Diskussion über „Labyrinth des Schweigens“
„Im Labyrinth des Schweigens“ – ein Titel, wie er zu einem Mafia-Thriller passen könnte. Doch der Film von Regisseur Giulio Ricciarelli hat eine noch weitgehend unbearbeitete Zeit der deutschen Geschichte im Fokus: die Jahre vor den Auschwitz-Prozessen (ab 1963) in Frankfurt. Ihr wichtigster Protagonist war der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Seinen Namen trägt heute das „Institut zur Geschichte und Wirkung des Holocaust“. Das Capitol Butzbach zeigt den Film einmalig am Dienstag, 3. März, 19 Uhr – mit der Möglichkeit im Anschluss mit einem Mitarbeiter des Instituts zu diskutieren.
Auschwitz – verleugnet
Es ist das Jahr 1958, die Zeit des Wirtschaftswunders in Deutschland. Die Trümmer des Zweiten Weltkriegs an den Gebäuden sind bereits weitgehend beseitigt. Der Wiederaufbau ist in vollem Gange. Der Blick geht in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit. Im Set trifft der Staatsanwalt Johann Radmann (Alexander Fehling) eine fiktive Person, auf Thomas Gnielka (André Sziymanski), eine reale Person. Der Journalist der Frankfurter Rundschau ist in Aufruhr, als in einem Prozess ein ehemaliger Lehrer als Auschwitz-Wärter erkannt wird. Radmann lässt die Situation nicht mehr los. Er beginnt seine Recherchen und „stößt auf ein Geflecht aus Verdrängung, Verleugnung und Verklärung“. Recherchen, die sein Leben – auch im Privaten verändern werden.
Johann Radmann ist eine fiktive Figur. Doch fließen in die Film-Person die Vorarbeiten der Staatsanwälte Joachim Kügler, Georg Friedrich Vogel und Gerd Wiese ein, die die Anklage für die Frankfurter Ausschwitzprozesse mit vorbereitet haben. Im Film erkennt Fritz Bauer, dargestellt von dem im Juli vergangenen Jahres verstorbenen Schauspieler Gert Voss, die Bedeutung der Recherchen des/der Staatsanwälte. Fritz Bauer ist seit 1956 Landesstaatsanwalt in Hessen. Drei Jahre später erreicht er, dass der Bundesgerichtshof „die Untersuchung und Entscheidung“ in der Strafsache gegen die Auschwitz-Täter dem Landgericht Frankfurt überträgt.
Im Dezember 1963 beginnt der erste der Auschwitz-Prozesse. Auf der Anklagebank zwei Dutzend Offiziere der Waffen-SS. Unter ihnen: Robert Mulka. Durch einen Zufall wird Mulka, der nach Kriegsende als unauffälliger Kaufmann in seiner Heimatstadt Hamburg lebt, ausfindig gemacht. Mulka, ehemaliger SS-Obersturmbahnführer, war als Adjutant von Rudolf Franz Ferdinand Höß (Kommandant des KZ Auschwitz-Birkenau von Mai 1940 bis November 1943) maßgeblich für die Beschaffung des Todesgases Zyklon B und den Transport tausender Menschen in die Gaskammern verantwortlich. Robert Mulka, so heißt es, „war der Mann an der Rampe, der Tausende in den Tod schickte“. 1965 wird er wegen „gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord“ verurteilt. Seine Strafe: 14 Jahre Zuchthaus. In der Strafanstalt Kassel verübt er einen Selbstmordversuch, den er überlebt. 1968 wird Mulka wegen Haftunfähigkeit vorzeitig entlassen. Er stirbt ein Jahr später.
Fritz Bauer hat ihn nicht überlebt. Der Generalstaatsanwalt, der Hauptankläger der Auschwitz-Prozesse, der Mann, der dafür sorgte, dass am Gebäude der Frankfurter Staatsanwalt der Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ in großen Lettern angebracht wurde, verstarb am 1. Juli 1968. Seit 1995 trägt ein von der Stadt Frankfurt, dem Land Hessen und einem Förderverein initiiertes Institut seinen Namen. Zuständig für dessen Archiv und die Bibliothek ist der Historiker Werner Renz.
Wie er als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fritz-Bauer-Instituts den Film „Im Land des Schweigens“ beurteilt, welche Aufgaben die Einrichtung im ehemaligen IG-Farben-Haus auf dem Uni-Campus Westend der Uni-Frankfurt heute hat – darüber diskutiert Werner Renz am Dienstag, 3. März, mit den Besuchern im Capitol-Kino in Butzbach. Filmstart ist um 19 Uhr.