Parkschein-Recycling
Das neue Jahr startete für Landbote-Autor Jörg-Peter Schmidt (Foto) sehr erfreulich: Er bekam während einer aufreibenden Suche nach einem Parkplatz einen gebrauchten, aber noch verwertbaren Parkschein geschenkt.
Gewohnt komplizierte Parkplatzsuche
Wir kennen das alle: Bisweilen begegnen einem manche Mitmenschen arg muffelig (wobei man sich selbstverständlich an die eigene Nase fassen sollte: Ist man selbst immer freundlich zu seinen Zeitgenossen?). Um so erfreulicher war, was ich am Freitagmorgen, 5. Januar 2018, gegen 11 Uhr in der mit Straßenverkehr vollgestopften Gießener Innenstadt erlebte. Dabei ging es es doch „nur“ um eine kleine Geste.
Folgende Situation: In der gegenüber dem Dachcafé gelegenen Reinigung in der Ludwigstraße waren gewaschene und gebügelte vier Hemden, zwei Hosen und ein Anzug nebst Schlips abzuholen. So etwas kann man nicht einfach in eine Tasche stopfen. Man muss mit aufrechtem Gang die aneinandergereihten Kleidungsstücke behutsam an den spitzen Obergriffen der jeweiligen Bügel zum Auto tragen (möglichst ohne über die eigenen Füße zu stolpern). Und es regnet auch noch. Daran denkt man bereits, wenn man einen Parkplatz sucht, was sich als gewohnt kompliziert herausstellt. In der Ludwigstraße sind wieder mal grade alle Stellflächen besetzt – man kurvt also weiter durch Straßen und Gassen der Universitätsstadt und landet in der Lonystraße, in der es zu Spitzenverkehrszeiten selten möglich ist, einen Parkplatz zu finden. So scheint es auch diesmal zu sein (der Weg zu Reinigung dürfte also lang und länger werden).
Gerettet
Und dann: Eine junge Frau auf dem Bürgersteig der Einbahnstraße winkt schon von weitem heftig mit den Armen und signalisiert: Bitte Seitenscheibe herunterhieven! Was will sie? Ein Notfall?! Keinesfalls: Die sympathische unbekannte Pkw-Fahrerin überreicht mir lächelnd ihren Parkzettel, der noch für eine Dreiviertelstunde gültig ist. Und noch bevor ich mich bedanken kann, ist sie auch schon mit ihrem Wagen, in dem sich noch weitere Personen befinden, weg. Für mein Auto steht jetzt eine der letzten Parkflächen vor dem Ende der Straße zur Verfügung – und das kostenlos. Der Weg zur Reinigung ist nun also doch nicht ganz so weit.
„Es ist doch kein Einzelfall, dass jemand einem sein Ticket mit der nicht abgelaufenen Parkzeit überlässt“, werden Sie jetzt vielleicht als Leser des „Landboten“ denken. Das mag richtig sein. Aber eine so kleine nette Geste wie die der jungen Frau in der Lonystraße in Gießen ist in der Hektik des Alltags gar nicht so selbstverständlich. Ich greife mir wieder an die eigene Nase: Hatte ich bisher immer den Nerv, auf andere Leute zu warten, um ihnen meinem Parkzettel zu schenken? Also: Man darf sich getrost immer ein wenig Zeit nehmen, um zu seinen Mitmenschen freundlich zu sein, besonders wenn man glaubt, „jetzt aber überhaupt gar keine Zeit und Nerven“ zu haben…
Wie einfach es ist, anderen eine Freude zu bereiten. Nur oft denken wir gar nicht daran, das weiß ich aus Erfahrung. Wenn die Situation vorbei ist, fällt es einem ein: Ja, das hättest Du doch mal loben können, die Frau x im Altersheim anrufen können……
Wenn ein Student vor der Uni-Bibliothek den Türknopf drückt, um mir und meinem Rollator einen Mini-Umweg zu sparen, so wärmt diese kleine Geste mein Herz. Aufmerksamkeit für andere muss trainiert werden. Oft denke ich, es wäre vielleicht sinnvoll, das Fach Religion in der Schule durch ein Fach zu ersetzen, in dem durch Rollenspiele etc. der achtsame Umgang mit den Mitmenschen geübt wird, die kleinen Gesten, die aus einer Anteilnahme am anderen erwachsen. Keine Angst, Kenntnisse über die Weltreligionen sollten natürlich ebenfalls vermittelt werden.