Die Feurige Vergangenheit des Vogelsbergs
Der Geopark Vulkanregion Vogelsberg hat es sich zum Ziel gesetzt, die „heiße Vergangenheit“ des Mittelgebirges in „all ihren Facetten erlebbar zu machen“. Als Besuchermagnet erweist sich dabei das Vulkaneum im Zentrum der Stadt Schotten. Seit seiner Eröffnung am 1. Juli bis zum Jahresende 2017 haben bereits mehr rund 25.000 Interessierte die Reise in die Geschichte der Vulkanismus und der Landschaft in Oberhessen unternommen. Auf mehreren Etagen veranschaulicht das Erlebnismuseum sein Thema mit Multimedia-Installationen, inszenierten Räumen, interaktiven Exponaten und Experimentierstationen: ein lehrreiches Vergnügen für Kinder wie Erwachsene.
Größtes Vulkangebiet Europas
Der Schlot raucht. Doch es ist nur Dampf, der aus dem Turm des ehemaligen Feuerwehrhauses, in dem das Vulkaneum sein Domizil hat, aufsteigt. Bis vor 15 Millionen Jahren indes waren im Vogelsberg – mit 2500 Quadratmetern Fläche das größte Vulkangebiet Europas – unzählige Vulkanschlote aktiv und spuckten glühende Lava in die Landschaft. Einen sinnlichen Eindruck bekommt man davon gleich in der ersten von zwölf Stationen des Erlebnismuseums. Während man unter von der Decke hängenden Gesteinsbrocken steht, brodelt und zischt es auf drei Leinwänden gleichzeitig – ein gigantisches und so faszinierend wie bedrohliches Naturschauspiel in 3-D.
Aber wie entstand der Planet überhaupt, auf dem Menschen in natura bis heute die gewaltige Energie aus dem Erdinnern erleben und oft auch leidvoll erfahren können? In der Stunde Null beginnt die Reise „Mit dem Zeigefinger durch die Erdgeschichte“. Eine kurze Berührung reicht und man erfährt, wie die Erde, der Mond, das Sonnensystem entstanden. Dass die Erde bis heute noch nicht zur Ruhe gekommen ist, vermittelt eine mehrere Quadratmeter große Wandplatte mit den Kontinenten: die „Welt der Plattentektonik“. Und welche „Lebensabschnitte“ einen Vulkan ausmachen, lässt sich auf drehbaren Schautafeln erkunden. Die Texte – in deutscher und englischer Sprache – sind bewusst populärwissenschaftlich abgefasst, für Laien gut verständlich und bestimmt auch für Fachkundigere nicht langweilig.
Ab in die Steinzeit
Apropos langweilig: Ein Begriff, mit dem so manches Kind einen Museumsbesuch verbinden mag. Allerdings nicht mehr, wenn es im Vulkaneum war. Es ist ausdrücklich erlaubt, in einem dicken Berg aus verschiedenen grauen Kissen und farbigen Matten auf die Suche nach einem von drei zwischen den Schichten versteckten Vulkanen zu gehen. Oder den Detektor in die Hand zu nehmen und Gesteinsbrocken „abzutasten“, ob sie eisenhaltig sind. Oder durch das Fernrohr auf die Maare in der Eifel zu blicken, die entstanden und entstehen, wenn Magma auf Wasser trifft. Oder sich in einer Telefonzelle von einer Stimme in der Leitung mit in die Steinzeit nehmen zu lassen.
Um sich zu vergewissern, in welcher erdgeschichtlichen Zeit man sich gerade befindet, lohnt ab und an ein Blick auf den Fußboden. Denn mit der „Siedler-Zeit“ im achten Jahrhundert beginnt die Historie der Stadt Schotten, die 778 gegründet wurde. Und warum findet man dort Mammutbäume? Weil sie auch im Vogelsberg wachsen und – da sie nicht brennen – vom Architekten des Hauses für die Statik des Gebäudes mitverwendet wurden. Der Bedeutung des Bergbaus – bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in der Region noch betrieben wurde – ist die nächste Station gewidmet, bevor es zur „Galerie der Steine“ geht. Ein wenig Mut braucht es da schon, sich unter den „Schwebenden Stein“ zu legen, einen Koloss aus Trachyt. Aber: „Legen Sie sich auf den Rücken, spüren Sie die Masse“ – oder genießen Sie einfach die Fotowand mit Dutzenden von Farbfotos, auf denen zu sehen ist, wie und wo mit Basalt aus dem Vogelsberg gebaut wurde und wird.
Raubbau am Grundwasser
Floss vor mehr als 15 Millionen Jahren Lava bis in das Stadtgebiet von Frankfurt, tut es das Wasser aus dem Vogelsberg bis heute. Die Versorgung der Mainmetropole mit dem wichtigsten Nahrungsmittel des Menschen ist ein Thema, dem viele Vogelsberger kritisch gegenüberstehen. So befürchten Umweltschützer, dass durch eine zu hohe Entnahme des Grundwassers aus dem Mittelgebirge Feuchtgebiete austrocknen und ganze Biotope vernichtet werden könnten.
„Hätte der Vogelsberg durch Menschen zerstört werden können?“ Eine Frage, die zu den Top Ten am Anfang des Rundgangs gehört. Die Antwort: „Ja“ erschließt sich beim Blick in ein „Wohnzimmer“ aus den 1980er Jahren. Auf dem Bildschirm eines Fernsehers kann man im Vulkan TV die Dokumentation der Demonstrationen verfolgen, mit denen die Bürgerinnen und Bürger gegen die US-Munitionsdepots in der Region protestierten. In diesen lagerten die USA Atomsprengköpfe. Sie sollten zur Abschreckung gegen die Truppen des Warschauer Paktes dienen und ein Vorrücken der Ostarmeen ins Rhein-Main-Gebiet verhindern. Der Codebegriff „Fulda Gap“ (für Fulda-Lücke oder Fulda-Senke) stand jahrzehntelang für den möglichen Ausbruch eines Dritten Weltkriegs.
Die Schrecken der Realität zurücklassend, kann man sich zum Ende des Rückgangs von den Mythen und Legenden im sprechenden und liebevoll animierten „Magischen Buch“ verzaubern – und sich ganz fest vornehmen: Die Geopark Vulkanregion Vogelsberg mit ihren rund 200 Geotopen auch in der Natur zu erkunden. Die Tourismus-Information im Vulkaneum hält jede Menge Broschüren über Ausflugstipps, geführte Wanderungen oder ergänzende Angebote in Heimat-Museen oder Ausstellungen bereit.
Das Vulkaneum ist montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt: Erwachsene 8 Euro, ermäßigt 6 Euro. Kinder unter sechs Jahren zahlen keinen Eintritt.