Literarische Kostbarkeiten
von Jörg-Peter Schmidt
Jüdisches Leben in Deutschland, Alltagshürden für behinderte Menschen und deutsche Geschichte, in der auch der „Toast Hawaii“ eine Rolle spielt, gehören zu den Themen, die im neuen Programm des Literarischen Zentrums Gießen (LZG) behandelt werden. Am Mittwoch, 22. Januar (18.30 Uhr) findet die Auftaktveranstaltung statt.Der Wolf hat Großmutter lieb
Im Hermann-Levi-Saal des Gießener Rathauses ist Sebastian Meschenmoser (* 1980 in Frankfurt) zu Gast. Er studierte ab 2001 an der Akademie für Bildende Künste Mainz und an der École Nationale Supérieure in Dijon. Für sein graphisches Werk erhielt er mehrere Preise; gleich mehrere seiner Bilderbücher wurden für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Sebastian Meschenmoser lebt und arbeitet in Berlin.
Von Märchenparodien, in denen der Wolf sich mit der Großmutter anfreundet, statt sie und das Rotkäppchen zu fressen, über die großen Träume des Herrn Eichhorn bis hin zu liebevoll illustrierten Literaturklassikern wie „Die unendliche Geschichte“: Im Rahmen des universitätsübergreifenden Lehr- und Forschungsprojekts »Illustrators in Residence« stellt der Illustrator seine graphische Literatur vor und gibt Einblicke in seinen vielfältigen Schaffensprozess. In seinem Vortrag widmet sich der Künstler der Entstehung seiner Bücher.
Bekannter Schauspieler zu Gast
Der bekannte Schauspieler Gerhard Haase-Hindenberg (*1953 in Schweinfurt) ist auch publizistisch tätig.
Er war in Krimiserien wie „SOKO Leipzig“, aber auch in der Rolle des Reichsmarschalls Hermann Göring in dem Hollywood-Kinofilm „Operation Walküre“oder zuletzt im ARD-Sechsteiler „Kafka“ zu sehen. Am Dienstag, 28. Januar (19 Uhr, Hermann-Levi-Saal des Gießener Rathauses) stellt er sein Buch „Ich bin noch nie einem Juden begegnet“ vor.
»Ich bin noch nie einem Juden begegnet«: Diesen Satz haben die meisten jüdischen Menschen schon einmal von ihren nicht jüdischen Mitbürger*innen gehört. Entgegen dieser Fremdheit und Ignoranz berichtet Haase-Hindenberg in seinem Werk von der Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland. Anhand alltäglicher Lebensgeschichten von Kindern und Enkelkindern von Shoa-Überlebenden, von Jüdinnen und Juden, die aus Osteuropa, Israel und Amerika nach Deutschland gezogen sind, oder von Menschen, die aus verschiedenen Gründen zum Judentum konvertiert sind, erzählt der Autor von ihren Erlebnissen, Hoffnungen und Ängsten und verwebt sie mit Erklärungen zu Symbolen, Glaubenspraxis und Geschichte.
„Porno – eine unverschämte Analyse“
Am Montag, 10. Februar (19 Uhr, Kulturzentrum „prototyp“, Georg-Philipp-Gailstraße 5 in Gießen) spricht die unabhängige Pornowissenschaftlerin Madita Oeming (*1986 in Bonn) über ihr Buch „Porno – eine unverschämte Analyse“. Was machen Pornos mit uns, vor allem aber: Was machen wir mit Pornos? Warum sind sie ein Tabuthema, obwohl sie längst Teil unseres Alltags sind? 95 Prozent aller Männer, 79 Prozent aller Frauen und 60 Prozent aller Jugendlichen in Deutsch- land haben schon einmal Pornos geguckt. Sie sind Teil unserer Alltagskultur geworden und zugleich ein Tabuthema geblieben. Das will dieses Buch ändern. Es zeigt, wie tief verwurzelte Ängste und gesellschaftliche Vorurteile unsere Wahrnehmung von Pornographie prägen. Oeming beleuchtet den Platz von Pornos in unserer Kultur und plädiert für einen offenen, unvor- eingenommenen Diskurs, der Wissen vermittelt statt Stigma zu fördern.
