Eltern wollen Wechselunterricht
Von Klaus Nissen
Mit Maskenpflicht und permanentem Lüften können die Schulen im Vollbetrieb bleiben, meint die Wetterauer Kreisverwaltung. Der Kreiselternbeirat sieht das anders. Und wünscht sich eine bessere technische Ausstattung, damit bei Bedarf der Fernunterricht gelingt.Stress an den Schulen
„Es ist eine ziemlich stressige Angelegenheit“, sagt der in Büdingen unterrichtende Lehrer. In Corona-Zeiten müsse man stundenlang mit der Maske auf dem Gesicht reden, reden und reden, sagt der Pädagoge, der hier nicht namentlich genannt werden will. Die Lehrkräfte spielten im Unterricht zwangsweise eine noch aktivere Rolle als früher. Unter der Maske sind Arbeitsgruppen und Lerngespräche im Kreis nicht mehr möglich. Stattdessen gibt es Frontalunterricht mit dem Lehrer und der Lehrerin als einzigem Impulsgeber.
Besonders stressig findet der Pädagoge in diesen Wochen den Umgang mit den Eltern: „Der Spannungsbogen reicht von den Supervorsichtigen bis zu den Maskenverweigerern.“ Dabei gelte nun mal, für alle die gleichen Regeln durchzusetzen. Deren Einhaltung falle gerade jüngeren Kindern sehr schwer.
Schule ja – aber in kleineren Gruppen
Der Lehrer hat in diesem Frühjahr schon Erfahrungen mit dem Wechselunterricht gemacht. Dabei wird eine Klasse in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe hat regulären Unterricht, die andere bekommt Aufgaben für zu Hause. Inzwischen ist für den Pädagogen klar: „Wir sehen, dass die Kinder die Schule brauchen.“
„Die Schülerinnen und Schüler sind froh, wenn der Unterricht nicht ausfällt“ – das beobachtet auch die Niddaer Gymnasialdirektorin Alexa Heinze. Der Unterricht klappe recht gut. Und an die Masken hätten sich die Kinder und Jugendlichen gewöhnt. Natürlich strenge der Unterricht alle mehr an. Immer wieder muss gelüftet werden. Und manchen plage die Furcht, sich trotz aller Schutzmaßnahmen anzustecken. Immerhin gab es schon drei Corona-Fälle unter den 912 Schülern und rund 60 Lehrkräften.
Dass an allen Schulen weiter im kompletten Klassenverband unterrichtet wird, findet der Kreiselternbeirat problematisch. Vorige Woche forderte er gemeinsam mit dem Kreisschülerrat die Einführung des Wechselunterrichts im Wetteraukreis, sagt der Elternbeiratsvorsitzende Thomas Seeling aus Wölfersheim. Doch die Kreisverwaltung habe leider anders entschieden. Dabei wäre es sicherer, wenn man die Jugendlichen der Klassenstufen sieben bis zwölf in geteilten Gruppen wechselweise in der Schule und zu Hause unterrichtet. „Schulen sollten darüber selbst entscheiden können“. Das Lernen zu Hause lasse sich auch ohne digitales Gerät eine Weile mit Arbeitsblättern bewerkstelligen. „Einen 14-Jährigen kann man auch mal einen Tag alleine zu Hause lassen“, meint ebenfalls eine Lehrerin aus der östlichen Wetterau. Sie hat Sympathie für die Idee, in Einzelfällen weniger Präsenzunterricht zu machen. „Das Wichtigste ist ja nicht, die Schule offen zu halten, sondern die Gesundheit.“
Lehrkräfte fürchten Ansteckung
Etliche Lehrerinnen und Lehrer sorgen sich um ihre Unversehrtheit – das war in den Gesprächen mit Schul-Angehörigen deutlich zu spüren. Für eine gesundheitlich gefährdete Lehrkraft organisierte das Niddaer Gymnasium einen Laptop mit Kamera und Standleitung in einen anderen Raum, so dass ein schulinterner Distanzunterricht stattfinden kann. Allerdings müssen Kinder bis zur 7. Klasse trotzdem von jemandem beaufsichtigt werden. Und alle mussten sich schriftlich verpflichten, keine Mitschnitte dieses unkonventionellen Unterrichts anzufertigen.
Der im Frühjahr 2020 erprobte digitale Fernunterricht findet kaum noch statt. Da habe man im Sommer nichts unternommen, beklagt Elternbeirat Thomas Seeling. Aktuell schaffe der Schulträger nicht einmal CO2-Messgeräte an, die bei einer zu hohen Konzentration ausgeatmeter Luft Alarm geben. Seeling stört es grundsätzlich, dass beamtete Lehrkräfte gegen ihren Willen kaum zu fortschrittlichen Methoden bewegt werden können.
Es fehlen ja auch die Geräte, wirft Heidi Wallenfels ein. „Wir haben den Fernunterricht mit unseren privaten Computern gemacht“, sagt die Gesamtpersonalratsvorsitzende der Wetterauer Lehrer. Im Schulalltag sei man weit davon entfernt, Konferenzschaltungen mit Chats und Zoom-Gruppen zu ermöglichen. Laut Schulamtsdirektorin Heidemarie zur Heiden will der Staat jede Lehrkraft mit eigenem Laptop ausstatten. „Aber das muss noch umgesetzt werden. Das geht nicht von heute auf morgen.“
Kostenlose Tests sind ein Privileg
Im Frühjahr konnten ältere und angeschlagene Lehrkräfte relativ leicht zu Hause bleiben. Doch heute „wird davon ausgegangen, dass man zur Schule geht“, sagt Heidi Wallenfels. Etliche würden wegen ihrer gesundheitlichen Probleme lieber Abstand von der Schule halten, weiß die Personalrätin aus vielen Kontakten. „Aber sie gehen zur Schule, weil sie sich verantwortlich fühlen.“ Sie suchten das Gespräch über ihre Probleme im ungewohnten Schulalltag, doch es mangele an verbindlichem Rat. Gut wäre eine Hotline für die Lehrer zum Gesundheitsamt, findet Heidi Wallenfels. Doch da könne man niemanden erreichen. Nur die Schulleitungen haben in der wöchentlichen Telefonkonferenz Kontakt zu den Fachleuten.
Immerhin genießen die Lehrkräfte das Privileg, alle zwei Wochen kostenlose Covid-Tests machen zu können. Das sei den Menschen in anderen systemrelevanten Berufen nicht vergönnt, meint die Schulamtsdirektorin Heidemarie zur Mühlen. Sie weiß nicht, wie viele Lehrkräfte sich wirklich mit Tests Klarheit über ihren Gesundheitsstatus verschaffen. Die Lehrer müssen sich einen Termin bei testenden Hausärzten verschaffen. Da bekomme man unpassende Termine und müsse man bis zu einer Woche auf das Ergebnis warten, berichtet die Personalrätin Wallenfels. So komme es, dass Kollegen lieber zum Frankfurter Flughafen fahren und sich da für 80 Euro testen lassen, um gleich Gewissheit zu haben.