Adrien Hurnungee sammelt Wildkräuter
Von Corinna Willführ
Ob Adrien Hurnungee ein Menü fürs „Private Cooking“ oder das Catering für eine große Feier zubereitet: Der Spitzenkoch und Buchautor aus Stockheim im Wetteraukreis wirbt für „bewusstes Essen, um sich gesund und glücklich zu fühlen.“ Dazu sammelt er viele Zutaten selbst: etwa Wildkräuter wie Schafgarbe und Pimpernelle auf den Wiesen an der Nidder, Maronen und Steinpilze in den heimischen Wäldern – und kombiniert sie in ungewöhnlichen Kreationen.Das Kloster Konradsdorf liegt noch im Frühnebel, die Wiesen an der Nidder sind feucht vom Tau. Frühherbst – und doch trägt Adrien Hurnungee keine lange Hose und an den Füßen Flip-Flops. „Schuhe würden eh nur nass werden“, schmunzelt er, und watet an einer seichten Stelle der Nidder am Nabu- und Informationszentrum „An den Salzwiesen“ bei Selters ans gegenüberliegende Ufer. Denn dort wächst Wasserminze. (Fast) täglich ist der 41-Jährige Stockheimer zwischen seinem Heimatort und Ortenberg auf „Nahrungssuche“. Dann sammelt Adrien Hurnungee Wildkräuter. In einer Tüte stecken schon Giersch und Schafgarbe, Pimpernelle wird dazu kommen. Die Blüten der kanadischen Goldrute, die er kürzlich in einer Sauce verwendete, lässt er heute stehen, hofft darauf, auf dem Rückweg noch einige Margariten-Blüten zu finden. Am Abend ist Adrien Hurnungee für ein „Private Cooking“ gebucht. Dann wird der Koch an einem fremden Herd, aber mit eigenem Equipment vier Menschen ein viergängiges Menü servieren. Bestehend – neben dem Wildsalat – aus Melonen und in Nouriblättern eingerolltem Schafskäse, gefüllten Zucchini und Bio-Maishähnchen, Kalbsrücken mit Pastinaken und zum Dessert: Hokkaido-Schnittchen mit Joghurt-Mousse, Rhabarber-Holunder-Sud und frischen Himbeeren.
Ungewohntes auf dem Teller
„Essen ist für mich eine Sprache, die man erst einmal verstehen muss“, sagt er. Adrien Hurnungee ist in dem Inselstaat Mauritius im indischen Ozean geboren und aufgewachsen. Dort hat er auch seine Ausbildung absolviert. Und schon früh von seinem Vater, ebenfalls Koch, Essentielles gelernt. Zum Beispiel den respektvollen Umgang mit Lebensmitteln. So hat für ihn jedes Nahrungsmittel von der Wurzel bis zur Blüte (bei Pflanzen) und vom Kopf bis zum Schwanz (bei Tieren) eine Verwendung. Sein Vater lehrte ihn auch „den Umgang mit scharfen Messern“, einer Kunst für sich bei der Zubereitung von Fisch, Fleisch und Gemüse. Der Liebe wegen kam Adrien Hurnungee 1998 nach Frankfurt und zog gemeinsam mit seiner Frau und dem heute 21-jährigen Sohn Jean Maurice nach Stockheim, wo er bis heute lebt.
Auch wenn er sich auf die traditionelle Zubereitung aus besten Zutaten hierzulande und aus der internationalen Küche versteht: Adrien Hurnungee bringt gerne Außergewöhnliches und Ungewohntes auf den Teller. In seinen Rezepten findet sich Pimpernelle, ein würziges Salatkraut von heimischen Wiesen, ebenso wie Chayote, das auch „Stachelgurke“ genannte birnenförmige Gemüse aus der Familie der Kürbisse, aus den Tropen.
