Grüne Jugend

„Menschen mögen nicht miteinander reden“


Es klingt trotzig: „Wir gehen nicht! Wir bleiben und kämpfen!“ Das postete die Grüne Jugend Wetterau kurz nach dem Abgang ihres Bundesvorstandes und diverser Landesvorstände. Die Öko-Partei schwächelt. Auf Instagram bekamen die Jungpolitiker um den Karbener Lindon Zena 117 Likes für ihre Durchhalteparole. Anlass genug, um mit dem 25-Jährigen zu reden.

Grüne Jugend will Partei retten

Wofür wollen die jungen Grünen kämpfen? Bleiben sie mit ihrem Engagement für Blumenwiesen nicht unter ihren Möglichkeiten? Müssten sie nicht frecher werden, wenn der Klimawandel alle anderen Bedrohungen in den Schatten stellt?

Dieses Poster verffentlichte die Grüne Jugend Wetterau auf Instagram. Und erläuterte es mit einem für dieses bilderlastige Medium, erstaunlich langen Text.

Lindon Zena wuchs in der Wetterau auf. Zu den Grünen stieß er 2019 unter dem Eindruck des Nazi-Attentats auf Walter Lübcke. Seit 2021 ist er Mitglied der sechsköpfigen Grünen-Fraktion im Karbener Stadtparlament. stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher und Mitglied im Ältestenrat und im Ausschuss für Jugend, Soziales und Kultur. Zena fungiert als Co-Sprecher des Grünen-Ortsverbandes Karben und Vorstandsmitglied der Grünen Jugend Wetterau. Daheim in Okarben engagiert er sich in der Freiwilligen Feuerwehr. An der Frankfurter Uni studiert er Politik und Geschichte.

Als Treffpunkt für das Interview am frühen Abend hat Lindon Zena das Café des Bio-Supermarktes gegenüber dem Karbener Rathaus vorgeschlagen. Das sei praktisch, denn danach könne er schnell weiter in die nächste Sitzung. Der Jung-Grüne mit dem kurz geschnittenen Blondschopf findet Abendsitzungen gut. Aus einfachem Grund.

Viele Junge Leute haben Angst vor den Grünen

Herr Zena, Wie fühlen Sie sich, wenn die Leute schreiend vor Ihnen weglaufen?

Das wäre nicht schön. Aber hier ist es nicht so dramatisch.

Sie haben leider durchschaut, worauf ich hinaus will. Laut der Jugendwahlstudie für 2024 haben 25 Prozent der westdeutschen und 30 Prozent der ostdeutschen Erstwähler Angst vor den Grünen. Leute wie Sie würden als „extreme Partei“ wahrgenommen, die ins Leben der Menschen eingreifen will. Warum?


So jung – und schon im Ältestenrat. Lindon Zena ist ein führender Grünen-Politiker in Karben. Den 25-Jährigen lässt es relativ kalt, dass seine Partei aktuell fast so häufig beschimpft wird wie in ihrer Gründungsphase ab 1979. Foto: Klaus Nissen

Es gibt gerade viele Kriege, Krisen, wirtschaftliche Probleme. Und während der Pandemie waren gerade junge Menschen jahrelang in ihren Zimmern eingesperrt. Das hat Ängste befördert und hält die Leute davon ab, über Strategien gegen den Klimawandel nachzudenken. Auch wenn das sehr wichtig ist.

Das machen ja die Grünen. Diese elitären Akademiker, die an allem Schuld sind.

Die AfD und die Nachplapperer von den anderen Parteien pflegen das Feindbild von den Grünen. Die jungen Leute sehen das auf Tiktok, und irgendwann verfängt es. Leider. Aber es bringt nichts, darüber zu jammern.

Warum halten Sie auf Tiktok nicht dagegen? Die Grüne Jugend Wetterau ist auf diesem Kanal nicht präsent.

Das wäre auch sinnlos. Auf Tiktok und den anderen Digitalmedien bewegt man sich in der eigenen Blase. Man diskutiert da nicht mit Leuten, die andere Überzeugungen haben. Die Menschen wollen nicht mehr miteinander reden, auch nicht im wirklichen Leben. Jeder verkündet nur auf allen Kanälen seine eigene Meinung. Auf Bundes- und Landesebene sollte man dafür schon einen guten Tiktok- Kanal haben. Aber im Kommunalen ist die Reichweite ist zu gering.