Barrieren für behinderte Menschen
In dem Buch „Zusammensein“ erzählt Hadija Haruna-Oelker aus persönlicher und politischer Perspektive von den Herausforderungen und Möglichkeiten einer inklusiven Gesellschaft. Seit sie 2016 Mutter eines behinderten Kindes wurde, wird sie mit Barrieren wie pseudoinklusiven Schu- len und alltäglicher Diskriminierung konfrontiert. Darüber berichtet die Autorin, Moderatorin und Redakteurin am Donnerstag, 13. Februar (19 Uhr, Hermann-Levi-Saal des Gießener Rathauses). Die Autorin fragt:Warum fehlt es immer noch an umfassender Teilhabe und Teilgabe für behinderte Menschen? Sie fordert ein Umdenken hin zu einer Welt, in der alle selbstbestimmt leben können.
Auch 2025 gibt es Termine, die nur für den LZG-Lesekreis bestimmt. Im Rahmen des Frühjahrsprogramms ist dies eine Veranstaltung, die am Donnerstag, 27. Februar (19 Uhr, KiZ, Kongresshalle in Gießen) stattfindet. Besprochen wird das Buch „Lichtungen“ von Iris Wolff: Zwischen dem elfjährigen Lev und seiner Mitschülerin Kato besteht seit ihren Kindertagen eine besondere Verbindung, die den beiden im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien gegenseitig Halt bietet. Doch die Öffnung der europäischen Grenzen und Katos Aufbruch in den Westen trennt das ungleiche Paar. Bis Lev, ein halbes Leben später, eine Karte aus Zürich erreicht, darauf nur ein einziger Satz: »Wann kommst du?«
Deutsche Geschichte und der Toast Hawaii
Am Mittwoch, 12. März (19 Uhr, Pausenraum im Gießener Rathaus) steht ein Gespräch mit Andreas Matlé (*1960 in Frankfurt am Main) auf dem Programm. Die Veranstaltung wird von dem Duo Dolphin musikalisch begleitet. Der Schriftsteller stellt sein Buch „Deutsche Dinge – Eine Geschichte in 75 Objekten“ vor. Matlé blickt ein Dreivierteljahrhundert nach Gründung der Bundesrepublik auf deren Geschichte zurück – und zwar über die Perspektive von Alltagsgegenständen. Ob es sich um die ikonische Birkenstock-Sandale, das Toast Hawaii oder die vergessenen Brokatbezüge für Wählscheibentelefone handelt: Jedes Objekt wird zum Spiegel seiner Zeit. Er zeichnet ein lebendiges Kulturporträt, das sowohl die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland als auch das gesamtdeutsche Leensgefühl in den Blick nimmt. Das Duo Dolphin besteht aus Diana Perez (Gesang) und Olaf Thurau (Gitarre), die einige Lieder mit Bezug zu den vorgelesenen Kapiteln zum Besten geben werden.
Am Montag, 17. März (19 Uhr, Schulbibliothek des Landgraf-Ludwig-Gymnasiums, Reichenberger Straße 3 in Gießen) Safiye Can (*1977 in Offenbach) liest Safiye Can (*1977 in Offenbach) aus ihrem Lyrikband „Diese Haltestelle habe ich mir gemacht“. Einen Halt zu suchen in unserer rastlosen Welt, ist der Wunsch vieler. Das Ich in Cans titelgebendem Langgedicht erschafft sich eine solche haltgebende Stelle. Von dort startet das Gespräch mit sich selbst, der Dialog mit anderen, Reflexionen und Illusionen, die Vorstellungskraft und Fantasie des Ich. Cans Gedichte, originell und eindringlich, fragen nach unserem Platz in der Welt, spüren dem Leben und der Liebe nach, setzen sich im Kopf und im Herzen fest.
