Volker Reiche

Donald Duck, Mecki, Strizz

Von Detlef Sundermann

Donaldisten schätzt ihn wegen seiner künstlerichen Nähe zu Carl Barks und der Figur Donald Duck, Romantiker und Ewigjunggebliebene wegen seiner Mecki-Seiten in der „Hörzu“ und wohl viele FAZ-Leser schlugen über viele Jahre zuerst die Seite mit dem Strizz-Comic auf. Hinter all dem steckt Volker Reiche. Eine Werkschau seines Schaffens wird im Frankfurter Museum für Kommunikation gezeigt.

Comiczeichner und Maler

Zwei Prozent aus seinen Schaffens, unter das der fast 80-Jährige noch längst keinen Schlussstrich gezogen hat, sind im Kommunikation-Museum zu sehen. Und das ist schon eine ordentliche Menge. Überdies bekommt in der Schau auch der weniger bekannte Reiche seinen Platz: die expressionistisch anmutende Malerei – sie ist „the dark side of the moon“ in Reiches Schaffen.

Wer die Sonderausstellung „Volker Reiche – Comiczeichner & Maler“ besucht, muss Zeit mitbringen. Man möchte nicht nur das Gezeichnete aufnehmen, auch jede Sprechblase verdient es, sich ihr zu widmen. Strips sind hintergründig und mit einem feinsinnigen bis drastischen Humor durchsetzt. Reiche schreibt seinen Figuren eine Persönlichkeit zu, die nicht immer Ihrem Klischee entsprechen, etwa der sanftmütige Wachhund Tassilo im Strizz-Comic, der sich als Verfasser von Haiku-Gedichten hervortut, oder Strizz, der alles andere als eine Seele von Buchhalter ist. Er ist ein sympathischer Besserwisser, Einfallspinsel und nicht selten ein Faulpelz vor dem Herrn.

Früherer Reiche Comic (1984), der mit Rötger Werner Friedrich Wilhelm Feldmann alias
Brösel und Erfinder der Werner-Comic entstand. (Fotos: Detlef Sundermann)

Ein Comic wie „gehacktes vom Metzger“

Der Comic erscheint von 2002 bis 2009 werktäglich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, danach wöchentlich oder in loser Folge. Strizz war in seiner Hochphase wie Gehacktes vom Metzger. Nach Reiches Konzept musste der Comic immer frisch geliefert werden, Zeichnung wie Text. Strizz war und ist auch Reiches Kommentierung auf die aktuelle Weltlage. „Strizz war eine Wiederaufnahme meiner gesellschaftskritischen Comics“, sagt Reiche. Seine heimelige Mecki-Zeit, die immerhin mit einer Unterbrechung an die 20 Jahre dauerte, kommentiert er so: „Ich finde es eigentlich erstaunlich, dass ich das ausgehalten habe“, den dauernd blauen Himmel über Igelhausen. Allerdings seien die Igel-Kurz- und Folgegeschichten gut honoriert worden.

Kleine Welt „Igelhausen“ und gutes Einkommen: Rund 20 Jahre zeichnete und textete Reiche die Mecki-Geschichten in der „Hörzu“.

Über die Jahre entstand in Strizz ein Sammelsurium an Protagonisten, das aus Menschen und (Spiel-)Tieren erwächst, letztere können sich untereinander unterhalten und in erstaunliche philosophischen Tiefen gehen, und somit dem Menschen überlegen zu sein scheinen. Reale Vorbilder sollen die Figuren laut Reiche nicht haben. Aber Kater „Herr Paul“ und Dackel „Müller“, bezeichnet er doch als sein Comic-Alter-Ego.

Leise- statt Lautmalerei

„In Strizz steckt schon alles drin“, sagt Andreas Platthaus, Literaturredakteur der FAZ und renommierter Autor, über die Comics. Einige Figuren waren bereits zuvor, etwa in Mecki, zu sehen. Die zeichnerische Dynamik hat er aus seinen Jahren bei Disney eingebracht. Anders als Strizz, der Reiches Stern richtig zum Leuchten brachte, soll die Area bei dem niederländischen Verlag eher das Dasein eines Anonymus gewesen sein, gleichwohl seine Texte und Zeichnungen für die zehnseitigen Geschichten brillieren und in der Tradition von Barks standen. Reiche gilt als erster Deutsche, der auch die Text zu den Donald-Geschichten schreiben durfte. Die Verehrung für diese Phase erhielt er von ziemlich amtlicher Stelle, von der Deutschen Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus (D.on.a.l.d.). Vielleicht ist Strizz, von dem man in den als 2200 Folgen nie einen Vornamen erfährt, auch Donald, denn in mancher Hinsicht überschneiden sich die Figuren von ihrem Charakter oder etwa die Neffen, die alle samt gescheit sind.

