Diakonie Dienstleisungen vor Insolvenz
Von Elfriede Maresch
Sie kaufen mit hilfsbedürftigen Menschen ein, begleiten zu Arztbesuchen, unterstützen beim Kochen, bei hauswirtschaftlichen Aufgaben. Seit mehr als 15 Jahren erbringen die Alltags-und Demenzbegleiterinen der Diakonie Dienstleistungen Wetterau gGmbH, Nidda (DDLW) solche Dienste und ermöglichen es Seniorinnen und Senioren trotz ihres Pflegegrades in der vertrauten häuslichen Umgebung zu leben. Aber nicht mehr lange, wie zu befürchten ist. „Ohne verlässliche Finanzierung droht uns zum Jahresende die Insolvenz“ sagt Geschäftsführer Gerhard Wolf.Pflegesätze sind nicht kostendeckend
Mangels kostendeckender Sätze ist die Hilfe nicht nur für alte Menschen gefährdet, sondern auch für psychisch Kranke, die ebenfalls bei der Organisation ihres Tagesablaufs Hilfe brauchen und von Kräften der DDLW unterstützt werden. Die Leistungen für insgesamt 141 Wetterauer DDLW-Betreute sind gefährdet. Diese Dienstleistung ist zudem stark nachgefragt. Auf der DDLW-Warteliste stehen 69 hilfebedürftigen Personen. Zudem sind in der Coronazeit über 20 Mitarbeitende abgewandert, neue geeignete Kräfte sind schwer zu bekommen. Gerhard Wolf, zusammen mit Eckhard Sandrock ehrenamtlich und ohne Vergütung tätiger DDLW-Geschäftsführer, erläutert: „2022 waren von unseren 39 Mitarbeitenden 21 in Teilzeit tariflich angestellt. 18 ehrenamtlich Tätige, die bis zu 3.000 Euro pro Jahr steuerfrei als Pauschale erhalten können, sind ebenso wichtige Stützen wie auch Minijob-Angestellte, deren Lohnsteuer der Arbeitgeber übernimmt.“
Die DDLW wurde auf Anregung des Dekanatsfrauenausschuss gegründet, weil Versorgungslücken vor allem bei Seniorinnen und Senioren erkennbar waren. Viele Menschen dieser Altersgruppe möchten in ihrer vertrauten Umgebung leben, aber sie sind alleinstehend oder ihre erwachsenen Kinder leben auswärts, sind beruflich eingespannt, können nur wenig Hilfe leisten. Ca. 50 Prozent der DDLW-Kunden leben in der Großgemeinde Nidda. Sie werden in regionalen Teams von den Einsatzleiterinnen Nadine Jordan und Edeltraud Klünder begleitet.
Versorgung gebrechlicher Menschen sichern
Die Alltags- und Demenzbetreuung der DDLW leistet stundenweise Unterstützung im Haushalt oder bei Außenkontakten wie Einkäufen, Arztbesuchen u.ä. Damit werden auch oft berufstätige Angehörige entlastet. Eine weitere Zielgruppe sind seelisch kranke oder behinderte Menschen, die ohne Hilfe ihren Alltag nur schwer strukturieren können. Das Konzept „Betreuung daheim“ beschreibt das DDLW- Dienstleistungsangebot. „Unser Team arbeitet vernetzt, so etwa mit den Sozial- oder Diakoniestationen, die notwendige pflegerische Hilfen erbringen. Ein Beispiel ist die gute Kooperation mit der Sozialstation Nidda und mit Gemeindeschwester Sandra Frank. Damit ist eine befriedigende Versorgung der gebrechlichen Menschen gesichert“ erläutert die DDLW-Einsatzleiterin Nadine Jordan.
Gerhard Wolf stellt dar, wie es zur Unterdeckung der Kosten kam: „Im Coronajahr 2021 hatten wir einen Umsatzrückgang in manchen Monaten von 40 Prozent, der durch die Schutzpakete nur zum Teil aufgefangen werden konnte. Damit mussten wir Rücklagen einsetzen. Bereits 2022 musste unsere gemeinnützige GmbH einen Verlust ausweisen.