Von übersehenen Schriftstellerinnen
Neben bekannten Namen wie Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger waren viele weitere Autorinnen Teil der legendären Treffen der Gruppe 47, doch ihre Stimmen sind oft in Vergessenheit geraten. Das hat Nicole Seifert (*1972), promovierte Literaturwissenschaftlerin, Verlagsbuchhändlerin, Übersetzerin und Autorin, interessiert, so dass sie darüber ein Buch geschrieben hat. Titel: „einige Herren sagten etwas dazu“. Die Schriftstellerin ist am Donnerstag, 20 März (19 Uhr, Hermann-Levi-Saal des Gießener Rathauses) beim LZG zu Gast. Nicole Seifert beleuchtet die Lebens- und Schaffenswege der übersehenen Schriftstellerinnen, die oft nur als attraktive Begleiterinnen von männlichen Autoren wahrgenommen wurden. Seifert lässt diese Frauen der Nachkriegszeit lebendig werden, macht ihre Arbeit und ihren Einfluss sichtbar und lädt dazu ein, die deutsche Literaturgeschichte aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Bei der Veranstaltung werden Spenden für den Verein Projektgruppe Margaretenhütte e. V. gesammelt, der sich in zahlreichen Projekten für die Anliegen von Frauen in Gießen einsetzt.
Der Zauberberg – die ganze Geschichte“
Thomas Manns „Der Zauberberg“ feierte 2024 das 100-jährige Jubiläum. Sozusagen im Anschluss an diesen literarischen Geburtstag rezitiert am Donnerstag, 3. April (19 Uhr, Margarete-Bieber-Saal, Ludwigstraße 34, Gießen) Norman Ohler (*1970 in Zweibrücken) aus seinem Buch „Der Zauberberg – die ganze Geschichte“. Ein liebeskranker Erzähler reist mit seiner Tochter ins winterliche Davos, zunächst auf der Suche nach Ruhe und Erholung. Doch der Familienurlaub wird zur tiefgehenden Auseinandersetzung mit den Herausforderungen unserer Zeit. Ohler schildert in seinem neuen Werk, einem erzählenden Sachbuch, die Entwicklung der Gemeinde Davos vom armen Bergdorf zu einer globalen Wohlstandsoase und reflektiert über Themen wie die Tuberkulosepandemie, den Klimawandel und die Ursprünge des Skisports. Und wie in Thomas Manns „Zauberberg“ fragt auch er die wirklich schwierigen Fragen: Wie müssen wir unsere Lebensweise anpassen und welche Welt hinterlassen wir künftigen Generationen? Ein nachdenkliches und zugleich inspirierendes Buch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Lesung für die Kinder
Auch bei der Zusammenstellung des Frühjahrsprogramms 2025 hat das LZG-Team um Hannah Brahm (Geschäftsleitung), den 1. Vorsitzenden Prof. Sascha Feuchert und weitere Organisatorinnen und Organisatoren auch an die Kinder gedacht. Annika Klee (*1985 in Mainz) stellt am Montag, 28. April (16 Uhr, Pausenraum des Gießener Rathauses) den inzwischen siebten Band in der Wunderbare -Wesen-Reihe vor. Die Reihe macht Mut und lässt uns an unsere Träume glauben. Im Fokus steht in jedem Band ein anderes Kind aus Frau Wolles Schulklasse, jedes davon einzigartig und wunderbar. Egal ob es verträumt ist wie Smilla, eine Quasselstrippe wie Yumi oder schüchtern aber mutig wie Tom. Der neue Band der Reihe heißt „Glücksbringer“.
Näheres über das Programm erfährt man im gedruckten Heft oder online (www.lz-giessen.de//). Man kann sich dort auch über Eintrittspreise und Anmeldemöglichkeiten informieren.
Titelbild: Der Toast Hawaii wurde 1955 von dem Fernsehkoch Clemens Wilmenrod vorgestellt. (Ob er auch der Erfinder ist, ist eine andere Frage). Das auch heute noch populäre Gericht spielt in dem Buch „Deutsche Dinge – Eine Geschichte in 75 Objekten“ von Andreas Matlé eine Rolle. Matlé stellt sein Buch in Gießen vor. (Fotoquelle: Wikipedia, Rainer Z….)