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Technische Revolution in Offenbach

Teil 2 der Serie von Klaus Nissen

1799 wagte der Offenbacher Johann Anton André die technische Revolution: Er holte den Lithografie-Erfinder Alois Senefelder aus München an den Main. Der Steindruck rettete Mozarts Opern vor dem Vergessen und sorgte dafür, dass wir heute Anzeigen und Plakate nicht mehr mit Kupferstichen illustrieren. Hier ein Blick auf die Offenbacher Schriftguss- und Druckmaschinentradition.

Historische Maschinen

Das hölzerne Monstrum war anno 1798 eine technische Revolution. Die von Alois Senefelder erfundene Stangenpresse druckte zum ersten Mal von der Kalksteinplatte auf Papier. Bis zu 8000 Abzüge waren davon möglich, schätzt der Druck-Historiker Harry Neß. Viel mehr als mit den schnell verschleißenden Kupferplatten. Zwei Mann konnten mit der Stangenpresse täglich bis zu 1200 Drucke herstellen.

Mit der hölzernen Stangenpresse konnte man die auf Kalkstein gezeichneten Lithografien massenhaft herstellen. Bis 1799 konnte man Bücher nur mit Kupferstichen illustrieren. Domik. Die alte Presse steht im Offenbacher Haus der Stadtgeschichte. Foto: Nissen

Der Musikverleger Johann Anton André holte Senefelder 1799 von München nach Offenbach, um sie zu bauen. So konnte André die Noten des gerade gestorbenen Wolfgang Amadeus Mozart als erster in hoher Auflage drucken.

Die Original-Stangenpresse steht heute im Deutschen Museum in München. Im Offenbacher Haus der Stadtgeschichte ist ein gut hundertjähriger Nachbau noch funktionsfähig. Auf dem Tisch liegt der Druckstein, darauf die Farbe, das Papier und eine Lederhaut. Im senkrecht darüber stehenden Rahmen ist ein federndes Brett montiert. Wenn der Drucker auf den damit verbundenen Fußhebel drückt, senkt sich die Stange mit der Reibe auf den Stein. „Das ist schon ziemlich archaisch“, findet der Druck-Experte Dominik Gußmann. Von der Feinmotorik des Druckers hängt es ab, ob der Druck gelingt.


Diese knapp 200 Jahre alten gebrauchten Drucksteine aus Solnhofener Kalkschiefer wurden 1984 im verschütteten Keller des Musikverlags André an der Domstraße gefunden. Sie erinnern nun im Büsingpark an Alois Senefelder, den Erfinder der Lithografie. Foto: Klaus Nissen

Um 1800 erfand Lord Stanhope die erste gusseiserne Presse. In der Offenbacher Druckwerkstatt wird ein 1840 bei Gaveaux in Paris gebautes Exemplar noch immer genutzt. Der rundliche Trumm steht auf kreuzförmigem Holzbalkenfundament. Ein Doppelhebel bewegt die Spindel mit dem Tiegel – das bringt mit weniger Muskelkraft höheren Druck.

Der Pressbengel senkt den Tiegel ab

Die daneben stehende Washington-Buchdruckpresse von 1860 arbeitet mit einem Kniehebel. Drückt man den Pressbengel, senkt er den Tiegel auf den Druckstock. Im 19. Jahrhundert arbeitete die Presse in Pittsburgh/Pennsylvania. Bis 2013 war sie Ausstellungsstück von Manroland USA in Chicago – und nun kann jeder nach der Einweisung damit in Offenbach Lithografien machen.

Alois Senefelder (1771-1834), der Erfinder des Steindrucks, gezeichnet 1818 von Lorenzo Quaglio. In Offenbach baute er eigenhändig Stangenpressen, auf denen die Noten von Mozart gedruckt wurden. Foto: Wikipedia

Ein gewisser J. Golding erfand 1858 die Boston-Tiegelpressen, von denen zwei noch in Offenbach arbeiten – eine ist gut 120 Jahre alt, die andere etwa 50. Die Druckform wird hier hier senkrecht fixiert. Walzen färben die Druckform ein – mit diesem Vorläufer des Heidelberger Tiegels geht der Druck viel schneller..

Die jüngste Presse ist vom Jahrgang 1979. Sie eignet sich gut für Radierungen, sagt Dominik Gussmann. Zwischen zwei gegenläufigen Stahlwalzen läuft der Metallschlitten mit der Druckplatte und dem angefeuchteten Papier hindurch. Kupfer- und Linolplatten sind damit genauso nutzbar wie Bleilettern.

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