Mathematikum zeigt Bosc-Ausstellung
Der Karikaturist Jean-Maurice Bosc (1924 –1973) wurde im Laufe seines Lebens immer mehr zum Antimilitaristen, geprägt durch seine Zeit als Soldat im Indochinakrieg (er war in Vietnam im Einsatz und beim Vietcong in Gefangenschaft). Dies ist einer der Aspekte, die eine jetzt öffentlich eröffnete Ausstellung im Gießener Mathematikum beleuchtet. Sie ist bis zum 12. Januar 2025 zu sehen.
International gefragter Künstler
Vorbereitet haben mit ihrem Team die Dokumentation über den weltberühmten französischen Zeichner Kuratorin Laila Samuel und Prof. Albrecht Beutelspacher (Leiter des Mitmachmuseums). Das Mathematikum hat den Medien ausführliche Pressetexte zur Verfügung gestellt. Daraus geht hervor, welch interessante Persönlichkeit der Cartoonist war, dessen Zeichnungen nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen Ländern wie Deutschland (beispielsweise in der „Zeit“ und im „Stern“) erschienen.
Am 30. Dezember 2024 wäre Boscs 100. Geburtstag. Das Mathematikum ist stolzer Besitzer einiger Originale des renommierten französischen Karikaturisten, die nun der Öffentlichkeit präsentiert werden. Vermittelt wurde die Ausstellung durch einen Neffen des Künstlers.
Oft scharfer Humor
Der zunächst als Weinbauer ausgebildete Künstler Bosc macht sich einen Namen durch seinen scharfen, schwarzen Humor in seinen Bildern, in denen er oft gesellschaftliche und politische Themen gegriffen hat. Für mathematisch Interessierte bietet sein Werk besondere Entdeckungen: Themen wie Unendlichkeit, Perspektive, Raumpackungen, Symmetrie und Geometrie sind subtil in seinen Karikaturen versteckt und laden zu einem analytischen Blick auf die Kunst ein.
„Verunglimpfung der Armee“
Zum Werdegang des mehrfach Begabten: Das erste Buch mit seinen Zeichnungen erscheint 1955 auf Deutsch im Buchheim Verlag: „Gloria Viktoria“. Mit „Petits Riens“ erscheint ein Jahr später Boscs erstes französisches Buch, weitere folgen. Der Diogenes-Verlag wird in den kommenden Jahren insgesamt elf Bücher von Bosc für das deutsche Publikum herausgeben.
Wegen „Verunglimpfung der Armee“ steht Bosc vor Gericht. Urteil: ein Monat Gefängnis auf Bewährung und ein Bußgeld in der Höhe von 300.000 Francs. Bosc erhält den Émile-Cohl-Preis für seinen Cartoon- Kurzfilm „Le Voyage en Boscavie“. Der Film wird auch auf der Biennale von Venedig ausgezeichnet.
Aus gesundheitlichen Gründen zieht Bosc sich nach Antibes an die Côte d’Azûr zurück. Er probiert sich an Töpferarbeiten und verbringt seine Freizeit mit Segeln.
Seine Zeichnungen werden in den folgenden Jahren in Ausstellungen gezeigt, z.B. 1970 in Avignon oder 1972 in Paris. Er erhält weitere Preise für seinen schwarzen Humor.
Im Alter von 48 Jahren nimmt Bosc sich in seiner Wohnung in Antibes das Leben. Seine Krankheit war den Ärzten ein Rätsel. Seit seiner Rückkehr aus dem Krieg hatte sich sein gesundheitlicher Zustand verschlimmert. In seinen letzten Lebensjahren war er sehr schwach, sodass ihm das Zeichnen immer schwerer fiel.
