Engagierter Einsatz für die Gleichstellung
Mit dem Inkrafttreten der zweiten Stufe des Bundesteilhabegesetzes 2018 erlangten Menschen mit Behinderung mehr Mitbestimmungs- und Vertretungsrechte. Eine Facette dieser positiven Entwicklung ist die Einführung von Frauenbeauftragten, etwa in Werkstätten für behinderte Menschen der Lebenshilfe Gießen. Hier setzen sich Frauenbeauftragte für die Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen und Männern ein. Der 8. März – der Internationale Frauentag, der bereits seit über 100 Jahren begangen wird – fördert das Bewusstsein für dieses wichtige Anliegen.Als Lebenshilfe-Frauenbeauftragte ist auch Aygül Pulina aktiv, wie Christian Nemeth, Pressesprecher der Lebenshilfe Gießen, berichtet. Seit drei Jahren agiert Aygül Pulina – zusammen mit ihrer Kollegin Sigrun Krauss – in dieser Funktion in den Gießener Reha-Werkstätten (Standorte Mitte und West). In beiden Rehabilitationseinrichtungen für Menschen mit chronisch-psychischen Erkrankungen sind insgesamt 238 Personen beschäftigt, davon ein Drittel Frauen.
Außerdem ist Aygül Pulina – die im Rahmen ihrer alltäglichen Werkstatt-Arbeit in der Adressverwaltung arbeitet und sich ferner um Spendenbuchungen der Oldtimerspendenaktion kümmert – Sprecherin der Gruppe aller Werkstatt-Frauenbeauftragten des gemeinnützigen Unternehmens.
„Es geht um Wertschätzung“
„Der Weltfrauentag am 8. März ist für mich sehr wichtig. Ich stamme aus Mazedonien und bin mit neun Jahren nach Deutschland gekommen. Ich kann mich gut daran erinnern, dass meine Mutter am Frauentag mit ihren Freundinnen losgezogen ist, um zu feiern. Die Männer sind zu Hause geblieben. Das ist in einem muslimisch geprägten Land etwas sehr Ungewöhnliches“, erzählt Aygül Pulina.
Für sie geht es beim Weltfrauentrag vor allem um Wertschätzung für Frauen. „Deswegen werden wir am 8. März Rosen an die Frauen verteilen. Eine Feier können wir dieses Jahr leider nicht machen“, bedauert Pulina. Für den Sommer oder Herbst planen die Frauenbeauftragten aber eine Kino-Vorführung in den Hessenhallen. Es soll um das Thema Sexualität und Behinderung gehen.
Einsatz zum Schutz der Frauenrechte
Aygül Pulina und ihre Kollegin Sigrun Krauss bemühen sich in den Reha-Werkstätten darum, feste Beratungsangebote einzurichten. Bisher suchen die Kolleginnen eher die beiläufige persönliche Ansprache zu unterschiedlichen Themen. Die Hauptaufgaben der Frauenbeauftragten bestehen darin, so Pulina, Angebote zu schaffen, um etwaige Differenzen zu schlichten.
Für den besonderen Schutz der Frauenrechte in Werkstätten stehen die Frauenbeauftragten täglich ein und sehen sich dabei gut unterstützt durch die Werkstattleitungen und die übrigen Fachkräfte. Aygül Pulina freut sich darüber, dass ihre Aufgabe innerhalb der Lebenshilfe Gießen sehr ernst genommen wird: An zwei Tagen in der Woche ist sie für die Arbeit als Frauenbeauftragte freigestellt, zusammen mit ihrer Kollegin hat sie ein eigenes Büro.
Aufklärung über soziale Rechte
Aygül Pulinas Anliegen ist es, ihre Kolleginnen zu ermuntern, ihre Rechte wahrzunehmen. Dazu gehört auch, dass die Frauen über ihre soziale Absicherung aufgeklärt werden. Entsprechend plant Pulina für den Sommer ein Frauen-Café, bei dem über das Thema Rente gesprochen wird. „Das Amt als Frauenbeauftragte ist für mich eine Herzensangelegenheit. Ich möchte dazu beitragen, dass Frauen ernstgenommen werden, dass sie akzeptiert und respektiert werden“, beschreibt Pulina ihre Motivation.
Marc Apfelbaum, Bereichsleiter Soziales im Bereich Arbeit und Bildung, betrachtet die Frauenbeauftragten als wesentlichen Baustein der Selbstvertretungen in den Werkstätten neben dem Werkstattrat: „Sie stärken die Rolle und Rechte der Frauen gegenüber der Werkstattleitung sowie im gesamten Kollegium. Sie sind ein bedeutender Faktor hinsichtlich des Gleichstellungsgedankens – hierbei wirken sie mit ihren Impulsen und Anregungen auch über den Kontext der Arbeit hinaus.“