Der Sammler

Rupert Kronenberger hortet altes Spielzeug

Von Klaus Nissen

Rupert Kronenberger hütet in seinem Rodheimer  Fachwerkhaus Schätze, die andere Leute schon vor Jahrzehnten weggeworfen haben. Wer ihn besucht, taucht schnell in die eigene Kindheit ein. Und merkt, dass die heutigen Kinder in einer ganz anderen Welt leben.

Der Sammler

An einer schmalen Gasse im Zentrum von Rodheim liegt in der westlichen Wetterau das Fachwerkhaus von Rupert Kronenberger. Es ist gut 300 Jahre alt. Kronenberger hat es vor fünf Jahren gekauft, den früheren Stall in die Wohnung integriert, die enge Treppe nach oben verbreitert, Küche und Bad modernisiert. Der Bauherr kann so was. Der 59-Jährige mit dem blonden Schnauzbart ist Schreinermeister und Chef eines Wohndesign-Studios in Friedrichsdorf. Er weiß, wie die Leute heute wohnen wollen. Doch er selbst wohnt anders. Denn er teilt das Haus nicht nur mit seiner Lebensgefährtin Birgit, sondern auch mit Erinnerungen.

Den hölzernen Pseudo-Karussellkäfer der Firma Hebmüller hat Rupert Kronenberger restauriert. So etwas dauert bis zu hundert Stunden. Fotos: Nissen

Da liegt zum Beispiel auf einem hölzernen Tresen ein alter „Stern“ aus den Achtzigerjahren. Und daneben die Illustrierte „Quick“ – das Wochenblatt wurde im August 1992 eingestellt. Wenn man dem Hausherrn in den ersten Stock folgt, findet man auf dem Treppenabsatz eine originale Tanksäule, etwa aus den Sechzigerjahren. Daneben eine genauso alte Schaufensterpuppe in den blauen Originalklamotten eines Shell-Tankwarts. Die habe er einmal günstig kaufen können, erzählt Hausherr Kronenberger. Die Puppe ist nur eine von knapp einem Dutzend Kindern, Frauen und Männern aus Polyester, die in längst vergangenen Jahrzehnten die damals aktuelle Mode in den Schaufenstern präsentierten. „Diese Puppen haben noch Charakterköpfe“, meint Rupert Kronenberger. „Jede einzelne von ihnen ist unverwechselbar.“

Im ersten Stock hat der Mann gleich zwei Zimmer für alle möglichen Dinge reserviert, die zwischen den Fünfziger- und den Siebzigerjahren die Kinder begleiteten. Da ist ein Dampfzug auf Schienen, wie sie einst über die Feiertage im Wohnzimmer verlegt wurden. So eine habe er damals daheim in  Kalbach gehabt, erzählt der Eigentümer. In der Vitrine steht der gelbe Plastik-Raupenschlepper, den der Lehrersohn auf einem schwarz-weißen Foto von damals stolz präsentiert. Ein Geschenk von den Eltern. Auf einem Regal Holzklötze, die an allen sechs Seiten mit Motiven aus „Rotkäppchen“ beklebt sind. Längst vergessende Jugend-Illustrierte wie „Liliput“ und „Rasselbande“ mit Artikeln über Hörnerschlitten und Kakteen. An einem Balken von Rupert Kronenbergers Spielzeugsammlung hängt ein Kleiderhaken aus Sperrholz, dessen Micky- und Donald-Motiv zuerst mit der Laubsäge ausgesägt werden und dann mit Wasserfarben koloriert werden musste.

Ein winziges Wohnzimmer aus den 1960er Jahren gehört zur Puppenstuben-Sammlung des Rodheimers.

