Die neue Chefin Antje von der Heide
Von Corinna Willführ
Antje von der Heide ist die neue Chefin der Polizeidirektion Friedberg. Seit 1. Oktober 2021 steht die 52-jährige in der Spitze der personalstärksten Direktion im Polizeipräsidium Mittelhessen. Sie will ihre 300 Kolleginnen und Kollegen bestmöglich einsetzen und dabei deren Kompetenzen und Bedürfnisse berücksichtigen.Antje von der Heide kennt das Dorf und die Großstadt. Die Theorie vom Studium und als Referentin im Hessischen Innenministerium. Die Praxis als Bereitschaftspolizistin, Streifenbeamtin und Kriminalbeamtin in Wiesbaden, Frankfurt und Offenbach. Zuletzt wir sie sieben Jahre Leiterin der Polizeidirektion Bad Homburg (Hochtaunuskreis). Ihre neue Dienststelle im Grünen Weg in Friedberg ist für sie eine „neue Herausforderung“.
Beweise sammeln, Täter ermitteln
In ihrem Büro im Grünen Weg trägt Antje van der Heide zivil, wie auch bei Repräsentationsaufgaben. Im Einsatz Uniform – mit drei goldenen Sternen auf der Schulter. Sie wächst mit zwei älteren Brüdern in einem Dorf in der Nähe von Korbach im Kreis Waldeck-Frankenberg auf. Ihr Vater arbeitet bei Conti, die Mutter ist kaufmännische Angestellte. Mit ihr sieht Antje van der Heide schon als Mädchen „Aktenzeichen XY“. „Beweise sammeln, Täter ermitteln, davon war ich fasziniert. Ich wollte schon früh Kommissarin werden.“ Vielleicht entscheidend, dass sie sich zunächst aber nicht für ein Studium entschied, war „eine Ehrenrunde in der 12. Klasse“, wie sie sagt. „Was ich da von meinen Mitschülern gesehen habe, die nach dem Abi direkt zur Uni gegangen sind. Das schien mir damals für mich zu abgehoben.“ Sie entscheidet sich für eine Ausbildung: bei der Polizei.
1990 beginnt sie ihre Laufbahn. Die Bereitschaftspolizei in Mainz-Kastel ist eine ihrer ersten Stationen, Einzeldienste in Wiesbaden und Frankfurt folgen. Fünf Jahre später dann die Entscheidung, von der Schutz- zur Kriminalpolizei zu wechseln. Und schließlich, um in den gehobenen Dienst zu kommen: doch zu studieren. 2000 legt sie ihre zweite Fachprüfung ab, wird direkt Oberkommissarin, 2005 dann der Abschluss für den höheren Dienst an der Polizeiführungsakademie. Bis heute sind ihr die Erfahrungen aus ihrer Ausbildung in den 1990er Jahren noch präsent: „Da gab es massive Vorbehalte gegenüber weiblichen Beamten.“ Bei Einsätzen habe mitunter mehr die körperliche Statur gezählt als die Kompetenz. Das hat sich aus Sicht der Kriminaldirektorin positiv verändert: „Gerade, wenn es um Einsätze bei Gewalt im häuslichen Umfeld geht, kann der Einsatz von einem Duo mit männlicher und weiblicher Besetzung deeskalierend wirken.“ wirken.“
Prävention ist ihr wichtig
Häusliche Gewalt, vor allem auch Sexualdelikte, insbesondere gegen Kinder, sind der 52-Jährigen ein besonderes Anliegen. Ist ihr doch eine Begebenheit unvergessen. „Als ich bei der Kriminalinspektion K 13 in Frankfurt arbeitete, hatte ich ein sehr langes Gespräch mit einem siebenjährigen Mädchen aus Südamerika, das von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht worden war. Dabei entstand eine sehr positive Beziehung. Als ich sie zurück zu der Wohnung ihrer Mutter im Frankfurter Bahnhofsviertel begleitete, stellte sie mich ganz unumwunden allen vor, die sie dort kannte: ‚Das ist meine Freundin, die Polizistin.“
Als Vertreter der Staatsgewalt in einem als verdächtig kriminellem Milieu nicht willkommen zu sein, das wundert kaum. Doch mit Sorge betrachtet Antje van der Heide die Entwicklung, von der ihr Kolleginnen und Kollegen auch von Einsätzen in der Wetterau, etwa bei den sogenannten Montagsspaziergängen von Gegnern der Corona-Einschränkungen berichten: „Da gibt es respektlose Bemerkungen, Beleidigungen, verbale Angriffe aus der Bevölkerung.“ Ein zunehmender Verlust der Anerkennung von Beamten als Autoritätspersonen sei auch bei Jugendlichen festzustellen, so die Leiterin der Polizeidirektion Friedberg.
