A49

Auseinandersetzung wird härter

Von Bruno Rieb

Je näher die Rodung des Dannenröder Forstes für den Weiterbau der A49 rückt, desto stärker wird der Protest gegen das klimaschädigende Projekt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) fordert in einer Mail-Aktion, den Wald zu retten. Eine Fahrraddemonstration auf der A49 ist für den 26. September 2020 geplant. In Gießen wurde sogar angedroht, für jeden gefällten Baum ein teures Auto anzuzünden. Gegen die Waldbesetzer im Dannenröder Forst gehen die Behörden mit Auflagen vor.

Protestmails und Fahrraddemo

Der Bund fordert auf, Protestmails an Bundesverkehrsminister Scheuer und den Hessischen Verkehrsminister Al-Wazir zu senden, in denen an die beiden appelliert wird, die Rodung des Dannenröder Waldes und den Bau der A49 zu stoppen. „In Zeiten von Klimakrise und Waldkrise dürfen keine alten Wälder für neue Autobahnen gerodet werden! Das ist Verkehrspolitik von gestern! Dass weiter daran festgehalten wird, den wertvollen Laubwald für ein unnötiges und gestriges Straßenprojekt zu opfern, zeigt auf, was in der bundesdeutschen Verkehrspolitik noch immer falsch läuft“, heißt es in dem Schreiben. Es kann ganz leicht über die Bund-Internetseite aktion.bund. abgeschickt werden. Bis Donnerstag, 24. September 2020, 13 Uhr, waren über 26500 dieser Mails an die beiden Minister abgeschickt worden.

Unter dem Motto „Fahrrad fahr’n statt Autobahn!” wird zu Fahrraddemonstrationen auf der A49 am Samstag, 26. September 2020, und Samstag, 3. Oktober 2020, aufgerufen. An diesen Tagen wird von Kassel bis in den Dannenröder Forst geradelt, „davon einen großen Streckenabschnitt auf der A49, um gegen den Ausbau der A49, für Rückbau und Umwidmung des bereits gebauten Abschnitts und den Erhalt des Dannenröder Forstes zu demonstrieren“. Die „lärmgeplagten Befürworter der A49“ grüßen die Organisatoren der Fahrraddemo mit den Worten: „Hört mal am Samstag genau hin, wir demonstrieren euch, welche Maßnahme euch in euren Ortschaften wirklich eine Lärmentlastung brächte.“ Die Demonstrationen beginnen um 9 Uhr am Hauptbahnhof in Kassel. Über die Landstraße nach Gudensberg geht es zur Autobahnauffahrt Gudensberg. „Von Gudensberg wird die gesamte bereits fertig gestellte Strecke der A49 autofrei gemacht und von unserer Fahrraddemo befahren“, heißt es im Aufruf. Pausen mit Zwischenkundgebungen sind um 11.30 Uhr in Gudensberg am Autobahnkreuz, um 14.30 Uhr in Schlierbach an der Autobahnauffahrt, um 17.30 Uhr nördlich von Stadtallendorf in der Nähe der neuen Herrenwald-Besetzung. Die Abschlusskundgebung ist gegen 18.30 Uhr rings um den Dannenröder Forst. Die Gesamtstrecke der Fahrraddemo beträgt knapp 90 Kilometer. Die Zwischenkundgbungsorte sind so gewählt und an Zugzeiten angepasst, dass die Möglichkeit besteht, dort in die Fahrraddemo einzusteigen.

Behörden gegen Protestcamps

Mindestens 70 Autos sind in Gießen in der Nacht zu Dienstag, 22. September 2020, mit einem „X“ in Roter Farbe markiert worden. In einem Bekennerschreiben erklärt eine „solidarische, autonome Kleingruppe“: „Durch unsere Aktion ‚Freigabemarkierung zum Abfackeln‘ wollen wir Aufmerksamkeit für die angedrohte Räumung der Besetzung Dannenröder Forst schaffen. Wir möchten die Räumung verhindern oder den Preis hochtreiben. Wir haben vorerst eine Menge großspurige Karren mit einem Streifen Farbe gekennzeichnet. Dies analog zu den Markierungen von Bäumen im Dannenröder Forst und anderswo, die wegen des nicht nachvollziehbaren und unzeitgemäßen Lückenschlusses der A49 gefällt werden sollen.“ Für die Polizei ergibt sich „ein klarer Bezug der Sachbeschädigungen zu dem Weiterbau der A49“. Sie prüft, ob „über den Tatbestand der Sachbeschädigung hinaus weitere Straftatbestände erfüllt sind“. Auch wenn die Polizei einen Bezug zum Protest gegen den Autobahnbau sieht: Um Klimaschützer handelt es sich bei der Kleingruppe sicher nicht, wenn sie damit drohen Autos abzufackeln, und damit das Klima durch Kohlendioxid und die Umwelt durch Schadstoffe zu belasten. Für gefällte Bäume Autos anzuzünden ist wie die Heizung aufdrehen, wenn einem zu warm ist. Vielleicht geht es der Kleingruppe auch gar nicht um die Bäume, sondern darum, den Protest gegen die Rodung zu diffamieren.

Der Vogelsbergkreis geht indessen mit einer Allgemeinverfügung gegen die Waldbesetzer vor, um den Dannenröder Wald von A49-Gegnern räumen zu können. Die von den Waldbesetzern errichteten Häuser dürfen nicht mehr benutzt, keine neuen gebaut und keine Barrikaden errichtet werden. Das Regierungspräsidium versuche durch Auflagen Protestcamps und Mahnwachen zu verhindern, berichtet das „Versammlungsunterstützungsteam“ der A49-Gegner. „Wir hoffen noch, dass es eine vernünftige Lösung gibt“, schreibt das Team, „sonst müssen wir wieder klagen – oder die Versammlungen absagen.“ Dann würden sie den Beteiligten am A49-Protest empfehlen, mit dem Spontandemorecht zu agieren und statt geordneter Camps alle Flächen einschließlich Straßen und innerörtlicher Flächen zu nutzen. „Das ist zwar anstrengend, aber völlig legal. Auch die Polizei wird dann wohl nachts kaum noch zum Schlafen kommen“, die werde von den Bürokraten in den Behörden aber auch „gerne verheizt in sinnlosen Auseinandersetzungen“, so das Versammlungsunterstützungsteam.

Die Versammlungsbehörde gehöre zu der Landesregierung, die auch die Autobahn baut. „Es ist ja nicht überraschend, dass der Autobahnbauer den Protest gegen sich selbst nicht mag“, schreibt das Team. Bei den Ortsbegehungen sei zu sehen gewesen, dass die Vertreter der Kommunen deutlich kommunikativer und pragmatischer mit den Versammlungsanmeldern ins Gespräch gekommen seien. Es wachse der Verdacht, „dass deren Entmachtung durch die übergeordnete Behörde genau dem Ziel der Versammlungsverhinderung diente“.

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