Sport- oder Spaßbad?
Der Bau eines städtischen Hallen- und Sportbades soll geprüft werden. In einer Bürgerversammlung sollen über die Optionen Therme mit Kommunalbad oder städtisches Hallen- und Sportbad in Eigenleistung diskutiert werden. Das fordert die Initiative “ Demokratischer Austausch Bad Vilbel“ in einem offenen Brief an den Magistrat der Stadt Bad Vilbel, die Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Parteien in der Stadtverordnetenversammlung und den Stadtverordnetenvorsteher Oliver Junker. Wir dokumentieren das Schreiben im Wortlaut.Das Schreiben der Initiative
„Sehr geehrte Magistratsmitglieder, sehr geehrte Stadtverordnete,
was wir bereits im April des vorherigen Jahres deutlich gemacht haben, möchten wir heute wiederholen: Es gibt unseres Erachtens eine Alternative zum Projekt Therme Bad Vilbel – ein eigenständiges städtisches Hallen- und Sportbad (HSB) Bad Vilbel. Weshalb diese Alternative augenscheinlich von offizieller Seite nicht ernsthaft geprüft wird, erschließt sich uns nicht.
Ein eigenständiges HSB würde nicht zuletzt Unabhängigkeit von einem privaten Großinvestor bedeuten, der eine Vielzahl weiterer, ggf. mit dem Thermenprojekt konkurrierender Projekte betreibt. Zudem dürfte es weniger kosten als die geplanten 85 Millionen Euro, die die Stadt für das Projekt Therme Bad Vilbel aufbringen will.
Wir fordern Sie daher auf: 1. Prüfen Sie den Bau und Betrieb eines städtischen Hallen- und Sportbads in Eigenleistung. 2. Diskutieren Sie beide Optionen – Therme mit Kommunalbad oder städtisches Hallen- und Sportbad in Eigenleistung – im Rahmen einer Bürgerversammlung mit der Bürgerschaft Bad Vilbels.
Bekanntes und Unbekanntes
Was wissen wir aufgrund von Presseberichten über die geplante Beteiligung Bad Vilbels am Thermenprojekt? Das Grundstück soll an den privaten Investor verkauft werden. Vorgesehen ist eine Anzahlung in Höhe von 10 Millionen Euro. Das HSB soll als Erstes gebaut werden. Die Stadtwerke tragen anteilige Kosten für den Bau des HSB („zu veredelnder Rohbau“) und des Parkraums in Höhe von 35 Millionen Euro. Die Stadtwerke leisten eine stille Einlage in Höhe von 50 Millionen Euro, die sie dem Gesamtprojekt widmen wollen. Die Stadtwerke werden an den Einnahmen beteiligt, die (ohne Berücksichtigung etwaiger Karenzzeiten) ab frühestens 2028 in Form von Eintrittsgebühren erwartet werden.
Was wir nicht wissen: Aus welchen Quellen und über welchen Zeitraum soll die gesamte Summe von 85 Millionen Euro aufgebracht werden? Welche Risiken in welchem Umfang birgt die Partnerschaft mit dem privaten Investor – Insolvenzrisiko, Einnahmenrisiko, weitere Verzögerungen bis zur Fertigstellung des HSB …? Wie hoch soll der Kaufpreis für das Grundstück sein? Wie hoch ist die erwartete jährliche Beteiligung an den Einnahmen, die die Therme abwerfen soll? Weshalb lehnt die Stadt bzw. die Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung augenscheinlich eine eigenständige Lösung – ein städtisches HSB – ab, obwohl eine entsprechende Investition weit weniger umfangreich sein dürfte als die besagten 85 Millionen Euro? Welchen Zeitpunkt für einen Ausstieg aus dem Projekt sehen die Stadtverordneten vor für den Fall, dass der Bau weiterhin nicht begonnen wird? Weshalb soll die ins Auge gefasste stille Beteiligung als nach Ablauf von erst zehn (!) Jahren rückzahlbar vereinbart werden? Was soll geschehen, wenn im Jahr 2035 die Rückzahlung gefordert wird (die – so ist zu vermuten – dann gefordert würde, wenn das Thermenprojekt bis dahin zumindest weiterhin „lahmt“)? Welche Investitionskosten, welche laufenden Einnahmen und welche laufenden Ausgaben wären im Fall der Alternative – Bau und Betrieb eines städtischen HSB in Eigenleistung – zu erwarten?
Fazit: Wir wissen einiges über die Ausgaben, die die Stadt plant, hingegen so gut wie nichts über die erwarteten Einnahmen. Mit anderen Worten: Es ist nicht möglich, eine Wirtschaftlichkeitsrechnung anzustellen. Auf dieser Basis kann sich die Bürgerschaft Bad Vilbels schon allein bezüglich der Frage der finanziellen Vorteilhaftigkeit des Projekts kein aufgeklärtes Urteil bilden.
Uns ist bewusst, dass im Geschäftsverkehr mit privaten Unternehmen oft oder auch ganz überwiegend Vertraulichkeit vereinbart wird. Ungeachtet dessen haben wir angesichts der Größe des Projekts große Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens, bei dem die Stadtgesellschaft im Unklaren gelassen wird und vor vollendete Tatsachen gestellt werden soll.
Auch weitere Fragen stehen noch immer im Raum, beispielsweise die der Lenkung des zu erwartenden, durch eine Therme induzierten massiven zusätzlichen Verkehrs. Die Stadt erhofft sich eine Abdeckung der VILCO-Defizite durch Überschüsse aus der Thermen-Partnerschaft. Sollte es sich früher oder später herausstellen, dass diese Hoffnung illusorisch ist?
Besten Dank im Voraus für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Demokratischer Austausch Bad Vilbel“
Der Demokratische Austausch Bad Vilbel bezeichnet sich als „eine freie, demokratische Gruppe politisch interessierter Bürgerinnen und Bürger Bad Vilbels“, die sich „untereinander und mit allen Menschen guten Willens“ austausche, „um einer Verwässerung demokratischer Politik in Bad Vilbel entgegenzuwirken“. Die Gruppe informiere sich eingehend und sei bestrebt, Vorgänge in Politik und Verwaltung transparent zu machen, um demokratische Prozesse und bürgerschaftliches Engagement zu fördern.
Titelbild: Schwimmen macht Spaß, auch ohne Spaßbad. (Bildquelle: Wikipedia)