Doppelt so viele Mitglieder wie 2018

Die Reichweite der Grünen scheint momentan massiv zu schrumpfen.

Das stimmt nicht. Im Wetteraukreis haben wir jetzt um die 450 Mitglieder. Das sind etwa doppelt so viele wie noch 2018.

Aber die Wählergunst schrumpft.

Das ist relativ. Bei der Landtagswahl vor einem Jahr verloren die Grünen in unserem Wahlkreis Wetterau-West zwar 4,5 Punkte, landeten aber immer noch bei 18,2 Prozent.

Bei den Grünen sind vor allem ältere Akademiker aktiv. In Karben wirken Sie und Ihre Fraktion ja noch ziemlich frisch. Doch in der Kreistagsfraktion sitzen vor allem Rentner. Ist überhaupt jemand unter 50 Jahren darunter?

Es ist für eine Partei kein Nachteil, erfahrene Leute auf wichtigen Positionen zu haben. Für junge Menschen und solche, die in der Mitte des Lebens stehen, sind die Mandate auf Kreisebene unattraktiv, weil die Sitzungen dort tagsüber stattfinden. Dann müssen diese Gruppen arbeiten. Hier in Karben tagen die politischen Gremien abends.

Wie viele Mitglieder unter 30 Jahren haben die Wetterauer Grünen?

Es dürften etwa 15 Prozent sein. Wir haben acht bis zehn Aktive in der Grünen Jugend. Das können gerne noch mehr werden. Wir treffen uns immer zweimal im Monat mittwochs in der Friedberger Kreisgeschäftsstelle.

Sind die Wetterauer Jung-Grünen keine Öko-Revoluzzer?

Anders als die Landesvorstände der Grünen Jugend in Berlin, Bayern, Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern bleiben Sie bei den Grünen aktiv. So wie Tarek Al-Wazir, Cem Özdemir, Robert Habeck, die eher für Kompromisse als für linke Politik bekannt wurden. Sind die Wetterauer Jung-Grünen gar keine Öko-Revoluzzer?

Mit dem Begriff kann ich nichts anfangen. Wir scheuen uns nicht, die Verteilungsfrage zu stellen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht zu weit auseinander. Aber wir müssen hier keinen Klassenkampf anfangen. Es bringt nichts, mit einem Parteiaustritt die progressive linke Szene weiter zu spalten. Gerade im ländlichen Raum würden die hier geringen linken Ressourcen noch mehr geschwächt. Mit dem jetzt abgegangenen Bundesvorstand hatten wir auch Meinungsverschiedenheiten.

Warum mühsame Kommunalpolitik machen?

Welche denn?

Zum Beispiel wurde vor der EU-Wahl erstmal die EU kritisiert. Und dann sollten wir einen Wahlkampf für die EU machen. Das passte nicht zusammen. Und dann sagten uns die Berliner Parteifreunde noch: „Macht keine Kommunalpolitik. Das bringt doch nichts“.

Was bringt denn die Kommunalpolitik? Sie ist mühsam.

Mühsam schon, wenn wie hier in Karben die CDU die Mehrheit hat. Aber wir haben Erfolge. Die Einsetzung der Behindertenbeauftragten ist unsere Idee. Die ab 2025 stattfindenden Einbürgerungsfeiern gehen auch auf die Grünen zurück. Der Kontakt zwischen den Fraktionen in Karben ist besser als früher.

Auch zur AfD?

Die ist hier kaum präsent. Der einzige AfD-Stadtverordnete Christian Rohde sitzt öfter im Wiesbadener Landtag. Und im Kreistag.

Wie finden die Grünen Mehrheiten für die Klimawende? Hier in Karben versuchen Sie es ja graswurzelmäßig mit Ihrem Engagement für Blumenwiesen und gegen Schottergärten. Aber müsste da nicht mehr kommen?

Klar. Gut wäre, wenn der Bund den Bürgern endlich das vereinbarte Klimageld auszahlen würde. Die Einnahmen aus den CO2-Abgaben für fossile Brennstoffe.

Also lieber Geld verteilen, als anderen Leuten die Flugreisen und das SUV-Fahren zu verbieten?

Wir verbieten niemandem etwas. Aber es wäre schon viel gewonnen, wenn man freiwillig nur einmal im Jahr in den Urlaub fliegt. Die dicken Autos finde ich in den engen hessischen Dörfern eher unpraktisch. Aber wer die fahren will, soll es eben tun und dafür bezahlen.

Interview: Klaus Nissen

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