Von Ortenberg nach Bern
Von Corinna Willführ
Raufeisen holt Fehling nach Bern
Dörthe Herrler, Besitzerin der Objekte des Zeichners und Werbegrafikers, und ihr Lebensgefährte Willi Trautmann haben die Arbeiten dieser Tage in das Hotel „Belle Epoque“ in die Schweiz gebracht. Geschäftsführer der Jugendstil-Herberge in der Berner Altstadt ist seit 2016 Dirk Raufeisen. Der Musiker, Jahrgang 1966, ein gebürtiger Hanauer, ist in der Wetterau aufgewachsen, hatte sein erstes Studio im Keller seines Elternhauses in Büdingen/Vonhausen und ist seiner Heimat noch eng verbunden. Bekannt ist er den meisten als viel gefragter Jazz-Pianist und Dirigent verschiedener Gospel-Formationen in der Region. 1991 erhielt Dirk Raufeisen den ersten Preis beim Wettbewerb „Jugend jazzt“, 2002 den Wetterauer Kulturpreis.
Gemeinsam mit dem Ortenberger Schauspieler Hans Schwab gestaltete Raufeisen 2012 das Rahmenprogramm der Präsentation des Buches „Heinz Fehling – Leben -Kunst – Reklame 1912-1989“. Die von Dörthe Herrler realisierte Publikation mit der Dokumentation des Werkes von Heinz Fehling, mit zahlreichen persönlichen Notizen, Entwürfen und Zeichnungen aus seinem Nachlass erschien zum 100. Bestehen der OVAG und zum 100. Geburtstag von Heinz Fehling.
Dörthe Herrler entdeckt einen Schatz
Der Koffer, in dem die Dokumente des Grafikers, der das „Image“ von Perlonstrümpfen, Bügeleisen und eben des Fruchtsaftgetränks „Sinalco“ prägte, stand viele Jahre nach seinem Tod 1989 im Zimmer von Dörthe Herrler. Ein Nachlass, den die Mutter aus Bremen mitgebracht hatte. „Ich habe ihn allerdings lange nicht öffnen können.“ Persönlich kennengelernt hat Dörthe Herrler ihren Großonkel nicht. „Seine Lebensgefährtin hat ihn von Freunden und seiner Familie abgeschottet.“ Als die Ortenberger Grundschullehrerin und Event-Managerin den Koffer dann doch öffnete, entdeckte sie einen Schatz, der sie bewog, sich intensiv mit dem Leben und Wirken von Heinz Fehling zu beschäftigen.
„Ich freue ich sehr, dass wir seine Plakate ab Samstag, 26. August, bis Ende Oktober, in der Schweizer Hauptstadt zeigen können“, sagt Herrler. Im Foyer wie auf den Fluren des Drei-Sterne-Hotels. „Vielleicht meldet sich dann ja auch Udo Lindenberg nochmal bei mir.“ Wieso Udo Lindenberg? „Weil es mein großer Traum ist, die Plakate von Heinz Fehling im Hotel „Atlantic“ zu zeigen. Das Hamburger Hotel ist seit 1995 ständiges Domizil des Sängers. Dörthe Herrler: „Ich hatte ihm das Buch geschickt. Er war sehr interessiert. Mit der Ausstellung in Bern sieht er jetzt: Wir können auch Hotel.“
Ein gefragter Werbegrafiker
Heinz Fehling wurde am 5. November 1912 als Heinrich Adolf Fehling in dem Ort Scheeßel in der Nähe von Bremen geboren. Schon im Kleinkindalter zeigte sich sein Talent zum Zeichnen. Als Dreijähriger fertigte er seine ersten Scherenschnitte. Sein beruflicher Werdegang begann mit der Ausbildung an der Staatlichen Kunstgewerbeschule in Bremen. Gerade einmal Anfang 20 ist er schon ein gefragter Werbegrafiker, etwa für Vergnügungslokale wie das „Astoria“ in der Hansestadt. Zunächst als „unabkömmlicher Künstler“ vom Kriegsdienst freigestellt, wird Fehling 1943 doch zum Kriegseinsatz in Italien eingezogen. Sein Wirken während des Zweiten Weltkrieges, zu dem unter anderem Arbeiten für C.F. Borgward gehören, für den er zunächst Automobile zeichnet, später Rüstungsgüter. „Ab 1940 dann in den Bremer Focke-Wulff-Werken Bombenflugzeuge.“ Großer Beliebtheit erfreuen sich die von ihm gezeichneten Pin-up-Girls nach Kriegsende bei den GIs der US-Army. Für „Die bunten Hefte“, die von Henri Nannen verlegt werden, fertigt er Zeichnungen an.
Seine größten Erfolge kann Fehling in den 1950er Jahren feiern, in denen er Aufträge für Sinalco, Ergee (Strümpfe), Continental (Reifen) oder Rowenta (Bügeleisen) umsetzt. Zugleich erkrankt er in dieser Zeit an Multipler Sklerose. Seine letzten Lebensjahre verbringt Heinz Fehling mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Dorothea Wedekind in einer Senioreneinrichtung in der Nähe von Baden-Baden. Er stirbt 1989, sein Grab ist in seinem Heimatort.
Titelbild: In den 1950er Jahren war Sinalco eine beliebte Limonade, für die Heinz Fehling nicht nur eine Reihe von Plakaten entwarf, sondern auch sich selbst mit aufs Bild brachte.