Facebook

Kommunen droht Facebook-Verbot

Von Klaus Nissen

Mark Zuckerberg soll nicht zu viel von uns erfahren, meinen die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Sie wollen die Facebook-Seiten aller Behörden und Kommunen abschalten, damit der US-Konzern Meta nicht mit unseren Daten Schindluder treibt. Doch die meisten Gemeinden und Städte kommunizieren weiter via Facebook mit der Bevölkerung.

Facebook saugt zu viele Daten ab

Völlig unklar ist, was der US-Konzern Meta mit den Daten macht, die jeder Facebook-Nutzer beim Surfen preisgibt. Facebook konnte bisher nicht zum Einhalten der Datenschutz-Grundverordnung gezwungen werden.

Garnicht so leicht, eine ansprechende Bebilderung für diesen Artikel zu finden. Diese bunten Computer-Arbeitsplätze schlägt die Landbote-Suchmaschine vor. Nun denn – es ist schön bunt. Lassen wir der künstlichen Intelligenz eine Chance.

Im Sommer 2018 entschied der Europäische Gerichtshof, dass auch die Betreiber von Facebook-Seiten für den korrekten Umgang mit persönlichen Daten verantwortlich sind. Wer seine Daten veruntreut sieht, kann nach Auslegung der deutschen Datenschutzkonferenz Schadenersatz einklagen.

Kommunen nähmen ungern von Facebook Abschied

Im Februar 2023 machte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber Ernst: Er ordnete die Abschaltung der Facebookseite „Bundesregierung“ an, deren Beiträge knapp 1,1 Million Menschen erreichen. Dagegen klagte das Bundespresseamt im März beim Verwaltungsgericht in Köln. Sobald die Bundesregierung Facebook nach der Urteilsverkündung nicht mehr nutzen darf, geht dieses Verbot „kaskadenmäßig“ bis in die Rathäuser hinein, vermutet der Facebook-Beauftragte in der Gemeindeverwaltung von Limeshain.

Altenstadts Bürgermeister Norbert Syguda fände ein Facebook-Verbot sehr schade. Zweifel an der korrekten Datenverwertung durch von Facebook seien zwar „aufgrund der vielen Verstöße nachvollziehbar“, so der SPD-Politiker. Doch gefährlicher sei unsere Arglosigkeit beim Gebrauch von Smartphones und Computern. „Mich erstaunt, dass viele Menschen zwar einen hohen Datenschutz einfordern, aber durch ihr Nutzerverhalten gegenteiliges bewirken.“

Gepostet wird, was sonst in den Bekanntmachungen steht

Im Rathaus von Altenstadt wird besonders fleißig gepostet. Nicht weniger als 22 Beiträge schickte man im März 2023 in die Welt. Die Facebook-Seite „Gemeinde Altenstadt“ verkündete gleich mehrfach, dass der Kabarettist Tobias Mann am 22. April ins Bürgerhaus der Waldsiedlung kommt.

Die nächsten Führungen durch die Kompost-Anlage meldet der Rathaus-Kanal genauso wie die tolle „Reparierbar“-Initiative, deren Mitstreiter alte Küchenmixer wieder heil machen. Nicht weniger als 1803 Menschen haben die Altenstädter Facebookseite abonniert. Für den Service gibt es bisher 1627 „Likes“.

Rahul Sharma findet keine Freundin

Nur Rahul Sharma aus Riverside, Kalifornien ist enttäuscht: „Ich würde mich so freuen, eine schöne Frau wie dich hier als Freundin zu haben“. Doch leider habe die Gemeinde Altenstadt nicht auf seine Freundschaftsanfrage reagiert. Auch andere Wetterauer Gebietskörperschaften ließen den armen Rahul abblitzen. Ohne ihn aufzuklären, dass eine Kommune zwar weiblich, aber keine Frau ist.