„Unbekanntes – Saisonales – Gesammeltes“ findet sich in dem gemeinsam mit dem durch seine Molekularküche bekannten Koch Heiko Antoniewicz veröffentlichten Kochbuch „Rohstoff“. Mehr als 200 Zutaten sind dort aufgelistet nebst Informationen, wie sie schmecken, wann sie Saison haben und natürlich mit verführerischen Rezepten samt professionell inszenierter Bilder. „Das Buch ist für Köche und ambitionierte Hobbyköche geeignet“, erklärt Hurnungee. Für Spezialisten seines Metiers gedacht ist das jüngste Gemeinschaftswerk der beiden: „Asche, Glut & Feuer“ mit Bildern von Thomas Ruhl, einem der profiliertesten Food-Fotografen, erschienen in der renommierten Edition Port Culinaire. Worum es darin geht? „Rund um den innovativen Einsatz, die impulsgebende Herstellung und Verwendung, den besonderen Geschmack der Aschen“ – Exquisites für Spezialisten.
Der fachliche Austausch mit Könnern seines Metiers ist die eine Seite, die Adrien Hurnungee an seinem Beruf reizt. Die andere: „Menschen Lust auf gesunde und feine Zutaten zu machen“. Das tut er etwa in seinem Buch „Kulinarische Zeitreise“, einem „Plädoyer für bewusstes Essen, um sich gesund und glücklich zu fühlen“ (2018, Eigenverlag). In den 32 Rezepten stellt er etwa die Vorteile von Hüttenkäse oder Meeresfrüchten für eine gesunde Ernährung dar. Und wann immer er „live“ auftritt: Er wirbt für die Vielfalt an Nährstoffen und Aromen, die selbst frisch zubereitete Gerichte aus Deutschland, Italien oder Indien bereithalten. Betonung auf „selbst frisch zubereitet“. Fastfood, Convenience-Produkte – klare Ansage: Für eine gesunde Ernährung sind sie ein No-Go.
Was er serviert, hat seinen Grund
Japanischer Knöterich, die Zitrone des Nordens, Weißdorn oder Zierquitten – die Verwendung von Gewürzen und Zutaten aus allen Ländern und aus der heimischen Natur ist für den Koch aus der Wetterau selbstverständlich. Dazu gehören auch Zimt und Sternanis, „auch wenn man sie hierzulande fast ausschließlich mit Weihnachten verbindet.“ Neue Zubereitungen für den traditionellen Handkäse scheut der 41-Jährige ebenso wenig wie Alternativen zum herkömmlichen Pizzateig aus Weizenmehl. Bei ihm besteht dieser aus „Dinkel mit Brokkoli“. Wie köstlich ein Kartoffelsalat mit Wasserpfeffer und Sonnenblumenblüten zusammen mit Rôti de beouf und cremiger Champignonsauce mundet, davon konnten sich unlängst die Gäste bei der Verleihung des Wetterauer Kulturpreises in der Kulturhalle Stockheim überzeugen.
Ein Löffelchen Aprikosen-Mayonnaise auf einem zartrosa gebratenen Steak vom Weiderind mit Veilchenblüten: „Was ich auf dem Teller serviere, hat alles seinen Grund“, sagt der Koch aus Leidenschaft. Und den erklärt er gerne seinen Gästen, ob beim „Private Cooking“, bei einem Catering oder auch in Workshops. Zum Portfolio des Mannes, der sich auf seiner Homepage selbst als „Gestalter, Realisator, Erklärer, Entdecker und Visionär“ sieht, gehören zudem vier Markenprodukte unter seinem Namen: etwa Sanddornsalz.
Sein Wissen und Können rund um das Thema Ernährung und Lebensmittel weiterzuentwickeln, ist Adrien Hurnungee ein wichtiges Anliegen. Ein eigenes Restaurant zu eröffnen, hat er (noch) nicht im Sinn. „So wie ich im Moment arbeite, kann ich mein Menü, wenn ich es möchte, ständig verändern.“ Das bedeutet ihm eine große Freiheit. Ebenso wie die Zeit, die er draußen in der Natur verbringt. Stets mit der achtjährigen Labradorhündin Mayla an seiner Seite. Das wird auch so sein, wenn es die nächsten Tage in andere Gefilde als die Nidderwiesen geht: zum Pilze sammeln in den Wald.
Titelbild: Eine Bio-Maishühnchen-Brust vom Erzeuger seines Vertrauens passt für Adrien Hurnungee gut zu frisch gesammelten Margeriten-Blüten. (Foto: Hurnungee)