CDU verbündet sich mit der SPD
Die Verhandlungsführer Bernd Hielscher (SPD) und Tobias Utter (CDU) sprechen beide gegenüber dem Landboten von einem historischen Moment. „Seit 1946 waren SPD und CDU scharfe Kontrahenten“, sagt Utter. Während die CDU dem Koalitionsvertrag einstimmig beschloss, haben bei der SPD knapp zwei Drittel der 50 Stimmberechtigten für die Vereinbarung votiert.„Es herrschten geschichtsbedingte Ressentiments“, berichtet Hielscher aus der fast vierstündigen Sitzung von einigen Stimmen aus der Diskussion. Statt mit der CDU in die Koalition zu gehen, solle sich die lieber SPD in der Opposition erneuern, habe es geheißen. Dem meisten Genossen war jedoch am Donnerstagabend klar, das 44 Jahre Opposition genug Gelegenheit zu einer Runderneuerung geboten hatten. Sie handelten deshalb nach dem Motto von Altgenosse Franz Müntefering: „Opposition ist Mist.“
Union verschmähte die Grünen
Gemessen am Ausgang der Kommunalwahl im März hätte die Grünen mit ihrem Sensationsergebnis von fast 33 Prozent, die erste Wahl für die CDU (knapp 38 Prozent) seien müssen und nicht die SPD, die noch einige Prozentpunkte verlor und bei knapp 17 Prozent landete. „Mit Grünen und SPD hatten wir jeweils zwei Sondierungsgespräche geführt, deren Ergebnisse in die Fraktion zur Beratung zurückgespiegelt worden sind. Danach stand für die CDU fest, dass eine Zusammenarbeit mit den Grünen nicht an unüberwindbaren Hindernissen scheitern würde, allerdings erschien uns die Schnittmenge mit der SPD größer“, so Utter.
„In dem Vertrag konnte die SPD drei wesentliche Punkte, aus ihrem Wahlprogramm unterbringen“, sagt Hielscher. Es geht um die Themen Klimaschutz, Verkehrskonzept und Soziales einschließlich Schaffung von bezahlbaren Wohnraum. Privatinvestoren sollen demnach künftig 15 Prozent eines Bauprojektes der Stadt zum Herstellungspreis überlassen, damit sie diese Wohnungen zu einer günstigen Miete vergeben kann. Auch soll der Wohnungsbau der Stadtwerke eine Quote von 50 Prozent für Normal- und Geringverdiener aufweisen, so Hielscher. Die Wirtschaftsentwicklung einschließlich Tourismus soll in professionelle Hände gegeben werden. Es soll eine geförderte Stelle geschaffen werden.
SPD bekommt hauptamtliche Stadträtin
Der Magistrat wird von vier aus sieben Sitze vergrößert, weil diesmal fünf Parteien und eine Wählergruppierung bei der Kommunalwahl angetreten waren. Um den Proporz im Gremium zu wahren, wird das Hare-Niemeyer-Verfahren angewandt. Damit hätte auch die AfD einen Sitz bekommen. Das konnte jedoch verhindert werden, indem CDU, SPD und FDP eine Gruppe bildeten. Neu im Magistrat wird auch sein: Das Ressort Soziales, Jugend und Familie soll nicht mehr ehrenamtlich, zuletzt von Jörg-Uwe Hahn (FDP), sondern von einer Hauptamtlichen bekleidet werden. Laut Hielscher gibt es in der SPD bereits drei Kandidatinnen. Eine Frau soll es sein, nicht wegen des Themengebietes. „Beschluss der SPD ist, dass Frauen und Männer gleichermaßen in Ämter kommen sollen“, sagt Hielscher. Den Mann im Magistrat hat die SPD bereits mit Udo Landgrebe. Die Namen der potenziellen Bewerberinnen wollte Hielscher nicht nennen, zumal die Stelle noch bis zum Sommer ausgeschrieben wird. „Bei allen Bewerbungen hat die SPD das Vorschlagsrecht“, sagt Utter. Das sei Teil des Koalitionsvertrags.
Maulkorb für Minkel
Vertragsinhalt ist zudem, dass im Magistrat alle Beschlüsse einstimmig seien müssen, sagt Utter. „Die Themen in dem Gremium werden in wöchentlich tagenden Koalitionsausschluss beraten, der mit Bürgermeister sowie mit Partei- und Fraktionsspitzen besetzt sein wird“, bemerkt Hielscher. Dazu gehört laut Utter auch, dass Texte für die Kolumne der Direkte Draht im kostenlosen, wöchentlichen Werbeblatt „Bad Vilbel Anzeiger“ nicht mehr ohne Information des Magistrats veröffentlich werden dürfen. Der nicht selten umstrittene Inhalt ist bislang ohne Autorenname erschienen. Utter bestätigt, dass diese Regel vor allem den für das Bauen zuständigen, ehrenamtlichen Stadtrat Klaus Winkel (CDU) zutreffen werde.
Nicht nur die SPD äußert sich über den Vertrag zufrieden, auch die CDU. „Eine Koalition ist immer auch das Eingehen von Kompromissen“, sagt Utter. Vor zehn Jahren wäre eine solche Koalition jedoch unmöglich gewesen, betont er, der seit 35 Jahren im Stadtparlament sitzt. Man sei über die Jahre mehr zusammengewachsen und die SPD die jüngsten Großprojekte mitgetragen habe. Auch bei den vielen Zoom-Konferenzen zur Koalitionsbildung und Vertragsgestaltung sei ein guten Miteinander entstanden. Lob ebenso von Hielscher an die CDU. „Es waren Koalitionsverhandlungen auf Augenhöhe“, sagt er.
Titelbild: Blick aufs alte Bad Vilbeler Rathaus. (Foto: Wikipedia/Von Peng 1049, 15 March 2007 (UTC) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, httpscommons.wikimedia.orgwindex.phpcurid=1789082)
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