Antisemitismus

Gibt es den von links?

von Bruno Riebisrael2

Wo hört die Kritik an der Politik Israels auf und beginnt der Antisemitismus? Uwe Hartwig, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer und Stephan Kolb, Bad Nauheimer Lokalhistoriker, der zwei Bücher über die jüdische Gemeinde der Kurstadt geschrieben hat, diskutierten darüber.

Geschichte und Gegenwart

„Die israelische Polizei darf angesichts der anhaltenden Gewalt in Israel und im Westjordanland die arabischen Viertel in Ostjerusalem abriegeln. Das hat das israelische Sicherheitskabinett beschlossen, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in der Nacht zum Mittwoch mitteilte“, berichtet Spiegel online gerade. Der blutige, Jahrzehnte währende Krieg, der so harmlos als „Nahostkonflikt“ bezeichnet wird, beherrscht die Diskussion darüber, was heute Antisemitismus ist. Das zeigte sich am Dienstagabend, 13. 10. 2015, im Buber-Rosenzweig-Haus der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Bad Nauheim. „Gibt es einen linken Antisemitismus?“, war die Frage. Nur knapp 30 Zuhörer wollten die Antwort wissen.

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Stephan Kolb (links) und Uwe Hartwig diskutieren über linken Antisemitismus.

Kolb beklagte, dass sogar aus der Christlich-Jüdischen Gesellschaft „die Leute fehlen, die in der Sache eine schwankende Meinung haben“. Kolb schwankt nicht. Für ihn steht fest: „Wenn ich gegen Israel bin, bin ich gegen Juden.“ Hartwig sieht es differenzierter. „Die aktuelle israelische Politik ist zu kritisieren.“ Die Grenze zum Antisemitismus werde überschritten, wenn das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird, die Israelische Politik mit der der Nazis verglichen wird oder die Juden allgemein für das verantwortlich gemacht werden, was der Staat Israel tut. Hartwig, der das Thema zunächst historisch aufgerollt hatte („Fast alle Frühsozialisten waren Antisemiten.“) stellte fest: „Der Antisemitismus ist eleganter geworden.“

Schals und Mails

Als Beispiel für linken Antisemitismus führte Kolb an, dass die ehemalige Vorsitzende der Piraten-Partei Marina Weißband, Jüdin und „eine schöne Frau“, so Kolb, 3000 antisemitische E-Mails bekommen habe. Woher er wisse, dass diese Mail von Linken stammten, wurde Kolb aus dem Publikum gefragt. Das sei an der Wortwahl zu erkennen gewesen. In den Mails sei Israel als „Feind der Welt“, „Garten des Bösen“ und „Sinnbild alles Bösen“ bezeichnet worden, so Kolb. Linke Bundestagsabgeordnete hätten Schals getragen, auf denen Israel als weißer Fleck gekennzeichnet gewesen sei, führte er als weiteres Beispiel für linken Antisemitismus an. Der Lokalhistoriker lobte Israel als „einzige Demokratie in der Region“.

Ein Gedanke zu „Antisemitismus“

  1. Da stimme ich doch Herrn Hartwig zu. Natürlich darf ich die Politik des Staates Israel kritisieren, auch mit einem deutschen Pass. Diese Politik gegenüber den Palästinensern finde ich falsch, sie übergeht auch UN-Beschlüsse. Die jüdische Siedlungspolitik im Westjordanland etwa verhindert eine Zweistaaten-Lösung des Konflikts. Die Menschen im Gazastreifen leben wie in einem Gefängnis. Und die jüngsten Kollektivstrafen Netanjahus bestätigen meine Meinung. Gerade hörte ich im Radio Deutschlandfunk einen Kommentar, der sinngemäß so endete: Israel wird auf Dauer nur in Frieden leben können, wenn die Palästinenser wieder Hoffnung schöpfen dürfen. Kritik an einer Politik dieser Härte , die nie zum friedlichen Nebeneinander führen kann, halte ich nicht für antisemitisch, sondern im Gegenteil für notwendig.

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