Insbesondere in der Prävention sieht Antje van der Heide ein wichtiges Arbeitsfeld: Prävention als Kriminalitätsverhütung bei allen Altersstufen. Dazu gehört etwa auch, dass Bank-Angestellte besser aufgeklärt werden, was zu tun ist, „wenn etwa ein Senior plötzlich sein gesamtes Geld vom Sparkonto abheben möchte.“ Denn der sogenannte „Enkeltrick“ wirkt leider immer noch. Für die Zukunft sieht die Wetterauer Kriminaldirektorin eine wichtige Aufgabe auch in der Vorbeugung von Straftaten, die im Internet begangen werden – und in verstärkten Kontrollen, um dem „Kräftemessen“ mit getunten Fahrzeugen Einhalt zu gebieten. Sehr positiv entwickelt sich im Wetteraukreis die Teilnahme der Kommunen am KOMmunalProgrAmmSicherheitsSiegel des Hessischen Innenministeriums, kurz „Kompass“, an dem sich mittlerweile acht Wetterauer Kommunen beteiligen.
Vertrauen aufbauen
Ob nach Innen oder Außen: Antje van der Heide setzt auf Kommunikation, zu der auch konstruktive Kritik gehört, sie „will Prozesse offen gestalten“ und „Vertrauen aufbauen.“ Daran hat die 52-Jährige in den ersten Monaten ihrer Zeit in Friedberg bereits in vielen Gesprächen gearbeitet. „Das war nicht immer leicht“, räumt sie ein. Zumal die Leitungsfunktion in der Polizeidirektion Friedberg in wenigen Jahren zum dritten Mal neu besetzt werden musste. Antje van der Heide: „Meine Bilanz nach fünf Monaten: Ich fühle mich hier sehr positiv aufgenommen, rundum wohl und blicke zuversichtlich in die Zukunft.“
Auch privat: Denn sobald sie nach einer Knie-Operation wieder ohne Gehhilfen laufen kann, will sie sich auf eine weitere Teilnahme mit der Triathlon-Abteilung der Frankfurter Eintracht vorbereiten – über die Distanz von 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10 Kilometer Laufen. Ein ehrgeiziges Ansinnen, an dessen Erfolg man kaum zweifeln wird, nachdem der Blick auf eine Urkunde vom Internationalen Njimegen-Lauf gefallen ist. Den hat Antje van der Heide bereits mehrfach absolviert: vier Tage lang hintereinander 40 Kilometer rund um die holländische Stadt laufen. Aus Holland stammt ihr Großvater. „Bis zu meiner Einbürgerung im Alter von zehn Monaten war ich noch Holländerin“, sagt sie mit einem Augenzwinkern „ich bin also eine Beamtin mit Migrationshintergrund.“
Zu ihrem Dienstantritt im Oktober hatte Polizeipräsident Bernd Paul dem „schönen Landkreis“ (Wetterau) bescheinigt: „mit Antje van der Heide eine Direktionsleiterin mit Durchsetzungskraft, analytischem Geschick und einem Händchen für den persönlichen Umgang mit Menschen“ zu bekommen. Ein Lob, dem Antje van der Heide Taten folgen lassen will, denn „kritisieren ist eine Sache, etwas besser machen die andere.“ Antje van der Heide lebt mit ihrer Ehefrau im südlichen Lahn-Dill-Kreis.
Zur Frage, welche Anforderungen und Aufgaben sie durch den Ukraine-Krieg auf ihr Team in der Wetterau in puncto Aufnahme von Geflüchteten, Objektschutz und Sicherheitsmaßnahmen zukommen sieht, antwortet Antje van der Heide: „Die Aufnahme von Vertriebenen regelt in Hessen das Regierungspräsidium Gießen. Wir beobachten im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine aufmerksam mögliche Auswirkungen auf die Sicherheitslage, stehen im ständigen Austausch mit den Verantwortlichen und passen Schutzmaßnahmen gefährdeter Personen und Objekte lageabhängig an. Darüber hinaus wollen wir natürlich, wie ein Großteil der Bevölkerung auch, den Vertriebenen Menschen aus der Ukraine das Gefühl geben, hier willkommen zu sein und sich bei uns sicher zu fühlen.“
Titelbild: Antje von der Heide vor der Polizeidirektion in Friedberg.