Genauso fleißig wie die Altenstädter ist die Stadt Nidda in Facebook und Instagram unterwegs. Im Rathaus pflegt ein ganzes Social Media-Team auf Veranlassung von Bürgermeister Thorsten Eberhard unter der Leitung von Guiseppe Castellano die Facebookseite „nidda.de“. Man berichtet über neue Smartphone-Kurse der Ehrenamts-Agentur, die Schließung des Recyclinghofs am Ostersamstag, über den neuen Coworking-Space im Ex-Kino an der Bahnhofstraße. Zum 1. April verkündeten Castellanos Leute die Anschaffung eines Lösch-Hubschraubers. 28 Leute fanden das lustig.

Viele abonnieren die kommunalen Facebook-Seiten

Die Beiträge aus dem Rathaus kommen gut an, meint Bürgermeister Eberhard auf Anfrage. „Wir haben bei der Anzahl an Followern außerordentlich zugelegt und werten die Statistiken regelmäßig aus. Wir sind damit sehr zufrieden.“ 2794 Abonnenten zählt „nidda.de“ gerade. Eberhard: „Die sozialen Medien haben in der Bevölkerung einen sehr hohen Stellenwert. Deshalb wäre es sehr schade, wenn wir dort nicht mehr vertreten sein dürften.“

In der Tat droht allen Kommunen, Behörden und Firmen mittelfristig das Verbot, Facebookseiten zu betreiben. Bislang wurden sie nicht konkret dazu aufgefordert. So geht die Facebook-Kommunikation mit den Bürgern weiter, obwohl letztere womöglich allzu private Informationen dabei preisgeben.

Manche Gemeinden verzichten auf Online-Medienauftritte

Auch die Stadt Büdingen, die Gemeinden Ranstadt, Limeshain und andere pflegen täglich oder wöchentlich eigene Facebook-Seiten. „Wir erreichen damit sehr viele Menschen“, sagt Ranstadts Bürgermeisterin Cäcila Reichert-Dietzel.

Wer dagegen „Hirzenhain“ in die Suchmaske eingibt, gerät in den Auftritt von Eschenburg-Hirzenhain im Lahn-Dill-Kreis. Die Auftritte von Gedern und Echzell sind von Facebook selber aus irgendwelchen Beiträgen erstellt worden, in denen die Ortsnamen vorkommen. Die Stadt Gedern behauptet auf ihrer regulären Homepage: „Der Betrieb der Facebook-Seite der Stadt Gedern ist wichtig für eine zielgerichtete und ausgewogene Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Gedern.“ Aber sie ist nur schwer zu finden. Nicht jeder ahnt, dass man „Vulkanstadt Gedern“ in die Suchmaske von Facebook eintippen muss.

Verwirrend ist auch die Fülle der unter dem jeweiligen Ortsnamen adressierten Seiten. Sie gehören oft Vereinen oder Privatleuten. Bei „Limeshain – unsere Gemeinde“ wird erst auf Nachfrage klar, dass die Gemeinde den nur gelegentlich aktualisierten Auftritt betreibt. Sie meldet da zum Beispiel, dass eine Küchenhilfe für die Kita gesucht wird. Die Facebookseite „läuft am Rande mit“, sagt der zuständige Rathaus-Mitarbeiter. „Wir könnten damit leben, dass die Seite abgeschaltet wird.“

Private Facebookgruppen sind oft informativer

Inhaltlich transportieren die Kommunen via Facebook meist Müllabfuhr-Termine und andere Lokal-Infos, die auch auf der Homepage Platz finden. Debatten über die örtliche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft fehlen. Die gibt es – meist nach fundierten Recherchen lokaler Zeitungen – auf den Foren lokaler Facebook-Gruppen. Nicht weniger als 2834 registrierte Mitglieder zählt zum Beispiel die von Jennifer und Heiko Johannson moderierte Gruppe „Für Büdinger in Büdingen und Umgebung“.

Facebook ist praktisch – aber es braucht mehr Datenschutz. Die Kreisverwaltung stellte deshalb beim zweiten Digitalforum im Landratsamt die App „DorfFunk“ vor, mit der sich Bewohner der Gemeinde Betzdorf an der Sieg vernetzen. Und Cäcilia Reichert-Dietzel will in Ranstadt eine datenschutzkonforme „Orts-App“ einsetzen. Aber erst nach dem Facebook-Verbot.

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