Der Fön pustet wieder
Von Elfriede Maresch
In Altenstadt und Nidda kann man geliebte, aber kaputte Gegenstände und Elektrogeräte zu neuem Leben erwecken. Ehrenamtliche Spezialisten schauen sie in der Reparier-Bar an und versuchen, die Dinge wieder brauchbar zu machen. Hier ein Besuch bei den Tüftlern in Nidda.
Reparier-Bar bringt Glücksgefühle
Das Foyer des Bürgerhauses in Nidda bietet einen ungewohnten Anblick. Arbeitstische stehen da, darauf liegen Lampen und Werkzeugboxen. Tüftler arbeiten, Beobachter warten in konzentrierter Stille in der ReparierBar. Wie an jedem letzten Montag des Monats ist sie ab 18 Uhr geöffnet. Bis 19.30 Uhr werden Artikel angenommen.
Eben hat einer der Ehrenamtlichen einen Fön durchprobiert. Schnelles und langsames Gebläse, lauwarm und heiß – alle Funktionen sind wieder abrufbar. „Respekt!“, sagt der Besitzer mit Nachdruck. Es war „nur“ eine Kleinigkeit, aber ohne Sachverstand, Geduld und geschickte Hände nicht zu lösen. Durch das Aufwickeln war das Kabel schadhaft, eine der Strom zuführenden Drahtkomponenten durchgerissen. Das Gehäuse musste geöffnet, das Kabel leicht gekürzt, die Drähte wieder an den richtigen Polen angeschlossen und die Schalter eingesetzt werden. Dabei schien ein Kleinteil verschwunden, auf dem bunten Terrazzoboden des Foyers unmöglich zufinden –ehe das lästig-unentbehrliche Plastikstückchen aus einer Gehäuseecke auf dem Tisch klapperte. „Ohne technisch begabte und erfahrene Ehrenamtliche wäre die ReparierBar nicht möglich“, sagt David Bauner, als städtischer Klimaschutzmanager zusammen mit seiner Kollegin Birgit Herbst Koordinator für diesen„Service von Bürger zu Bürger“verantwortlich.
In Nidda wurden schon viele Geräte gerettet
In Altenstadt gibt es einen vergleichbaren Dienst schon länger. Kerstin Alt von der Wirtschaftsförderung der Stadt sprach den damaligen Niddaer Klimamanager Peter Glasstetter an. Die nahmen mit dem Altenstädter Projekt Kontakt auf, lernten das Organisationskonzept kennen. Im Juni 2019 wurde die ReparierBar auch in Nidda gestartet. Immer mehr Bürger kommen inzwischen, die Nachfrage ist steigend. Bauner kann eine Statistik präsentieren: 130 Geräte sind seit Beginn der ReparierBar über die Tische gegangen,ein Großteil konnte wiederhergestellt werden. „Ein Glücksfall, dass sich Tüftler mit unterschiedlichen technischen Qualifikationen der Sachen annehmen“, sagt er.
An diesem Abend sind es Georg Westerhagen (Diplom-Ingenieur Nachrichtentechnik und Mikroelektronik), Dieter Pointeau, wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschulfakultät für Elektrotechnik, Holger Schultheiß, Maschinenbautechniker, und der Elektrotechniker Peter Vervelliet. Doch das Team ist weit größer: Eine Schneidermeisterin ist dabei, Leute aus unterschiedlichen technischen Berufen und nicht zu vergessen Naturtalente, die sich ihr Leben lang der Herausforderung „Wär gelacht, wenn ich das nicht wieder in Gang kriege“ gestellt haben. An diesem Abend sitzt ein Beobachter dabei und lernt die Arbeit kennen, er möchte eventuell im Team mitmachen.
Die Tüftler arbeiten schweigend und vertieft,die reizvolle Herausforderung ist ihnen anzumerken, ebenso die Freude an der dankbaren Rückmeldung der Besucher. Nicht selten wird das Sparschwein auf dem Eingangstisch gefüttert. Aus den Spenden kaufen Bauner oder Herbst Verbrauchsmaterial: Aceton zum Reinigen, Maschinenöle, ein Schrauben-Set oder einen Rollcontainer für das Inventar. Bei der Organisation machen weitere ehrenamtliche Helfer mit. Die ReparierBar steht allen Ratsuchenden offen, telefonische Voranmeldung ist erwünscht (David Bauner 06043/8006263, Birgit Herbst 06043/8006212). Am Eingangstisch melden sich schon die nächsten Besucher. Sie bekommen eine Wartenummer und unterschreiben ein Formular, dass die Haftung für das reparierte Gerät bei ihnen liegt. Denn wie es häuslich wieder genutzt wird, ist nicht abzusehen. Ebenso füllen die Besucher anonym einen Laufzettel aus, auf dem sie die Geräteart festhalten, den Fehler beschreiben und der Tüftler das Reparaturergebnis schildert. Aufgeschrieben wird auch, wenn das Gerät so defektist, dass es nicht mehr benutzt werden darf.
Die alte Rechenmaschine war leider verharzt
Transportable Elektroartikel werden häufig in die ReparierBar gebracht, Nähmaschinen, Rasenmäher, Bürogeräte, ein Puppenwagen mit verbogenem Fahrgestell. Manches ist „unheilbar“. Ein Tüftler fand mit Bedauern das Innenleben einer Rechenmaschine aus den 1950er Jahren verharzt und verklebt vor.Das Gerät hätte komplett zerlegt, die Teile im Reinigungsbad „verjüngt“ werden müssen. Esgibt aber auch die schnellen Erfolge: Ein hochwertiger Staubsauger streikte so lang, bis der Ehrenamtliche den Filterbeutel gewechselt hatte…
„Die ReparierBar ist Widerstand gegen die Wegwerfgesellschaft“, sagt Georg Westerhagen. Dieter Pointeau meint nachdenklich, es sei allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der vom Hersteller kalkuliert eingebauten überschaubaren Lebensdauer und der globalen Produktionsketten, die kaum Raum ließen für persönliche Verantwortung für das Erzeugnis. „Aber“, so der Ehrenamtliche „wir freuen uns besonders über Besucher, die sich den Reparaturweg zeigen lassen und das künftig selbst erledigen und wir hoffen, dass wir ein wenig dazu beitragen, Verbraucher qualitätsbewusster zu machen. ,Geiz ist geil’ ist eindeutig ein Zubringer zur Wegwerfgesellschaft.“
Wir hatten viele Jahre lang jemanden, der sich mit der Reparatur von Bürogeräten auskannte. Jetzt ist er in Rente und wir wissen nicht genug, um die Geräte selbst zu reparieren. Ich denke, wir werden mal bei der Reparier-Bar vorbeischauen und sehen, ob uns zu helfen ist.