Neues von der Demo in Büdingen
Am 30. Januar 2016 wird es spannend. Mehrere hundert aus Deutschland anreisende Rechtsextreme werden in der Wetterauer Kleinstadt Büdingen auf starke Polizeikräfte und ein Bündnis empörter Büdinger stoßen, die durch die Neonazis das Ansehen ihrer Stadt besudelt sehen.
Glocken gegen Neonazis
Die Demonstranten wollen auf ihrem Fackelzug durch die Büdinger Altstadt am 83. Jahrestag der Hitlerschen „Machtergreifung“ fremdenfeindliche Parolen rufen. Ihr Kalkül: In Büdingen gibt es mehrere hundert Flüchtlinge, eine starke NPD und zunehmend verängstigte Bürger. Aus welcher politischen Ecke die anreisenden Demonstranten kommen, kann man auf der Facebook-Seite der Demo-Anmelderin Melanie Dittmer nachlesen. Sie organisiert Schulungen für Neonazis und postet ein Video der Metal-Band „Angerfist“. Es zeigt Maskierte, die harmlose Autofahrer und Bürger angreifen und die Autos mit Hämmern zerstören. Der Refrain lautet „listen to the Sound of my Shotgun“.
Die andere Seite lässt sich das nicht gefallen. Im Netz tauchen Aufrufe zur Blockade der Rechten-Demo in Büdingen auf, berichtete Andreas Balser von der Antifa-BI am 27. Januar. Seine Gruppe will da nicht mitmachen – denn Blockaden der grundsätzlich genehmigten Demo werden von der zahlreich nach Büdingen reisenden Bereitschaftspolizei als Straftaten geahndet.
Die Antifa und die Büdinger haben anderes vor: Sie rufen zur Gegenkundgebung für den 30. Januar zwischen 15.30 und 19 Uhr am Großendorf gegenüber dem Modehaus Müller-Ditschler. Wer etwas gegen Nazis hat, solle mit der ganzen Familie kommen, sagt Manfred Scheid-Varisko im Namen des Bündnisses „Gesicht zeigen – Büdingen ist weltoffen“. Die Kundgebung sei sicher – mehrere hundert Polizisten werden sie schützen. Etliche Teilnehmer haben schon zugesagt, Kuchen für die Ordnungshüter zu backen.
Neben etlichen Reden soll es Samstagnachmittag Musik am verkehrsberuhigten Kreisel geben. Tine Lott, Shannon Lee Stockton und Frank Diener aus Petterweil werden singen und Gitarre spielen. Wenn kurz vor 18 Uhr hinter dem Polizei-Kordon die Flüchtlingsfeinde in Richtung Zentrum ziehen, „werden wir denen lautstark unser Missfallen zeigen“, so Manfred Scheid-Varisco. Die Glocken der Remigius- und der Marienkirche werden ein Protest-Geläute anstimmen. Wenn die von Melanie Dittmer angeführten Rechten nach ihrer ersten Kundgebung auf dem Marktplatz durchs Untertor ziehen, dann sehen sie darauf Banner mit der Losung: Büdingen ist nicht braun, sondern bunt. Die Kelten-Skulptur auf dem Kreisverkehr an der B457 werde ebenfalls verhüllt, kündigt Sabine Kraft-Marhenke an. Und wenn der ganze Spuk vorbei ist, soll es am Sonntag einen Kehraus geben. Möglichst viele Büdinger mögen sich dann um 11.30 Uhr mit Besen am Jerusalemer Tor versammeln und den „braunen Dreck hinaus kehren“, appelliert der evangelische Pfarrer Andreas Weik. Martin John wird der Moderator der Gegenkundgebung am Samstag sein.
Das Weltoffen-Bündnis ist seit dem Wochenende stark gewachsen, sagte Andreas Balser von der Antifa-BI gestern bei der Pressekonferenz im Awo-Haus. SPD, CDU, Grüne, FWG, FDP, die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden unterstützen die Kundgebung gegen den Neonazi-Aufmarsch. Die Stadt selber gehört zu den Mitveranstaltern, der DGB Mittelhessen und die Gewerkschaft Verdi, die kirchliche Laienorganisation Pax Christi, die Arbeiterwohlfahrt und die Büdinger Ehrenamtsagentur. Aus Nidda sind Mitglieder des Bündnisses für Demokratie dabei, aus anderen Orten Christen des evangelischen Dekanats Büdinger Land. Landtags- und Bundestagsabgeordnete kommen am Samstag nach Büdingen, außerdem der Wetterauer Sozialdezernent Helmut Betschel.
Die Bürger sollen Gesicht zeigen
Vor allem aber müssten die Büdinger selber zum Großendorf kommen, bitten die Veranstalter. Es sei nämlich erschreckend, dass immer mehr von ihnen ängstlich reagieren, beklagte gestern die FWG-Stadtverordnete Sabine Dönges. Gerade junge Leute müssten am Samstag zeigen, dass sie mit Faschos nichts am Hut haben, appellierte die selbst noch junge Lea Laska. Pfarrer Weik ist es eigener Angabe nicht gelungen, die deutschen und ausländischen Besucher des Café Hope zur Teilnahme an der Weltoffen-Kundgebung zu animieren. „Es gibt diese Angst“, beklagt er. Und die erschreckende Bereitschaft vieler Menschen, ungeprüft den Rechten zu glauben, wenn sie von Diebstählen und sexueller Anmache durch Flüchtlinge erzählen. Die meisten Menschen in der Armstrong-Kaserne hätten Schlimmes durchgemacht und brauchten einfach nur Ruhe und den Schutz der Büdinger. Gegen die Angst, so Andreas Weik, helfe am besten die persönliche Begegnung mit Flüchtlingen und die Erinnerung daran, in welche Tragödie die fremdenfeindliche Hetze der Nazis einst führte.
Die Polizei wird so viele Beamte wie noch nie am Samstag in Büdingen stationieren. Wer Fragen auch zur Verkehrsregelung an sie hat, erreicht das Infotelefon unter 06042/9648222.