Die Zunge als Sprechblase? Reiches Version von Robert Capa ikonischen Fotografie „Loyalistischer Soldat im Moment des Todes“.

Wenn Platthaus bei Reiche eine „Leise- statt Lautmalerei“ erkennt, die er etwa in einer Folge ganz ohne Worte von „Snirks Café“ (nach Strizz) zu einer Meisterschaft gebracht haben soll, hört man aus Reiches zum Teil monumentalen Gemälden das ohrenbetäubende Getöse und Gebrüll vom Tod und Terror. Hätte er nicht wie Barks seine Protagonisten in Acryl oder Öl in netter plakativer Darstellung wiedergeben können? Er sei ein Weltkriegskind. „Tod und Terror gehört zu meinem Leben“, sagt Reiche. Beide gehört zum Spektrum des Menschen. „Im Bereich Pixelblut bin ich auch schon mal unterwegs gewesen“, sagt er zu seinem früheren Faible für Ego-Shooter. Ja, die Gemälde seien schon drastisch, sie sind ein „Kommunikationsangebot der ziemlich düsteren Art“, sagt Reiche. Nicht selten bedient er sich kunsthistorischen Vorlagen, etwa die alptraumartigen Bilder von Hieronymus Bosch, Pablo Picassos „Guernica“ oder Robert Capas ikonische Kriegsfotografie. Reiches Malerei ist Reiches Mahnung und Protest gegen Krieg und Terror. Ohne Vorlage gibt es bei Reiche auch, etwa „Böse Buben“, ein Bildnis über die Leichen in Wilhelm Buschs Geschichten, oder, da sind wir wieder bei Strizz, Herr Paul, der sich mit seinen diktatorischen Zügen gern als Anführer der tierischen Gemeinschaft in Pose setzt. Reiche malt ihn als Maler, der mit (blut)roter Farbe Tassilo porträtiert. „Ein verschlüsseltes Selbstporträt“, wie Platthaus spekuliert?

Reiches Adaption von Picassos „Guernica“.

Volker Reiche lebt In Königstein. Geboren wurde er 1944 in Belzig/Brandenburg. Während des Kriegs flüchtete die Familie nach Franken, wo Volker Reiche aufwuchs. Er studierte Jura. Sein Zeichentalent soll bereits früh in der Grundschule aufgefallen sein. Als Underground-Zeichner begann seine Karriere. In den Arbeiten soll „freie Liebe“ und politischer Protest eine große Rolle spielt haben. Reiche zeichnete damals für die Zeitschriften „Pardon“ und „Titanic“. Seien Vorbilder sind etwa Robert Crump und Carl Barks. In dem 1970er Jahren arbeitete er für den niederländischen Oberon-Verlag, der für den deutschen Markt „Donald Duck“ herausbrachte. In dem 1980er Jahren beginnt Reiche für die „Hörzu“ mit Mecki, ab 2002 Strizz in der FAZ. Zur Malerei fand Reiche in seiner späteren Schaffenszeit. Als seine künstlerischen Fixpunkt nennt er etwa Max Beckmann, Francis Bacon, Picasso und Monet. Reicvhe ist für seine Arbeit vielfach ausgezeichnet worden, etwa mit dem Max- und Moritz-Preis, Erlangen, als „Bester deutschsprachiger Comic-Künstler“ oder dem Swift-Preis für Wirtschaftssatire der Stiftung Marktwirtschaft.

Die Ausstellung „Volker Reiche – Comiczeichner & Maler“ ist bis 27. Oktober 2024 im Museum für Kommunikation Frankfurt, Schaumaikai 53, zusehen. Öffnungszeiten, Eintritt und Rahmenprogramm wie Vorträge und Führungen unter: www.mfk-frankfurt.de.

Strizz aktuell: Zur diesjährigen Olympia, 26. Juli bis 11. August, in Paris wird Volker Reiche das im Comic in der FAZ reflektieren und kommentieren.

Titelbild: Volker Reiche vor seinem apokalyptischen Gemälde „Bosch Frighter Battle“

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