Mehr Nachwuchs denn je
Nicht weniger als 284 Storchenküken wuchsen im Frühjahr 2020 in der Wetterau auf. Die Vogelschützer zählten insgesamt 138 Brutpaare – das sind 18 mehr als im Jahr zuvor.Klimawandel kommt Weißstörchen zugute
Udo Seum ist einer der besten Storchenkenner der Region. Der Gebietsbetreuer des Naturschutzbundes NABU für das Bingenheimer Ried berichtet von einem Rekordjahr: Im ersten Halbjahr 2020 brüteten 138 Weißstorch-Paare in der Wetterau. Das sind 18 mehr als im vorigen Jahr. Anfang der Neunzigerjahre brütete kein einziges Paar im Kreis. Und 2002 zählte der NABU in ganz Hessen nur etwa 60 Brutpaare und 156 Jungstörche. Davon lebten die meisten im Kreis Groß-Gerau und der Stadt Wiesbaden. Die Wetterau hatte damals nur vier Brutpaare und drei Jungvögel der Art Ciconia Ciconia.
Das ist jetzt anders. In den letzten Wochen wurden in der Wetterau laut Udo Seum nicht weniger als 284 Jungstörche flügge. Sie ziehen im Herbst mit den Eltern nach Süden. Allerdings sterben etwa vier von fünf jungen Störchen in ihrem ersten Lebensjahr, schätzt der Experte: „Die fliegen unterwegs in irgendwelche Stromleitungen oder fallen ins Mittelmeer.“ Denn da gibt es keine Aufwinde, die die drei bis vier Kilo schweren Vögel auf sichere Höhen heben.
Trotzdem scheint der Bestand an Weißstörchen in Hessen und der Wetterau gesichert – der Klimawandel und die vor allem von Vogelschützern angelegten Lebensräume begünstigen die Weißstörche. Es sind inzwischen so viele, dass man sie auch mal in großen Schwärmen über dem Bingenheimer Ried oder den Feuchtwiesen an der Nidder kreisen sieht. Man müsse ihnen keine weiteren Nisthilfen auf alten Telegrafenmasten errichten, sagt Udo Seum.
Manche Jäger finden inzwischen sogar, dass es zu viele Störche in ihren Revieren gibt: Sie würden auch junge Rebhühner, Junghasen oder die am Boden brütenden Kibitz-Küken auffressen. Udo Seum hält das für Unsinn: „Der Storch frisst in erster Linie Regenwürmer, Insekten und Mäuse.“ Er sei kein gezielt auf Jagd gehender Beutegreifer, meint auch der Lindheimer Vogelschützer Wilhelm Fritzges. Eher zufällig erwische er auch mal die Küken anderer auf dem Boden brütender Vogelarten. Die könne man aber nicht durch die Bekämpfung von Störchen retten. Die zehn Kiebitzpaare, die dieses Frühjahr in den Nidderwiesen brüteten, haben laut Fritzges vor allem wegen der räuberischen Füchse und Marder all ihre Jungen verloren. Diesen schlauen Raubtieren sei mit der Jagd nicht beizukommen. Deshalb wollen die Lindheimer Vogelschützer künftig einen Teil der Nidder-Wiesen mardersicher einzäunen. Das habe sich auf vier Hektar in der Nähe des Reichelsheimer Flugplatzes bewährt: Dort leben mittlerweile laut Udo Seum schon 75 der insgesamt 25 Kiebitz-Brutpaare in Hessen.
Junghasen werden wohl nur selten vom Storch verspeist, aber es kommt vor:
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