Wetterauer Neonazis mischen mit
Bis an die Zähne bewaffnete Neonazis üben sich munter im Schießen üben und reisen dafür auch ins Ausland. Davon erfährt man im Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Hessischen Landtags. Wetterauer Rechtsextreme mischen dabei kräftig mit.Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) ermordete zwischen 2000 und 2007 aus rassistischen Motiven neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin, beging 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Der Hessische Landtag richtete einen Untersuchungsausschuss ein, um die Rolle des Hessischen Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem NSU zu prüfen. Der Bericht des Ausschusses, offizielle „Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen im Jahr 2012 im Hessischen Landtag“, wurde als geheim eingestuft und sollte eigentlich unter Verschluss bleiben. Nun hat das ZDF Magazin Royale von Jan Böhmermann die Akten veröffentlicht.
NPD-Funktionäre mittendrin
Über den Wetterauer NPD-Funktionär Stefan Jagsch, der gerade zum Landesvorsitzenden der extrem rechten Partei gewählt worden ist, heißt es in dem Bericht, er habe sich im Braunen Haus in Jena aufgehalten und dort „bei einer Veranstaltung mit Beate Zschäpe gesprochen“. Zschäpe gehörte zum NSU und wurde als Mittäterin bei der Ermordung von zehn Menschen zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Braune Haus in Jena wurde von Ralf Wohlleben geführt, der wegen Beteiligung an den NSU-Morden zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde.
Mit Marcel Wöll taucht ein weiterer Wetterauer NPD-Funktionär in dem Bericht auf. Wöll saß für die NPD im Wetterauer Kreistag und war auch NPD-Landesvorsitzender. „Marcel Wöll erkundigt sich, wie man aus Düngemittel Ammoniaknitrat gewinnen könne“, heißt es in dem Bericht. Und: „Ammoniaknitrat wird zur Herstellung von Sprengstoff verwendet.“ Weiter wird berichtet: „Am 08./09.08.09 sollen neun rechtsextremistische Personen davon 8 aus Hessen, darunter M. Wöll, an einer Schießübung in Eger teilgenommen haben.“ Bereits im September 2003 war Wöll als Teilnehmer einer „Wehrsportübung“ der Nationalen Kameradschaft Frankfurt auf einem Zeltplatz in Heimbuchental im Kreis Aschaffenburg polizeilich festgestellt worden. „Die Teilnehmer waren z.T. mit Tarnanzügen bekleidet. Bei einer daraufhin erfolgten Durchsuchungsmaßnahme wurde ein umfangreiches Waffenarsenal aufgefunden (gestohlener Bodenfeuchtkörper der Bundeswehr, Präzisionsschleudern, Gotchawaffen, Butterflymesser). Bei der Übung sollen, u.a. Zwillenschießen und Handgranatenzielwurf vorgesehen gewesen sein“, wird berichtet.
Verfassungsschutz arbeitet katastrophal
Die Antifaschistische Bildungsinitiative (Antifa-BI) ist entsetzt über den Bericht, weil die dort „zu findenden Erkenntnisse sowie die deutlichen Lücken zeigen, dass die Bedrohung durch Nazis in Hessen erschreckend stark ist und die Arbeit des Verfassungsschutzes katastrophal war“. Die im Bericht für Hessen aufgelisteten rund 390 Informationen zu Waffen und Sprengstoff in der Nazi-Szene seien „meistens nicht einmal bearbeitet geschweige denn verfolgt worden“, schreibt die Antifa-BI in einer Pressemitteilung.
Seit gut 15 Jahren beobachtet die Antifaschistische Bildungsinitiative die extrem Rechten in Hessen und speziell im Wetteraukreis. Sie gehört dem Beratungsnetzwerk Hessen an und war zu Expertenanhörungen im Hessischen Landtag eingeladen. Die im NSU-Bericht aufgeführten und von ihr recherchierten Vorfälle zeigen laut Antifa-BI, dass der Wetteraukreis „in Bezug auf militante Neonazis eine bundesweite Hochburg darstellt“.
Militantes Neonazi-Netzwerk
In Echzell gab es eine Hofreite aus dem Kontext der „Old Brothers“, führt die Antifa-BI an. Der erste Old-Brothers-Laden sei als »Combat 18 Supporters Shop« geführt worden. Combat 18 ist der militante Arm des in Deutschland verbotenen militanten „Blood and Honour“ Neonazi- Netzwerkes. Gegen die Old Brothers und ihren Chef, der sich „Schlitzer“ nannte, sei umfangreich – auch wegen Waffen – ermittelt worden und es seien mehrjährige Haftstrafen ausgesprochen worden.
In Butzbach habe es mit „Volksfront Medien“ und „Media pro Patria“ bundesweit bedeutende Neonazi-Video-Portale gegeben. Mit Titeln wie „Deutscher, Augen auf, Du bist im Krieg“ seien vor allem militante und aktionsorientierte Neonazis angesprochen worden. Die Macher seien aus dem Umfeld von Marcel Wölls „Nationalem Zentrum“ in Butzbach Hoch-Weisel gekommen. Kevin S., einer der Butzbacher Akteure, habe nicht nur Kontakte nach Jena gehabt. Gegen ihn sei auch wegen versuchten Mordes mit einem Klappspaten an einer 13-jährigen ermittelt worden. Er sei dafür zu zwei Jahren Haft verurteilt worden.
Titelbild: Eine der bei der NSU-Mordserie verwendeten Tatwaffen. (Foto: Wikipedia)
Danke für diese journalistische Arbeit.Manche Menschen, in meinem Umfeld, wollen nicht glaubrn wie gross die rechte Gefahr ist.