Keltenwelt am Glauberg

App macht unsichtbares sichtbar

Von Corinna Willführ

Auf ihr jüngstes digitales Angebot macht die Keltenwelt am Glauberg ihre Besucherinnen und Besucher bereits am Eingang aufmerksam: ihre gebührenfreie AR-App. In wenigen Schritten lässt sich die Augmented-Reality-Anwendung (Computer gestützte erweiterte Realität) vor Ort auf Smartphones oder Tablets downloaden.

Die App ermöglicht bei einem Spaziergang durch den Archäologischen Park „nicht mehr vorhandene Strukturen und Bauten wieder auferstehen zu lassen und diese Rekonstruktionen in die Umgebung der Nutzerinnen und Nutzer einzublenden.“ Zum Beispiel an der Fundstelle der Statue des Keltenfürsten. Voraussichtlich Ende des Jahres wird die Keltenwelt am Glauberg ihren Gästen auch die Möglichkeit bieten, sich mittels Virtual Reality etwa in einer keltischen Wohnung umzusehen.

Marc Grellert von der TU Darmstadt zeigt beispielhaft eine digitale Rekonstruktion. (Fotos: Corinna Willführ)

Wie Archäologie funktioniert

Lebensweise und Lebenswelt der Menschen, die vor 2400 Jahren auf dem Glauberg siedelten, mit den technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts darzustellen: eine Aufgabe, die die Keltenwelt am Glauberg konsequent verfolgt. Wie etwa ihre umfangreiche Mediathek zu den Kelten oder auch die aktuelle Ausstellung „3D-Scanning in der Archäologie“ zeigen. In Kooperation mit der Technischen Universität Darmstadt und unterstützt vom Land Hessen sind nun in den vergangenen Monaten zum einen eine App für die Besucherinnen und Besucher entwickelt und zum anderen ein Virtual Reality-Projekt auf den Weg gebracht worden. „Es war schon lange unser Wunsch, stärker ins Digitale zu gehen“, so Museumsdirektorin Dr. Vera Rupp, nicht zuletzt um das Vermittlungskonzept des Museums „wie funktioniert Archäologie, wie arbeiten Archäologen“ mit modernster Technologie zu transportieren. „Wir sind schneller im 21. Jahrhundert angekommen, als wir erhofft hatten“, so Landesarchäologie Professor Dr. Udo Recker auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Projekte. Denn in dem Landesmuseum wurde die Corona bedingte Zwangspause ohne Öffnungszeiten für Publikum effektiv genutzt, „sonst wäre dies nicht in dieser Geschwindigkeit möglich gewesen.“

Wie man an die App kommt, erläutert eine Info-Tafel am Eingang des Museums.

Zunächst sind es sechs Stationen im Archäologischen Park, an denen es über die App Informationen zu Ausgrabungen, Befunden und den Prozess der digitalen Rekonstruktion gibt. Die App auf Smartphones oder Tablets downloaden kann man nur vor Ort, indem man sich in das W-Lan-Netz der Keltenwelt unter „KWG Gast“ anmeldet (kein Passwort nötig), dann entweder den QR-Code scannt oder in Google oder dem Apple Play Store nach „Keltenwelt AR“ sucht und die App so installiert. Und schon kann es losgehen. „Die Keltenwelt AR bietet dabei keine eindeutigen Rekonstruktionslösungen an, sondern zeigt auf, das mehr als eine Rekonstruktionsvariante möglich und wahrscheinlich ist. Denn „allzu oft wird dabei dem Umstand, dass die für eine seriöse Rekonstruktion benötigten Grundlagen nicht im ausreichenden Maße vorhanden sind“ keine Rechnung getragen.

In die Welt der Kelten einsteigen

Noch einige Monate gedulden müssen sich die Besucherinnen und Besucher der Keltenwelt, um mittels Virtual Reality im wahrsten Sinne des Wortes in die Welt der Kelten einzusteigen. Zwar arbeitet das Team unter Leitung von Marc Grellert von der Technischen Universität Darmstadt (Fachgebiet Digitales Gestalten), der Archäologin Ruth Beusing (TU Darmstadt) und Keltenwelt-Forschungszentrumsleiter Axel G. Posluschny bereits seit Monaten an den Darstellungen der virtuellen Welt vor 2400 Jahren, bei der alle 3D-Modelle virtuell „gebaut“ werden. Sei es die Bettstatt eines Kelten, seine Feuerstätte oder eine Mauer. Bis Ende des Jahres, hofft Grellert, die Arbeiten abschließen zu können. „Wir denken uns dabei keine schöne Welt aus.“ Greller hat bereits zahlreiche renommierte Virtual-Reality-Projekte etwa den Vatikanischen Palast in Rom, Frankfurter Synagogen oder den Moskauer Kreml fertiggestellt hat. Für den Dr. Ing. gibt es „kein besseres Medium, um verlorene Architektur zu zeigen. Das ist das Konzept der Zukunft.“ Das indes ebenso wie bisherige Darstellungsformen von Forschungen oder Ausgrabungen wissenschaftlich belegt sein muss, wie Axel G. Posluschny betont. „Wir werden keine Realität vermitteln, die wir nicht beweisen können.“ Aus diesem Grund sei es auch wichtig, den Erkenntnisweg für den Nutzer aufzuzeigen und so Wissenschaft nachvollziehbar zu machen. Gewünscht sind auch der Austausch mit den Nutzern und die Offenheit für Ergänzungen und Änderungen. „Eine hundertprozentige Rekonstruktion wird es aber nicht geben können.“

„Ich seh‘ etwas, was Du nicht siehst“: Mittels 3 D-Brille weilt Staatssekretärin Ayse Asar in der Virtual Reality der Keltenwelt, wo sich die „Exponate“ auch anfassen lassen und man nach Wunsch zu verschiedenen Objekten Informationen erhält.

Ayse Asar, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die bei ihrem ersten Besuch in der Keltenwelt die erste sein durfte, die sich im aktuellen Stand der virtuellen Keltenwelt per 3D-Brille umsah, war ebenso fasziniert von der Technologie wie Glauburgs Bürgermeister Carsten Krätschmer und Werner Erk, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Glauberg. „Die neuen digitalen Formate eröffnen und erleichtern den Zugang zu Kulturgütern“, so die Staatsministerin. Insbesondere auch für die jüngere Generation. Um die Digitalisierung als einen „neuen Weg der Kulturvermittlung“ weiter auszubauen, stellt die hessische Landesregierung zehn sogenannte Digitalkuratoren ein. In der Keltenwelt am Glauberg hat Christoph Roeder diese Aufgabe seit kurzem inne. Bedenken, dass sich das Angebot, sich die Keltenwelt per App anzusehen, negativ auf die Besucherzahlen auswirken könne, hat weder die Politikerin noch die Wissenschaftler. Vielmehr herrscht unter ihnen die Überzeugung, „dass das Digitale Lust auf die Originale macht.“

keltenwelt-glauberg.de

Titelbild: In natura zu sehen sind seit kurzem wieder die von vielen vermissten Eichenpfosten am Grabhügel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert