„BESTER KRIMI“

Josephine Tey schrieb fesselnd

von Jörg-Peter Schmidt

Ihr Roman „The Daughter of Time“ (deutscher Buchtel: „Alibi für einen König“) gilt laut der englischen Autorenvereinigung Crime Writers‘ Association (CWA ) als bester Krimi überhaupt. Die Rede ist von der gebürtigen Schottin Josephine Tey (1896 – 1952), deren Bücher jetzt auch in Deutschland wieder zu großer Popularität gelangt sind.

Schon zu Lebzeiten Krimikönigin

Josephine Tey ist das Pseudonym für den wirklichen Namen der Autorin Elizabeth Mackintosh, deren Theaterstücke und Hörspiele beliebt waren. Allergrößte Erfolge erzielte sie mit ihren Kriminalromanen, die von Oktopus im Kampa-Verlag neu aufgelegt werden und sich einer großen Leserschaft erfreuen.

Möglicherweise hat die Schriftstellerin Nicola Upson aktuell zur Renaissance von Josephine Tey beigetragen, denn Upson hat eine Buchreihe im Kein & Aber-Verlag erfunden, in der Tey als Amateurdetektivin Fälle löst. So werden die Leserinnen und Leser dieser Reihe auf Josephine Tey neugierig.

War Richard III. wirklich so böse?

Richard III.  (Quelle: Wikipedia)

Zu den Romanen, die von Oktopus neu aufgelegt werden, gehört auch der besagte „beste Krimi aller Zeiten“ mit dem Titel „Alibi für einen König“, zuerst in England 1951 erschienen. Schon die Idee für die Geschichte ist grandios: Inspektor Alan Grant liegt mit gebrochenem Bein in einem Krankenhaus und sehnt sich nach irgendeiner Abwechslung. Zufällig liegt irgendwann auf dem Tisch neben seinem Bett ein Bild von König Richard III. (1452 – 1485), was bei dem Krankenhauspatienten einen immensen Willen zur Recherche auslöst – nach dem Motto: Wenn man als Inspektor keinen aktuellen Fall lösen kann, warum nicht einen, der Jahrhunderte zurück liegt!

Inspektor rüttelt an Tabus

Grant fragt sich: War Richard, den Shakespeare als missgestalteten Unhold beschreibt, wirklich ein ganz schlimmer Bösewicht? Hat er in der Tat zwei junge  Prinzen im Tower beseitigen lassen? Der Inspektor ermittelt, lässt sich stapelweise Bücher zu dem Thema ins Krankenhaus bringen. Wem es immer möglich ist, besorgt dem Rechercheur viele Geschichtsbände,  die sich mit Richard III. und seiner Zeit beschäftigen.

Die beiden Prinzen im Tower: Sie spielen eine bedeutende Rolle in dem Krimi „Alibi für einen König“ (Quelle: Wikipedia, Gemälde von John Everett Millais, Royal Holloway Art & Culture – https://twitter.com/RHUL_Gallery/status/1529373816006361089 )

Auf packende Weise beschreibt die Autorin, zu welchen Ergebnissen Alan Grant nach und nach kommt. Da ist manche Überraschung dabei und an so einigen Tabus der Geschichtsschreibung wird gerüttelt. Ist nun Richard ein bösartiger Verbrecher? Oder wurde über Jahrhunderte über den Regenten (beispielweise von Thomas Morus) ein stark übertriebenes Bild vermittelt ? Und warum waren die beiden Prinzen denn plötzlich verschwunden? Man möchte am liebsten die letzten Seiten aufschlagen, weil man wissen will, ob der  Mann von Scotland  Yard den komplizierten historischen Fall löst…

Wer lügt denn nun wirklich?

Inspektor Alan Grant kommt noch in anderen Romanen Teys vor. Beispielsweise in dem 1948 erschienenen Krimi „The Franchise Affair“ (deutscher Titel: „Nur der Mond war Zeuge): Grant arbeitet in dem kleinen englischen Städtchen Milford  zusammen mit dem Anwalt Robert Blair an einem äußerst rätselhaften Fall. Eine gewisse Marion Sharpe und ihre Mutter werden von der 15-jährigen Schülerin  Elizabeth Kane mit ungeheuerlichen Vorwürfen bedacht: Sharpe und ihre Mutter hätten sie einfach von der Straße verschleppt und mehrere Wochen in ihrem Haus festgehalten, zur Hausarbeit genötigt. Schließlich sei ihr die Flucht gelungen.

Es spricht so einiges für die Behauptungen des Mädchens, das genau beschreiben kann, wie es im Inneren des Hauses der beiden Frauen aussieht. Auch die öffentliche Meinung ist weitgehend auf der Seite von  Elizabeth Kane. Dennoch ermitteln der Anwalt und der Inspektor auf über 400 Seiten weiter.  Man ist beim Lesen dieser fesselnden Geschichte hin- und hergerissen und fragt sich: Wer lügt? Die beiden Damen oder die Schülerin? 

Josephine Tey  hat als Grundlage für ihr Buch einen historischen wahren Fall  zugrunde gelegt (was sie gern tat). Im Jahr 1753 begründete in London die 18-jährige  Elizabeth Canning ihr plötzliches Verschwinden wie folgt: Zwei Frauen hätten sie entführt und sie sei von ihnen gefangen gehalten worden. In dem Haus sei sie gezwungen worden, ständig Hausarbeiten  zu verrichten.

Verfilmung von Alfred Hitchcock

Es sind noch weitere Romane von Josephine Tey bei Oktopus wiederveröffentlicht worden.  Zu den einstigen Fans der Erzählerin gehörte übrigens auch ein gewisser Alfred Hitchcock, der 1939  auf der Grundlage von „A Shilling for Candles“  den Kriminalfilm „Jung und unschuldig“ drehte.  Fazit: Nicht nur Agatha Christie schrieb Bücher für die Ewigkeit. Beispielsweise Josephine Tey wusste, wie man den perfekten Krimi gestaltet.

Titelbild (Teilausschnitt): Josephine Tey. (Fotoquelle: Kampa Archiv)

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