Oberhessensteig




„Die tägliche Last löst sich auf“

Von Klaus Nissen

In der Serie über den zur Landesgartenschau entstehenden Oberhessensteig hat der Neue Landbote schon über das Projekt und zwei Tagesetappen berichtet. Hier ein Porträt über den rührigen Erfinder des neuen Weitwanderweges. Er heißt Peter Dubowy und lebt in Büdingen.

Arbeitsvermittler wird Wander-Profi

Peter Dubowy ist kein Mann für halbe Sachen. „Ich mache ein Ding ganz oder gar nicht“, sagt der Büdinger. In seinem jüngsten Projekt hat der 66-Jährige mit seinen Ideen und seinem Engagement einen Fernwanderweg auf den Weg gebracht: den Oberhessensteig.

Der Erfinder des Oberhessensteigs ist ein zugewandter Mensch. Und ein Optimist. „Ich sehe immer das halbvolle Glas“, sagt der Büdinger Peter Dubowy. Foto: Nissen

Die über hundert Kilometer lange Route verbindet die Orte und Landschaften, die den Charakter der ersten interkommunalen Landesgartenschau 2027 in Oberhessen für alle interessant macht, die diese zu Fuß erkunden wollen. Wer ist der Mann hinter der Idee?

Mit 62 gibt Peter Dubowy 2020 nach mehr als 40 Berufsjahren seinen Job auf. Der gebürtige Büdinger fing nach der Schule beim Arbeitsamt als Azubi an. Später war er Berater, Arbeitsvermittler, Agenturleiter in Schlüchtern, im Raum Fulda und Bad Langensalza. Zuletzt leitete er 16 Jahre lang das Jobcenter des Lahn-Dill-Kreises. Morgens fuhr er von Büdingen über Altenstadt auf der A 45 nach Wetzlar, abends zurück. Ein Arbeitstag dauerte für ihn zwölf bis 13 Stunden – ziemlich aufreibend.

Doch der Mann mit der grünen Brille und dem dichten weißgrauen Igelhaarschnitt schüttelt den Kopf. Er habe die Arbeit nicht aus Erschöpfung hinter sich gelassen. Sondern um mehr Zeit für seine Familie und für neue Herausforderungen zu haben. Erschöpft und existenziell bedroht – das seien eher die Kundinnen und Kunden des Jobcenters gewesen. Denn wer auf Hartz IV oder jetzt das Bürgergeld angewiesen ist – der sei existenziell bedroht.

Zuerst Läufer, dann Wanderer

Als Chef des Jobcenters sah er seine Aufgabe darin, den Hilfesuchenden klar zu machen, dass sie ihr Leben selber gestalten können. Dazu brauchten sie seiner Meinung nach ein „motivierendes Interesse“ an sich, ihrer Zukunft – und ihrer Umwelt. Jeder Mensch könne abends beim Überdenken des Tages mindestens drei Dinge finden, die ihm an diesem Tag gelungen seien. Und dann lernen, wie man sich Erfolgserlebnisse verschaffen kann. „Ich sehe das halbvolle Glas“, sagt Dubowy. „Nur der glückliche Mensch wird erfolgreich. Das Glücklichsein kann man trainieren.“

Der Vogelsberger Höhenclub betreut und markiert dutzende Wanderwege. Hier eine Auswahl der Markierungen in der östlichen Wetterau. Foto: Nissen

Was macht denn glücklich? Zum Beispiel Bewegung, der Sport. Bis vor zwölf Jahren ist Peter Dubowy noch Marathon gelaufen. Dann protestierten die Knie. Also ging der Büdinger wandern – seine Ehefrau Eva war schon länger Mitglied des Vogelsberger Höhenclubs. Beim VHC-Zweigverein Büdingen ist Peter Dubowy mittlerweile Pressewart – und Erfinder des Oberhessensteigs. Der 146 Kilometer lange Rundweg durch Oberhessen verbindet die elf Kommunen der Landesgartenschau 2027 miteinander. Schon in 2026 soll er beschildert sein, hofft Dubowy.

