Lagergemeinschaft Auschwitz

Historische Dokumente werden gesichert

Die Überlebenden des NS-Vernichtungslagers Auschwitz haben sich Ende der 1970er Jahre in der „Lagergemeinschaft Auschwitz“ vernetzt. Die Hilfsorganisation sitzt bis heute in Münzenberg, weil ihr Gründer Hermann Reineck dort wohnte. Am 30. Oktober 2024 wird das Archiv der Lagergemeinschaft an das Münzenberger Stadtarchiv übergeben. Und Redner erinnern an das kaum fassbare Grauen, das die Überlebenden nie los ließ.

Erinnerung an Pogromnacht und Auschwitz

Die öffentliche Veranstaltung beginnt am 30. Oktober 2024 um 19 Uhr in der ehemaligen Synagoge in Münzenberg, Am Junkernhof 14. Der Termin steht auch in Verbindung mit dem 09. November, dem Gedenktag an die Reichspogromnacht 1938.

Das Logo der in Münzenberg sitzenden Lagergemeinschaft Auschwitz.

Der 9. November 1938 war der Tag, an dem organisierte Schlägertrupps jüdische Geschäfte, Gotteshäuser und andere Einrichtungen in Brand setzten. Der Tag, an dem tausende Jüdinnen und Juden misshandelt, verhaftet oder getötet wurden.

Spätestens nun konnte jeder in Deutschland sehen, dass Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord staatsoffiziell geworden waren. Diese Nacht war das offizielle Signal zum größten Völkermord in der Geschichte. Darüber spricht in der Münzenberger Synagoge der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim, Manfred de Vries.

Weitere Redner sind Bürgermeisterin Isabell Tammer und der Münzenberger Stadtarchivar Hagen Vetter. Diethardt Stamm, Mitbegründer der Lagergemeinschaft Auschwitz, berichtet über die Aktivitäten und die Geschichte des Vereins.

Von Auschwitz nach Münzenberg

Vom Vorstand der Lagergemeinschaft erläutert Hans Hirschmann die aktuellen umfassenden Tätigkeiten des Vereins. Und damit man einen Eindruck bekommt, wohin die Hetze von Nazis führt, wird ein Ausschinnt des Films „Erinnern für Gegenwart und Zukunft – Überlebende des Holocaust berichten“ gezeigt. Konkret geht es um das Leben von Irmgard Konrad, die die Verbrechen an ihr und ihre Leiden aufzeigen.

Die NS-Behörden befanden Hermann Reineck 1941 für unwürdig, in der Armee der Diktatur zu kämpfen. Stattdessen steckten sie den Sozialdemokraten ins Konzentrationslager Auschwitz.

Am 20. August 1965, endete in Frankfurt nach rund zwei Jahren der Auschwitzprozess, bei dem etliche Naziverbrecher angeklagt wurden. Einer der Zeugen war Hermann Reineck, derin der NS-Zeit als junger Sozialdemokrat und Mitglied einer Widerstandsgruppe in Österreich verhaftet, gefoltert und in das KZ Auschwitz transportiert worden war.

Reineck wurde Zeuge im Auschwitz-Prozess

Er überlebte. Beim Auschwitz-Prozess in Frankfurt lernte er die Gambacherin Anni Rossmann kennen und lieben und kam so nach Münzenberg, wo sie auch heirateten. Aber fast 20 Jahre lang hatte Reineck jede Nacht Alpträume von seinen Erlebnissen in Auschwitz, berichtet der Münzenberger Diethardt Stamm – ein Freund von Hermann Reineck.

Hermann Reineck in den 1990er Jahren. Fotos: lagergemeinschaft-auschwitz.de

Erst Ende der der 70er-Jahre gründete konnte Reineck über seine Erlebnisse reden. Gründete dann die Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer, die bis heute bundesweit und auch in Polen aktiv ist. Viele Jahre sorgte Reineck für die Lieferung von Lebensmitteln an ehemalige Auschwitzhäftlinge in Polen. Die Stadtwerke in Gießen halfen dabei mit kostenfreien Lastwagen an Wochenenden. Und in der Garage im neuen Rathaus in Gambach wurden die Spenden von Bürgern für Dinge des täglichen Bedarfs zwischengelagert.

Parallel dazu fanden viele Studienfahrten nach Auschwitz statt. Die nächste ist für November 2024 geplant. Auch eine Gruppe mit Mitgliedern des Wetterauer Kreistages fuhr mit Reineck 1985 eine Woche lang in das dortige Stammlager, das Vernichtungslager Birkenau und auch Monowitz, wo die I.G. Farben Häftlinge ausbeutete und ermordete.

Jährlich gibt es Studienreisen nach Polen

Reineck ist Ende 1995 verstorben, aber zu seinem Gedenken blieb der Sitz der Lagergemeinschaft Auschwitz in Münzenberg, nämlich in der Wohnstätte von Diethardt Stamm. Er war Mitglied von Anfang an und auch über viele Jahre Vize-Vorsitzender der Lagergemeinschaft. Jahrzehntelang organisierte er als Studiendirektor an der Technikerschule in Butzbach in jedem Jahr eine Schülerfahrt nach Auschwitz.

Bei Diethardt Stamm lagern hunderte von Dokumenten, Tonaufnahmen und Büchern der Lagergemeinschaft. Diese übergibt der mehr als 70 Jahre alte Aktivist nun dem Stadtarchiv von Münzenberg. Dort können sie für Lesungen und Forschungen genutzt werden.

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