“ Auf der Tür zur Bäckerei Rumpf in der Kreisstraße 79 in Bad Vilbel prangt nun eine Inschrift zum Jubiläum in 2016: „20 Jahre Bäckerei Rumpf.“
Vielfalt aus der Backstube
Eine Bäckerei mit Café – im Sommer mit Außenbestuhlung – und einem Mittagstisch. Auch wenn diese abseits der befahrenen Hauptstraßen der Kurstadt liegt, herrscht dort auch um die Mittagszeit viel Betrieb, wird nach Kuchen, Stückchen, Brötchen, Torten gefragt. Bei aller Vielfalt aus seiner Backstube ist Uwe Rumpf eines besonders wichtig: das Brot. Eine seiner Spezialitäten: das Vilbeler Burgenbrot. Den selbst gezüchteten Natursauerteig dafür, der eine „drei Stufenführung“ und eine Reifezeit von zwölf Stunden braucht, setzt der Obermeister der Bäcker-Innung der Kreishandwerkerschaft Wetterau „immer noch selbst am Abend an.“ Das Vilbeler Burgenbrot gibt es nur montags, mittwochs und freitags.
„Deutschland ist weltweit das Land mit der größten Brotvielfalt“, ist in der „Brot-Fibel“ zu lesen, die in dem Ladengeschäft für die Kunden ausliegt. Bereits in zweiter Auflage. „Wir backen täglich mehr als zehn verschiedene Brote und in der Woche 25 unterschiedliche Sorten.“ In seinem Betrieb, in der Backstube wie im Geschäft, wird Rumpf dabei von sieben Angestellten unterstützt. Auch seine Ehefrau hilft in Vollzeit mit.
Der Bäcker hat eine große Stammkundschaft
20 Jahre an einem Ort: Da kann der Bäcker- und Konditormeister auf eine große Stammkundschaft setzen. So sagt er auch selbstbewusst: „Ich habe keine Konkurrenz. Denn ich muss mich nicht mit den Angeboten der Discounter messen. Meine Kunden wissen, was sie aus meiner Backstube an Qualität bekommen.“ Die Anforderungen an diese, seien in den beiden vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen. So möchten die Verbraucher heute genau wissen, welche Zutaten in den Lebensmitteln stecken, woher sie kommen und wie sie zubereitet werden. „Das gilt auch für das tägliche Brot“.
Marc Helwig ist 15 Jahre alt. Der Jugendliche ist das jüngste Mitglied im Team. Marc muss morgens um 6 Uhr in der Backstube antreten. Nach seinem 16. Geburtstag bereits um 4 Uhr. Die nächtliche Arbeitszeit, ist Uwe Rumpf überzeugt, könne heute kein Grund mehr sein, das Handwerk des Bäckers nicht mehr zu ergreifen. „Überlegen Sie doch mal, wie sich die Öffnungszeiten verändert haben. Bis 22 Uhr zum Beispiel in einigen Lebensmittel-Märkten. Da müssen die Beschäftigten, auch die Kassiererinnen, in Schicht arbeiten.“
Noch ist es nicht so weit, aber es könnte schon sein, dass einmal Tochter Julia den Betrieb in Bad Vilbel übernimmt. Denn obgleich es die heute 22-Jährige zunächst in das Fach Hotel- und Gaststättengewerbe zog, absolvierte sie ihre Konditorausbildung. Und zwar in Österreich, „in einem der ältesten Konditor-Betriebe des Landes.“ Bei allem Stolz, der dabei in der Stimme ihres Vaters mitschwingt, schwingt in seinen Worten auch ein wenig Bedauern mit. Denn eine Wertschätzung, wie sie den Berufen von Bäckern und Konditoren im Nachbarland entgegen gebracht werde, vermisst der Wetterau Oberinnungsmeister. „In Österreich hat unser Handwerk ein deutlich höheres Image.“
Bäcker ist wer wirklich backt
Ein solches ließe sich auch in Deutschland erreichen – mit einer „einfachen Maßnahme“, so Rumpf. „Den Namen Bäckerei zu schützen.“ So dass „an der Tür vorne nur ‚Bäckerei‘ stehen dürfte, wenn auch hinten gebacken wird.“ Wie in einer Boulangerie in Frankreich.“ Auch eine veränderte Ausbildung könne den Beruf attraktiver machen: für Lehrlinge wie Meister. So plädiert Uwe Rumpf für einen Blockunterricht anstelle einzelner Berufsschultage. Und für die Praxis: „„dass Betriebe, die nicht die gesamte Palette des Bäckerhandwerks im Angebot haben, trotzdem Lehrlinge ausbilden könnten. Wenn sie in einem Netzwerk mit anderen verbunden wären.
Apropos Lehrlinge: Den vielfach zitierten Versäumnissen in der Schule, ob bei einem Haupt- oder Realschulabschluss redet Uwe Rumpf nicht das Wort. „Wenn ich hier Jugendliche habe, die nicht ‚Guten Morgen‘ sagen können, ist das kein Defizit der Schule, sondern des Elternhauses.“ Daraus resultiere häufig ein mangelndes Selbstbewusstsein der Jugendlichen. Was der Meister von den Neulingen verlangt: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Neugier auf den Beruf. „Ich hatte einen Auszubildenden, der nach drei, vier Wochen in Betrieb gesagt hat: ‚ Das kann ich nicht‘. Dem habe ich gesagt: ‚Wir haben drei Jahre Zeit, dass Du es lernst.“
Die Hofbäckerei Mörler
Seit 1607 wird in dem Haus in der Usagasse 14 professionell gebacken. Anfang des 20. Jahrhunderts sogar für den großherzoglich hessischen Hof, wenn der Großherzog im Schloss – seiner Sommerresidenz – weilte, und auch für den kaiserlich russischen Hof, als die Zarenfamilie im Jahre 1910 zur Kur in Bad Nauheim im Schloss wohnte. Seit dieser Zeit darf sich die Bäckerei in Friedbergs Altstadt Hofbäckerei nennen.Die Familie Mörler führt seit 1937 diese Bäcker-Dynastie fort.