Oberhessensteig verbindet Landesgartenschau-Kommunen

Vor zwei Jahren stellte der nun 66-Jährige gemeinsam mit dem Büdinger VHC-Zweigvereinsvorsitzenden Thomas Dietrich seine Ideen dem Trägerverein der ersten interkommunalen Landesgartenschau in Hessen vor. Dessen Vorsitzende Henrike Strauch, Geschäftsführer Florian Herrmann, die Bürgermeister der Kommunen und die Wirtschaftsförderung Wetterau nahmen die Idee auf. Der Oberhessensteig kommt nun zum bestehenden, recht dichten Netz der regionalen Wanderwege hinzu. Ein Fachbüro legt gerade Details der Wegführung fest. Es gilt, mit Waldbesitzern und Kommunen zu sprechen, die Standorte für Infotafeln und Ruhebänke festzulegen, ein Logo und eine Vermarktungsstrategie für den Oberhessensteig zu schaffen.

Das rostige Gebäude im Hintergrund ist das Glauburger Keltenmuseum. Und darin steht die echte Sandsteinstatue des nebenan beigesetzten Keltenfürsten – bewacht von diesen Kunststoff-Repoduktionen. Das Museum ist eine der Attraktionen am Oberhessensteig. Foto: Nissen

Peter Dubowy ist froh, dass er damit nicht viel zu tun hat. Ihn reizt eher der sportliche Aspekt. Er hat überlegt, welche Route die besten Aussichten und Sehenswürdigkeiten Oberhessens bringen würde. Er lief alle Etappen zur Probe ab und zeichnete deren Verlauf als gpx-Datei auf. Der bisherige Verlauf des Oberhessensteigs ist auf dem Wanderportal komoot abrufbar. Zuletzt lief Familie Oltmann aus Büdingen mit Freunden die ganze Strecke in zwölf Tagesetappen gegen den Uhrzeigersinn ab.

Jede Menge Wander-Markierungen

Im fünften Jahr nach dem Schreibtischjob verbringt Rentner Dubowy seine Tage an der frischen Luft. Er steigt aufs Fahrrad, um Wege zu markieren. „Ich packe am Tag 15 bis 18 Kilometer“, berichtet er. Es sei schon eine Schinderei, bergauf und bergab mit Hammer und Nagel die vielen Wegweiser an den Bäumen zu befestigen oder per Schablone und Pinsel die Farbmarkierungen zu erneuern. Der Büdinger VHC markiert mehrere hundert Kilometer Wanderwege zwischen Bergheim, Wächtersbach und Langenselbold. Dazu gehört auch der durch diese Region verlaufende Teil des Bonifatiusweges von Mainz nach Fulda.

Wenn Peter Dubowy von der „Schinderei“ des Markierens erzählt, klingt er eher stolz als erschöpft. Er ist gut trainiert. Und liebt die Langstrecke. So gehört Dubowy zu den Organisatoren des Wanderprojekts „Keine Gnade für die Wade“. Im September 2024 brachen in Gründau Hunderte ab 7 Uhr früh zu Rundtouren über vier, 15, 30 und 60 Kilometer auf. Mehr als 60 Kilometer am Stück könne er wegen seiner lädierten Knie leider nicht laufen, bedauert Dubowy.

Der Oberhessensteig ist nicht an einem einzigen Tag zu schaffen.

Es bleibt ja die Möglichkeit, Weitwanderungen über mehrere Tage oder Wochen zu machen. Darüber kann man sich mit dem Mann stundenlang unterhalten. Es gibt zahlreiche Menschen, die es toll finden, regionale Weitwanderwege zu laufen. Wie etwa die Bonifatius-Route, den Hessenweg von Gießen über den hohen Vogelsberg nach Alsfeld. Den Lutherweg von Worms durch die Wetterau nach Eisenach. Oder gar den 7100 Kilometer langen Europäischen Fernwanderweg E1 vom Nordkap durch die Wetterau bis Sizilien. Nicht zuletzt die Etappen des Jakobswegs, die durch die Region führen.

Was ist so toll an solch tagelangen, wochenlangen, Kräfte zehrenden Touren? Peter Dubowy: „Die tägliche Last löst sich auf. Du hast nur noch dafür zu sorgen, dass es dir gut geht und dass du morgen weiter laufen kannst. Und du kommst an mystische Orte.“ Aber das lasse sich schwer beschreiben. Man müsse es erleben.

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