Existenzgefährdend für unsere Dienstleistungen wurde dann die Änderung der Hessischen Pflege- und Unterstützungsverordnung vom Juli 2022. Der Preis der Abrechnungsstunde ist dort bei 30 Euro gedeckelt. Unsere Preiskalkulation liegt aus gutem Grund höher. Wir zahlen Tariflöhne und wehren uns gegen den indirekten Zwang, aus dem Tarifvertrag auszusteigen. Es lohnt ein Blick auf die stationäre Altenpflege, wo inzwischen Tarifverträge vorgeschrieben sind. Auch bei uns im ambulanten Bereich lassen sich Mitarbeitende nur finden, wenn sie ausreichend vergütet werden. Zudem ist abzusehen, dass wir Tariferhöhungen und den Inflationsausgleich auffangen müssen. Hat die Preisdeckelung in der Landesrichtlinie dies überhaupt berücksichtigt?“
Seit Monaten sind Wolf und Sandrock mit Kostenträgern und Kommunen im Gespräch – bisher ergebnislos. Beim Wetteraukreis zeigten sich die Ansprechpartner verständnisvoll, sind aber an die genannte Landesrichtlinie gebunden. Wolf: „Wir haben gesetzeskonform im Januar 2023 Widerspruch gegen die Preisdeckelung eingelegt und warten seit einem Dreivierteljahr auf die Entscheidung des Regierungspräsidiums Darmstadt. Ebenso blieb eine Problemanzeige bis heute schlichtweg unbeantwortet, die früher, am 21. Dezember 2022, an die zuständige Pflegekasse Eschborn ging, schlichtweg unbeantwortet.
Behörden reagieren nicht
Kein Ausweg in Sicht? Das DDLW braucht Hilfe für die akute Finanzierungslücke und ist für Spenden, die Zuweisung von Bußgeldern etc. dankbar. Das ändert aber noch nicht das Grundproblem. Planungssicherheit und ausreichende Finanzierung für die kontinuierlichen Leistungen werden dringend gebraucht.
Nur schwer nachzuvollziehen ist es, warum die Diakonie Dienstleistungen gGmbh. bisher ohne Reaktion der zuständigen Pflegekasse in Eschborn blieb. Aber auch die zuständigen Stellen im Regierungspräsidium Darmstadt haben innerhalb eines Dreivierteljahres auf den Widerspruch gegen die Preisdeckelung nicht reagiert. Das Land, die Städte, Gemeinden wie auch der Wetteraukreis sind bei der Sicherstellung der kommunalen Daseinsvorsorge gefordert. Müssen die Diakonie Dienstleistungen mangels Finanzierung ihr Angebot einstellen, ihr Team entlassen, wird sich kein kurzfristiger Ersatz finden. Auch ein späteres Nachbessern hilft nicht – die Angestellten sind abgewandert.
Gerhard Wolf: „Es braucht notwendige Vollkostenerstattung durch eine realistische Anpassung des Abrechnungspreise ohne Deckelung in der Hessischen Pflege- und Unterstützungsverordnung. Zusätzlich denkbar eine verbindliche ergänzende Teilfinanzierung: Durch die politischen Gemeinden und den Kreis, die zuvörderst die Verpflichtung der öffentliche Daseinsvorsorge haben. 15 Jahre lang hat sich das Hilfekonzept der Diakonie Dienstleistungen bewährt. Wenn wir jetzt aufhören müssten – wer schließt die Lücke? Man darf die Verantwortung für die hilfesuchenden Menschen und die Mitarbeiterinnen und sowie Finanzverantwortung der Alltags- und Demenzbegleitung nicht beim subsidiären Freien Träger abladen.“
Titelbild: Die Diakonie Dienstleistungen brauchen ausreichende Finanzierung und Planungssicherheit. Das Foto zeigt von links: Verwaltungskraft Sybille Hämmerle, Geschäftsführer Gerhard Wolf, Einsatzleiterin Nadine Jordan