Diesmal wird virtuell gerannt
von Michael Schlag
Etwas stolz ist Jörg Theimer vom Leichtathletik-Zentrum Gießen (LAZ) schon: „Wir haben es als einziger Verein in Mittelhessen gewagt, etwas Virtuelles zu machen.“ Will sagen: Der Gießener Silvesterlauf findet wie gewohnt am 31. Dezember statt, das Datum ist das gleiche, die Startzeiten und die angebotenen Strecken auch, gelaufen wird wie immer durch Feld und Wald – nur die Organisation ist diesmal etwas anders.Starnummer zum selbst ausdrucken
Die ersten Schritte zur Teilnahme am Gießener Silvesterlauf unter Corona-Bedingungen sind so wie immer: Man meldet sich auf der Internet-Seite Silvesterlauf Gießen (Link am Ende des Artikels) an. Zur Auswahl stehen die Laufstrecken 5 km, 10 km und der Klassiker des Silvesterlaufs, der Halbmarathon mit 21,1 km. Die Gebühr beträgt 8,- € und ist für alle Läufe gleich. Man kann wahlweise Laufen oder Walken, außerdem gibt es noch eine „Gassigehen“-Runde“ von 2,5 km zum halben Tarif. Neu ist: Die Startnummer mit Namen kommt zum selbst ausdrucken per Mail.
Der Wettkampftag verläuft dann anders als gewohnt: „Die Leute können laufen, egal wo sie sind“, sagt Jörg Theimer. Offizieller Start des Silvesterlaufs ist um 10 Uhr an der „virtuellen Startlinie“ – auch wenn man die Anderen nicht sieht, läuft man doch gedanklich gemeinsam los. Startpunkt, Streckenverlauf und Ziel legt man aber selber fest. Am 31. Dezember ab 10 Uhr werden also überall in Mittelhessen Läufer mit Startnummern unterwegs sein, weit verstreut zwar, aber bei demselben Silvesterlauf. Und damit ist das derzeitige Hauptproblem größerer Veranstaltungen ausgeschlossen, alle sind auf Abstand, es kommt sich niemand zu nahe. Wem der Start um 10 zu früh ist, der bekommt auch zeitlich einen Spielraum von vier Stunden, die gewählte Strecke soll zwischen 10 Uhr und 14 Uhr absolviert sein.
Start, Ziel und Strecke legt man selbst fest
Wie weist man nun seine gelaufenen Kilometer und die Zeit nach? Es gibt ja keine offiziell vermessene Streckenführung, keine Chips und keine Uhr im Ziel. Deshalb übernimmt das jeder Läufer und jede Läuferin selber. Was man dafür braucht: entweder eine Laufuhr mit Streckenaufzeichnung oder ein Smartphone mit einer Lauf-App. Welches Handy und welche App man benutzt, spielt keine Rolle. Wenn der virtuelle Startschuss fällt, drückt man auf „Aufzeichnen“ und los geht es. Nach wahlweise 5 km, 10 km oder dem Halbmarathon 21,1 km stoppt man die Aufzeichnung und schickt als Beleg ein Foto oder einen Screenshot vom Ergebnis an den Veranstalter. Das soll an dem Tag bis 16 Uhr geschehen. Den Link zum Upload bekommen die angemeldeten Teilnehmer einige Tage vor Silvester per Mail. Zeitnehmer des Giessener Silvesterlaufs ist das Unternehmen V-Race aus Wien und falls jemand keine Lauf-App zum Aufzeichnen hat, erhält man sie kostenlos von V-Race im Appstore. Eine Bedienungsanleitung und Infos dazu gibt es unter www.v-race.at.
Am Ende ist dann wieder alles wie gewohnt: Alle Teilnehmer erscheinen auf der Ergebnisliste mit ihren Altersklassen, es gibt eine Urkunde zum Selbstdruck und wer möchte, bekommt gegen einen Zuschlag von 8,- € auch eine Medaille, die allerdings muss bis zum 13. Dezember bestellt sein. Ansonsten ist die Online-Anmeldung bis zum 29. Dezember offen, eine Nachmeldung am Morgen der Veranstaltung gibt es nicht. Fotos, auch Videos, die die Teilnehmer unterwegs von sich machen, sind willkommen, denn „die Idee ist, dass alle ein Teil des gemeinsamen Laufes werden“, sagt Jörg Theimer. Allzu genau darf man beim Vergleich der Zeiten allerdings nicht werden, denn „es gibt eine kleine Verzerrung bei den Höhenmetern“, sagt Theimer. Wer sich eine flache Strecke aussucht, ist gegenüber den Bergläufern im Vorteil, aber darum geht es eigentlich nicht. Sinn der Sache sei doch „zum Jahresabschluss noch mal ein entspanntes Läufchen“ – und zumindest gedanklich gemeinsam. Natürlich würde man sich lieber wie in allen Jahren vorher zu einer gemeinsamen Veranstaltung treffen, aber Jörg Theimer vom LAZ Gießen kann der virtuellen Organisation auch Positives abgewinnen: Bisher kamen die Teilnehmer überwiegend aus der Region rund um Gießen. Jetzt aber zieht der Silvesterlauf größere Kreise, zumal fast alle anderen Veranstaltungen abgesagt wurden. Drei Wochen vor Meldeschluss hatten sich bereits annähernd 300 Läufer und Läuferinnen fest angemeldet, darunter auch Teilnehmer aus Frankreich, Österreich, Polen und den Niederlanden.
Übrigens: Wer lieber wie gewohnt die klassische Strecke durch den Schiffenberger Wald läuft, mit Start und Ziel am Philosophikum, der kann sich die Strecke als GPX-Datei auf sein Smartphone laden und lässt sich dann von der App durch den Wald leiten. Im Ziel dann wieder stopp, Screenshot und das Belegbild hochladen. Die GPX-Datei für die 10 km und 21 km kann man auf der der Homepage des Silvesterlaufs kostenlos bestellen, sie kommt dann per Mail.
Ab März ist die Laufserie ausgefallen
Der Silvesterlauf könnte auch zur Generalprobe werden für die nächsten Läufe des Mittelhessen-Cups (MHC). In diesem Jahr musste ab März die ganze Laufserie ausfallen, darunter der flache, schnelle Halbmarathon durch die Wieseck-Aue und die anspruchsvollen 10 Meilen in Lich. Vor allem wegen der hohen Auflagen für Hygienekonzepte war die Organisation für die Vereine nicht zu leisten. Der Terminplan für den MHC 2021 steht zwar schon fest, aber wenn die Läufe auch im kommenden Jahr nicht als öffentliche Veranstaltungen zu organisieren sind, könnten auch sie virtuell stattfinden. Das Interesse daran sei bereits hoch, berichtet Jörg Theimer. Der wesentliche Unterschied für die Organisatoren: Bei einem V-Race ist die Rolle des Veranstalters rein virtuell, er tritt beim tatsächlichen Lauf draußen gar nicht Erscheinung. Das heißt: Jeder Läufer geht rein privat auf die Strecke und achtet darauf, dass er die Corona-Regeln mit dem vorgeschriebenen Abstand einhält.
Wie das funktioniert, zeigt das LAZ in einem kleinen Video mit den aktuell gültigen Regeln (Stand 09.12.2020). Maximal können auch fünf Personen zusammen laufen, sofern sie aus nicht mehr als zwei Haushalten kommen.