Antifa kritisiert Linkspartei
Normalerweise agieren die Linkspartei und die Mitglieder der Antifaschistischen Bildungsinitiative gemeinsam gegen rechts gewirkte Esoteriker, Holocaust-Leugner und Flüchtlingsfeinde. Doch nun gibt es Zwist. Anlass ist eine Veranstaltung mit der Linken-Bundestagsabgeordneten Annette Groth in Friedberg
Antisemitismus
Annette Groth ist ein ziemlich aktives Mitglied der Linken-Bundestagsfraktion. In schneller Folge äußert sich die 62-jährige Politikerin aus Baden-Württemberg zur Lohnpolitik eines Industriebetriebes in ihrem Wahlkreis am Bodensee, zur Unterdrückung der Opposition in Bahrain, zur Behandlung der Flüchtlinge in Griechenland und vielem anderem. Groth ist menschenrechtspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, Attac-Mitglied – und engagierte Kritikerin der israelischen Regierung. Und das ist das aktuelle Problem.
Die antifaschistische Bildungsinitiative (Antifa-BI), die eigentlich mit der Linkspartei befreundet ist, fordert die Absage einer Veranstaltung mit Annette Groth. Die Bundespolitikerin spricht auf Einladung des Linken-Kreisverbandes Wetterau am Donnerstag, 14. Juli 2016, ab 19.30 Uhr im „Roten Laden“ an der Ecke Usagasse und Alte Bahnhofstraße in Friedberg. Das Thema des Abends: „Antisemitismus bei der Linken? Antideutsche und ihre Ziele“ Die Antifa-BI findet das schräg – denn Annette Groth zeige selbst antisemitische Tendenzen, so der BI-Sprecher Andreas Balser. Das Simon Wiesenthal Center habe Groth vor zwei Jahren als Antisemitin bezeichnet. Er selbst sehe das auch so, sagt Balser. Annette Groth hatte 2014 im Bundestag eine Israel-kritische Veranstaltung just für den Pogrom-Gedenktag am 9. November mitorganisiert. Nachdem Linken-Chef Gregor Gysi sie absagte, verfolgte der ausgeladene Referent den Spitzenpolitiker schreiend bis auf die Toilette. Das Video darüber machte bundesweit Furore. Später entschuldigte sich Annette Groth für den Vorfall.
Auf der Facebook-Seite von Annette Groth seien antisemitische Tendenzen zu erkennen, sagt Andreas Balser. Wer selbst nachschaut, findet gelegentlich Kritik an der Regierung von Benjamin Netanjahu. Zuletzt machte Groth darauf aufmerksam, dass 92 Bürger mit deutschem Pass im Gaza-Streifen festsäßen, weil Israel sie nicht ausreisen lasse.
„Darf es keine Kritik an Israels Politik geben?“
Besonders stark ärgern sich die Mitglieder der Antifa-Bi über den Einladungstext zur Friedberger Veranstaltung. Da heißt es: „Immer wieder geistern Behauptungen durch die Medien, die der Linken Antisemitismus vorwerfen. Was ist dran an diesem Vorwurf? … Darf es keine Kritik an der Gaza-Politik Israels geben?“ Vor allem diese letzte Frage werde meistens von Rechtsextremen plakativ gestellt, so Balser. Natürlich dürfe man die Politik der Israelischen Regierung kritisieren. Doch mit dieser Frage tue man so, als sei in Deutschland Kritik an den Juden verboten. Und das, befanden beim Plenum am vorigen Mittwoch die Mitglieder der Antifa-BI, erfülle den Tatbestand des Antisemitismus. Annette Groth sei nicht geeignet, mögliche antisemitische Denkmuster kritisch zu hinterfragen. An die Adresse der Linken richtet die Antifa-BI die Warnung: „eine Partei, die antisemitische und antiisraelische Ressentiments schürt, hört auf, antifaschistisch zu sein.“ Falls Annette Groth am Donnerstag kommt, werde man im und vor dem Lokal seine Meinung sagen.
Die Veranstalterin und Linken-Kreisvorsitzende Gabi Faulhaber reagierte verwundert, „dass uns die Antifa-BI einen Abschied von antifaschistischer Überzeugung unterstellt.“ Die Wetterauer Linke werde gar mit der extremen Rechten und deren Demagogie zur Holocaust-Leugnung verglichen. Faulhaber: „Es erschließt sich uns nicht, wieso es politisch unkorrekt sein sollte, sich mit unterschiedlichen Meinungen zu einem schwierigen Thema auseinanderzusetzen.“
Linke und Antifa in der Wetterau
Die Linkspartei konnte sich bei der Kommunalwahl im März in der Wetterau auf 3,3 Prozent der Wählerstimmen verbessern und stellt jetzt drei statt zwei Kreistagsabgeordnete: Gabi Faulhaber (62) aus Karben, Rudi Kreich (64) aus Assenheim und Anja ElFechtali (41) aus Friedberg. In Karben und Nidda hat sie je einen, in Friedberg und Niddatal je zwei Stadtverordnete. In Niddatal hat die Linke mit der SPD ein Mehrheitsbündnis geschlossen.
Die Antifaschistische Bildungsinitiative ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Friedberg. Seine Mitglieder glauben: Viele junge Menschen seien empfänglich für rechtes Gedankengut. Man wolle vor allem Jugendliche und junge Erwachsene
aufklären und ein Bewusstsein für die Problematik extrem rechter Gruppen und sowie menschenverachtender Meinungen schaffen. Konkret engagierte man sich unter anderem bei Demonstrationen gegen die NPD und die AfD in Büdingen.
Die durchaus rechte Regierung in Israel zu kritisieren ist genauso legitim, wie andere rechte Regierungen zu kritisieren. Das Problem liegt darin, dass viele Rechte/Nazis in Deutschland die Regierung Israels mit Juden generell gleichsetzen (in Israel gibt es ebenso Opposition und Kritik an Netanjahu) und somit die schreckliche Regierung Israels für ihren Judenhass und Antisemitismus nutzen. Linken Politikern, die dies hingegen trennen, nun Antisemitismus vorzuwerfen, finde ich nicht richtig. Eine Israel-kritische Veranstaltung am Pogrom-Gedenktag am 9. November zu organisieren, sehe ich aber genauso kritisch.
Johannes Eder