Stadtrundgänge in Frankfurt
Von Bruno Rieb
Die AG Antifaschistische Stadtrundgänge beim DGB Frankfurt stellt in einem Buch Orte des Naziterrors und des Widerstands in der Main-Metropole vor. Ein wichtiges Werk in diesen Zeiten des aufblühenden Nationalismus und Rassismus.64 Stationen
Widerstandskämpfer und Überlebende des Nazi-Terrors haben die AG Antifaschistische Stadtrundgänge 1979 unter dem Dach des DGB Frankfurt gegründet. Es war Pionierarbeit, denn „alternative Stadtführungen, zumal zur NS-Geschichte, die es heute in so gut wie jeder Stadt gibt, gab es damals nicht“, heißt es in der Einführung des Buches. Die AG wurde in einer Zeit gegründet, die noch von Verdrängung der jüngeren deutschen Geschichte geprägt war. Viele wollten sich damals nicht mit der eigenen Schuld und Tätern in der Familie und im Freundeskreis auseinandersetzen.
64 Stationen werden beschrieben, die für die Zeit von 1933 bis 1945 in Frankfurt bedeutsam sind, vom Gewerkschaftshaus, das kurz vor Beginn der Nazi-Herrschaft errichtet worden war, über das Zwangsarbeitslager der Naxos-Union und das Heinrich-Heine-Denkmal, das als einziges in Deutschland die Nazi-Herrschaft überstanden hat, bis zum Lokal Krolla, dem Treffpunkt der Swing-Musik hörenden Jugendlichen.
Die Swing-Jugend
Die „Swing-Jugend“ wurde von den Nazis als gefährlich betrachtet. Es war eine Subkultur mit anderer Kleidung, Frisur und anderem Auftreten. Die Jugendlichen begrüßten sich mit „Swing Heil“, eine deutliche Abgrenzung von den Nazis. Es gab in Frankfurt mehrere Treffpunkte in Cafés, Ruderclubs oder auch in Schwimmbädern. Berühmte Treffpunkte waren das Schuman-Theater am Hauptbahnhof mit Varieté, Bar und Café, die Rokokodiele in der heutigen Henningerpassage, das Regina, das Café Hauptwache, das Café Wien und das Café Sanssouci am Eschenheimer Turm. Im Krolla im Gallus traf sich der Club der Kameruner, Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahre, vorwiegend aus Arbeiterfamilien. Jugendamt, Polizei und Hitlerjugend verfolgten die Sing-Fans. Emil Mangelsdorff, 1925 geboren und nach dem Krieg einer der bekanntesten Jazzmusiker Deutschlands, wurde wegen seiner langen Haare mehrfach zur Gestapo zitiert. Nach einer unbedachten Äußerung wurde er 1943 wegen „Wehrkraftzersetzung“ 20 Tage lang im Untersuchungsgefängnis in der Hammelsgasse inhaftiert und anschließend zum Wehrdienst eingezogen. Das Haus Kriegkstraße 99, in dem sich das Lokal Krolla befand, existiert heute nicht mehr. Station des Stadtrundganges ist die Kriegkstraße 97, Ecke Idsteiner Straße.
Heine-Denkmal
„Denk ich an Deutschland in der Nacht,/Dann bin ich um den Schlaf gebracht“, reimte Heinrich Heine 1844. Deutschlands berühmtesten Dichter wurden vielerorts Denkmäler errichtet. Die Nazis mochten ihn nicht, weil er Jude war und wegen seiner politischen Gesinnung. Seine Bücher verbrannten sie, so auch in Frankfurt am 10. Mai 1933. Die Denkmäler wurden zerstört – bis auf das in Frankfurt. Es war im Auftrag der Stadt vom Bildhauer Georg Kolbe geschaffen und 1913 in der Friedberger Anlage aufgestellt worden. Es zeigt einen Mann und eine Frau, athletisch und nackt, und am Sockel das Relief Heines. Am Abend des 26. April 1933 wurden Hitlerjungen dabei beobachtet, wie sie die Figuren umstürzten. Da die Plastik dem nationalsozialistischen Geschmack entsprach, wurde sie – ohne die Tafel mit dem Heine-Bild – unter der Bezeichnung „Frühlingslied“ im Kunstmuseum Städel eingelagert. 1947 wurde das Denkmal restauriert und zu Heines 150. Geburtstag am 14. Dezember in der Taunusanlage aufgestellt. „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“, hatte Heine einst geschrieben.
Deckadresse der Roten Hilfe
Vom Widerstand gegen die Nazis zeugt die Adresse „Zeil 25“. Sie wurde von der Roten Hilfe als Deckadresse genutzt. Die 1924 gegründete Organisation unterstützt Kriegsopfer und inhaftierte Mitglieder linker Parteien. Sie war 1933 verboten worden, arbeitete aber illegal weiter. Die Kommunistin und Widerstandskämpferin Lore Wolf hatte mit dem befreundeten Briefträger Karl Rüb vereinbart, dass er ihr alle Post an die Deckadresse „Firma A. Holz, Frankfurt, Zeil 25“, zukommen ließ. Das tat er von April 1933 bis 28. August 1933. Da wurde er verraten. Rüb, der kein Kommunist war, bekam 7 Jahre Zuchthaus. Er verriet niemanden. Seine Frau warnte Lore Wolf, die fliehen konnte. Wolf engagierte sich nach dem Krieg in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). An sie erinnert eine Gedenktafel am Haus Gerlachstraße 24 in Höchst.
KZ Katzbach
Einer der schlimmsten Orte der Gewaltherrschaft der Nazis war das KZ Katzbach der Adlerwerke im Gallus. Die Adlerwerke produzierten für die Wehrmacht Fahrgestelle für Schützenpanzer. 1944 wurde das KZ unter dem Tarnnamen „Katzbach“ als Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler eingerichtet. Insgesamt waren hier 1616 Männer, darunter auch 71 Jugendliche, inhaftiert. Sie mussten 11 bis 12 Stunden in Tages- und Nachtschichten arbeiten. Wer zu fliehen versuchte, wurde hingerichtet. 527 Häftlinge starben in Frankfurt, weitere 165 starben nach ihrer Überstellung in ein Kranken- und Sterbelager. Die Produktion in den Adlerwerken wurde im März 1945 eingestellt. Die verbliebenen Häftlinge wurden am 24. März auf einen Todesmarsch nach Buchenwald geschickt, dort kamen nur 280 der 360 bis 370 Häftlinge an.
Das sind vier Beispiele aus den 64 Stationen. Sechs Touren auf den Spuren von Nazi-Terror und Widerstand in Frankfurt werden empfohlen: „Vom neuen zum alten Gewerkschaftshaus“, „Durch das Ostend“, „Durch das Gallus“, „Durch das Westend“, „Verdrängte Opfer des Nationalsozialismus“, „Frankfurter Frauen im Nationalsozialismus“. Man kann sich aber auch eigene Rundgänge zusammenstellen. Oder man bucht einen Stadtrundgang bei der AG Antifaschistische Stadtrundgänge.
Das Buch hat 206 Seiten im Format 17 mal 24 Zentimeter und ist reich bebildert. Es ist kostenlos werktags zwischen 9 und 12.30 Uhr in der Geschäftsstelle des DGB Frankfurt-Rhein-Main in der Wilhelm-Leuschner-Straße 69-77 Ort erhältlich oder per Anfrage an Frankfurt-Main@dgb.de. Anfragen für Stadtrundgänge und Rückmeldungen zum Buch können per E-Mail stadtrundgang@dgb-frankfurt.de gesendet werden.