Es lebe die Mundart

Der Datterich und Plattschwätzer

Von Corinna Willführdialekt

Darmstadt feiert dieser Tage nicht nur den Aufstieg der „Lilien“, sondern mit einem mehrtägigen Festival auch Erich Niebergall, den Autor des „Datterich“. Einen Auszug aus der Lokalposse in Mundart bringt zudem Michael Quast auf die Bühne im Freilichtmuseum Hessenpark. Und in der Wetterau wird zum fünften Mal der Preis für „Wetterauer Plattschwätzer“ vergeben.

Ein „genialer Schnorrer“ in Darmstadt

Er war kein wirklich angenehmer Zeitgenosse, aber ein kritischer, ein vorausdenkender und ein unvergessener: der „Datterich“. Allzu gern sprach er dem Alkohol zu, ließ sich in der ein oder anderen Wirtschaft und auch anderswo aushalten, war nicht zuletzt Finanzbeamter, wenn auch ein entlassener – und Protagonist im gleichnamigen Stück des Darmstädter Dichters Ernst Elias Niebergall. Als sein Werk 1862 uraufgeführt wurde, war sein Schöpfer schon viele Jahre tot. Ernst Elias Niebergall starb im Jahr 1841. Doch bis heute wird sein Schauspiel im südhessischem Dialekt auf vielen Volkstheaterbühnen in immer neuen Inszenierungen dargeboten – und erfreut sich großer Beliebtheit.

„Datterich“ von Clemensmarabu - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons
„Datterich“ (Foto: Clemensmarabu/Wikimedia)

Wie der „Datterich“ überhaupt in der sogenannten „Heiner-Stadt“, die nach ihm unter anderem den Museumszug der Straßenbahn benannte. Manch ein Bürger der südhessischen Kommune mag zudem gar nicht abstreiten, dass er etwas mit dem „Datterich“ gemein hat, also ein wenig vorlaut zu sein und durchaus seinen Vorteil stets im Auge zu haben.

Grund genug, zur Erinnerung an den Autor Ernst Elias Niebergall, der am 13. Januar dieses Jahres 200 Jahre alt geworden wäre, das „Datterich-Festival“ zu veranstalten. Ein Festival, das seinen Namen verdient – und sich nicht nur auf Darmstadt-City beschränkt: Denn vom 4. Bis 14. Juni gibt es unter anderem ein „Datterich-Interfju“ am Trinkbörnchen von Wixhausen, zur „Langen Nacht des Datterich“ in der Galerie Netuschil den Film „Lebenskünstler. Gibt es heute noch Originale“ oder von der Büchner-Bühne vor den historischen Heaghallen in Arheiligen in Riedstadt eine Theater-Aufführung unter dem Motto „Datterich kommt auf den Kühkopf“ unter freiem Himmel. Noch zwei Tipps: Das Team der Schuldnerberatung Darmstadt (Frankfurter Straße 71) zeichnet nach, was der „Datterich und die Zwangsvollstreckung“ miteinander zu tun haben. Und die sogenannte PEAKs Schnitzeljagd durch die „Lange Nacht“ führt zu zwölf Stationen für zwölf soziale Projekte. Zu gewinnen: Dauerkarten für die Lilien! Alle Programmpunkte unter www.datterich-festival.de

Michael Quast als „Datterich“ im Hessenpark

Unvergessen in der Rolle des „Datterich“ mögen Älteren die Volksschauspieler Jacques Offenbach an den städtischen Bühnen Frankfurt (1962) und Heinz Schenk am Volkstheater Frankfurt (1996/97) in Erinnerung sein. Allen Jüngeren die Vorstellungen am Staatstheater Darmstadt (2007), in denen Michael Quast sowohl die Regie führte wie auch in der Hauptrolle des knorrzigen Eigenbrödlers zu sehen war.

Michael Quast, ein „Perfektionist und ein melancholischer Komiker“, wie ihn die jüngste Sonntagsausgabe der FAZ porträtierte, ist nicht nur Leiter der „Fliegenden Volksbühne“, Festivalchef von „Barock am Main“, sondern auch ein Schauspieler, der mit Lust und Liebe seine Rollen auf der Bühne verkörpert – mit Körper, Stimme – und nicht zuletzt der Sprache. „Ich hab‘ heut‘ schon de ganze Daag so en versteckte Dorscht“ (aus dem „Datterich“, Anm. der Redaktion), heißt das Programm des Schauspielers, Kabarettisten und Regisseurs, mit dem er am Mittwoch, 3. Juni 2015, im Freilichtmuseum Hessenpark (Neu-Anspach) gastiert. „Mit der Mundart erreichen Sie Dimensionen, die Sie im Hochdeutschen nie erreichen, das ist meine persönliche Erfahrung“, so das Multitalent Quast im Interview mit der FAS von Sonntag, 24. Mai. Die Aufführung beginnt um 19 Uhr vor der Scheune aus Bracht (Baugruppe Mittelhessen).

hessenpark.de

„Wetterauer Plattschwätzer“ in Butzbach

Zehn Kandidaten haben es nach der Jury-Auswahl in die Endrunde im 5. Wetterauer Mundartwettbewerb geschafft. „Die Beiträge“ so Joachim Arnold, Landrat des Wetteraukreises, „spiegeln die Schönheit und die Vielfalt unserer oberhessischen Mundart wider und belegen, wie wichtig die Mundart zur Identitätsstiftung ist.“

Die „Finalisten“ gibt die Pressemitteilung des Wetteraukreises nicht bekannt, aber so viel verrät sie: Bei der Veranstaltung am Freitag, 12. Juni 2015, in der Kelterhalle der Kelterei Müller in Butzbach-Ostheim, wird es um Themen „Von der Oma und ihrem Computer“ bis hin zur „Überraschung im Kuhstall“ gehen.

Der Sieger/die Siegerin darf sich nach dem Votum der Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung über die Skulptur für den „Wetterauer Plattschwätzer 2015“ aus der Werkstatt der Bleichenbacher Metallbildhauerin Ulrike Obenauer freuen.

Und die Gäste zudem über ein Rahmenprogramm, das der Liedermacher und Autor Hans-Peter Langlotz gestaltet. Langlotz ist unter anderem aus seinen Auftritten im Hessen-Fernsehen und die „uff hessisch gesungene und gebabbelte Sache dicht an de Leut‘“ bekannt geworden.

Den 5. Wetterauer Mundartwettbewerb veranstaltet der Wetteraukreis in Kooperation mit der Stadt Butzbach, dem Ortsbeirat Ostheim und dem Verein zur Erhaltung der mittelhessischen Kultur und Mundart (VEmuK).

Karten zum Preis von 8 Euro sind u.a. in der Kreisverwaltung am Friedberger Platz in Friedberg, in der Buchhandlung Bindernagel in Butzbach und bei der Kelterei Müller zu erhalten.

4 Gedanken zu „Es lebe die Mundart“

  1. Liebe Corinna,
    wunderbar, dass Du an den Autor des Datterich, den Ernst Elias Niebergall, erinnerst. Er studierte zeitgleich mit Georg Büchner an der Universität Giessen und war mit ihm bekannt, wenn nicht befreundet (die Uni war damals noch klein). So hat er um drei Ecken herum ja sogar einen bezug zur online-Zeitung „Der Neue Landbote“, in der Dein Artikel veröffentlicht ist und die sich in der Tradition des Hessischen Landboten von Büchner sieht.

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