Bosc und die Mathematik
Prof. Beutelspacher würdigt auch die mathematische Seite des Künstlers. Er sagt unter anderem: „Jeder, der Karikaturen und Zeichnungen von Jean Bosc anschaut, muss unwillkürlich lachen. Die zeichnerische Pointe, in der sich Überraschung und eine Umkehrung der Werte zeigt, springt einen unmittelbar an. Die plötzliche Erkenntnis, dass alles auch ganz anders sein könnte, erzeugt einen Witz, dem man sich nicht entziehen kann. Die Anziehungskraft seiner Zeichnungen zeigt sich auch in dem Erfolg, den der einzigartige Karikaturist Bosc in Frankreich und der ganzen Welt hatte. Es gibt zahlreiche Versuche zu erklären, warum und wie ein Witz funktioniert. Oft wird als charakteristisches Merkmal herausgestellt, dass der Effekt einer Pointe auf einer ‚plötzlichen Erkenntnis von sinnstiftenden Zusammenhängen‘ beruhe. Der Literaturwissenschaftler Gero von Wilpert spreche davon, dass ein bislang versteckter Vorstellungszusammenhang (…) zutage tritt“.
Beutelspach weiter: „Diese Gedankengänge finden eine erstaunliche Parallele bei dem Versuch zu verstehen, wie der mathematische Erkenntnisprozess vonstattengeht und was eine mathematische Erkenntnis interessant macht. Der englische Physiker und Mathematiker Roger Penrose (*1931) hat das (für sich) klar beschrieben. Für ihn sind die Begriffe ‚Schönheit’ und ‚Einfachheit’ entscheidend. Er sieht die forschenden Mathematiker und Mathematikerinnen auf der Suche nach schönen Formeln, schönen Sätzen und vor allem schönen Beweisen. Die Schönheit zeigt sich in der Mathematik durch Einfachheit: Wenn wir ein einfaches Argument gefunden haben, dann glauben wir, die Sache verstanden zu haben. Penrose setzt aber noch eines hinzu. Er ist der Überzeugung, dass mathematische Schönheit durch überraschende Einfachheit entsteht. Diese erhält man, wenn man den entscheidenden Punkt sieht, den Punkt, von dem alles abhängt oder in dem alles zusammenläuft. Es sind ganz ähnliche Worte und sehr verwandte Gedanken, mit denen man die Wirkungsweise der Pointe eines Witzes und die Aha-Momente beim Finden eines mathematischen Arguments zu beschreiben versucht. Deshalb ist es kein Wunder, dass Kunstwerke, deren Ziel es ist, eine Sache präzise auf den Punkt zu bringen, auch die Gedankenwelt ansprechen, die wir als Mathematikerinnen und Mathematiker entwickelt haben. Wir erleben dies bei den Zeichnungen von Bosc besonders deutlich.“
Der Gründer und Leiter des Mathematikums fährt fort: „Wenn man einmal auf die Spur gekommen ist, dass der Blick Boscs bei der Idee einer Zeichnung und das Gefühl eines Mathematikers oder einer Mathematikerin beim Aufspüren eines Phänomens strukturell zum Verwechseln ähnlich sind, dann glaubt man zu sehen, dass in den Zeichnungen Boscs an vielen Stellen sogar inhaltliche mathematische Strukturen zum Vorschein kommen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Bosc war kein Mathematiker, auch kein heimlicher. Und wir wollen ihn auch nicht für die Mathematik vereinnahmen. Wir sind aber auch der Überzeugung, dass man die Karikaturen Boscs mit der ‚mathematischen Brille’ betrachten kann und damit belohnt wird, dass einem die in den Zeichnungen verborgenen Strukturen bewusst werden.“
Auch Loriot würdigte Bosc
Nicht nur Kuratorin Samuel und Prof. Beutelspacher würdigen Bosc und sein Werk. Auch Dr. Thomas Kronenberg vom Caricatura Museum Frankfurt begeistert die Persönlichkeit des Franzosen und seine vielfältige zeichnerische Arbeit, wie er bei der Eröffnung unterstrich.
Wie bereits erwähnt, ist die Ausstellung bis zum 12. Januar 2025 während der Öffnungszeiten des Mitmachmuseums zu sehen. Neben dem Eintritt ins Mathematikum entstehen keine weiteren Kosten. Im Rahmen der Ausstellung wird auch ein Film von Loriot über Bosc gezeigt. Führungen durch die Ausstellung gibt es am 1. Dezember und 12. Januar, jeweils um 15 Uhr.
Titelbild: Im Mitmachmuseum läuft die Ausstellung bis zum 12. Januar 2025 (Foto: Jörg-Peter Schmidt)