Jede Menge Puppenstuben stehen an der Wand, manche davon fast hundert Jahre alt. Eine ist eine Textilhandlung. Kronenberger hat dafür Mini-Stoffballen gewickelt. Seine Lebensgefährtin Birgit bastelte aus Filz und Chiffon die filigranen Hüte der Kundinnen. Daneben liegen diverse Puppen. Kronenberger hält einen zerschlissenen Steiff-Teddy hoch. Den hat er  hat ihn gerettet. „Ich verstehe nicht“, sagt er, „wie Leute solche persönlichen Dinge auf dem Flohmarkt verkaufen können.“

Manche schmeißen sie auch gleich weg. Kronenberger würde das nie tun. Warum sammelt er so viele Dinge aus vergangenen Kindheiten? Es gehe ihm nicht nur um die einzelnen Objekte, sagt der 59-jährige Sammler. Sondern auch darum, die eigene Kindheit festzuhalten. Beweise zu hüten, dass sie existiert hat. Wenn er zum Beispiel so eine alte Lego-Bauanleitung in der Hand halte, dann komme alles wieder hoch. „Da läuft ein kompletter Film ab“. Rupert Kronenberger scheut sich dann auch nicht, einen kompletten Sonntagnachmittag in den Nachbau eines Lego-Gebäudes zu investieren. Schon als Kind habe er gesammelt – Kronkorken, Briefmarken, Murmeln und Steine. Die Sammelei sei vielleicht „ein bisschen bekloppt“, aber nun mal tief in den Genen vieler Menschen verankert.

Wer kennt noch die Jugendzeitschrift Liliput?

Die Kinder von heute können mit Kronenbergers Spielzeug von damals herzlich wenig anfangen. Sie zeigten höchstens zwei Minuten lang Interesse, wenn er sie in seine Schatzkammer lasse. Heutige Kinder befassen sich eher auf digitalen Inhalte auf Touchpad-Geräten, vermutet der Sammler. Sie haben eine andere Erlebenswelt. Interessant finden allerdings die Kleinen aus der nahe gelegenen Kita die Hänsel-Schaufensterpuppe im Hof von Rupert Kronenberger. Freitags machen sie immer Dorfspaziergänge, und dann ist der Hof eine Attraktion.

Kronenbergers Sammel-Trieb hat sich stetig erweitert. Er hütet nicht nur Spielzeug. Im Erdgeschoss seines Hauses gibt es einen Dorfladen, in dem niemand einkaufen kann. In den Regalen stehen uralte und ungeöffnete Waschpulver-Packungen, Schokolade, Dosen. Auch ein Bündel gefütterter Winter-Unterhosen, die Kronenberger nach einer Geshäftsauflösung bei Wetzlar aufgegabelt hat. „Die gibt es im Handel nirgendwo mehr“, sagt er mit Stolz in der Stimme.

Mit solchen Plakaten versuchte man vor 40 Jahren, Grundschülern das richtige Verhalten auf dem Bürgersteig beizubringen. Heute hat nur noch Rupert Kronenberger so ein Exemplar.

Dann sind da noch die Karussellschweine und –autos. Ein paar dieser alten Kinderkarussell-Möbelstücke hütet Kronenberger daheim in Rodheim. Doch die meisten stehen in seiner Firma in Friedrichsdorf. Der Schreinermeister ist Spezialist für die Karussells der schon lange aufgelösten Firmen Hennecke und Hebmüller. Um an sie zu erinnern, schuf er extra die Webseite www.hennecke-karussell.de. Per Internet sucht er weltweit Reststücke, restauriert sie in der Firma und bietet sie dann zum Verkauf an. Die Nachfrage sei groß. Manchmal kauft ein Autohaus so einen Karussel-Wagen als Schaustück. Jüngst habe sich auch eine Familie gemeldet, die gern einen Holz-Porsche für ihren noch in Windeln steckenden Sohn kaufen wollte. Beim Probesitzen, erinnert sich Rupert Kronenberger, „hat der Kleine gleich nach dem Lenkrad gegriffen und gebrummt.“

Rupert Kronenberger würde sich gern mit weiteren Sammlerobjekten beglücken lassen. Wer Kontakt zu ihm sucht, erreicht in per Mail unter info@kundr-design.de

 

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